Sichere Stromversorgung auf Bau- und Montagestellen

Bild zeigt eine aufgestellte Rüstung vor der Oberbaumbrücke in Berlin

Die Hausfrau hat es, die Studentin hat es, der Rentner hat es, der Kleingärtner hat es eventuell sogar zweimal – nur der Bauarbeiter auf kleinen und mittelgroßen Baustellen hat es oftmals nicht. Gemeint ist: Das erhöhte Sicherheitsniveau durch Fehlerstromschutzschalter.

Der Einsatz von Fehlerstromschutzschaltern (auch bekannt als FI-Schalter oder RCD) stellt eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Elektrosicherheit dar. Die DIN VDE-Normen fordern den Einbau von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen unter anderem für Feucht-, Nass- und Außenbereiche, landwirtschaftliche Betriebsstätten, Campingplätze, Bootsliegeplätze, feuergefährdete Betriebsstätten und Baustellen. In Bädern gehört es zum Ausrüstungsstand, dass FI-Schutzschalter installiert wurden. Deshalb sollten in Wohnungen die Bäder mit der entsprechenden Technik ausgerüstet sein. Der Kleingärtner hat den FI-Schalter nicht nur in seiner Wohnung, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Kleingarten, da Geräte, die im Außenbereich betrieben werden, über solche Schutzeinrichtungen verfügen müssen. Für den, der einen Gartenteich besitzt und eventuell eine Fontäne oder eine Pumpe betreibt, stellt der FI-Schalter eine Art Lebensversicherung dar.

Bild zeigt eine Straßenbaustelle

Das Projekt Baustromversorgung auf Bau- und Montagestellen ist in ähnlicher Form schon einmal im Jahre 2001 durchgeführt worden. Auf Grund der damaligen Erkenntnisse wurden einige Maßnahmen eingeleitet, um die Situation auf den Baustellen zu verbessern, unter anderem wurde auch ein weiteres Projekt zur Problematik in Aussicht gestellt, es wurde ein ##icon:pdf## LAGetSi-Info “Stromversorgung auf Baustellen“ erarbeitet und es gab eine Presseerklärung. Hauptziel des neuen Projektes war es, die Einsatzhäufigkeit von zugelassenen Anschlusspunkten zu erhöhen. Deshalb wurde auch eine modifizierte Bearbeitungsstrategie entwickelt.

Grundlage für das Projekt waren die Ergebnisse der Aktion „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel auf Baustellen“ aus dem Jahre 2001. Es wurde eine neue Checkliste mit kleinen Änderungen verwendet. Schwerpunkt der Kontrollen waren wieder kleine Bau- und Montagestellen (zum Beispiel kleine Teileinrüstungen, malermäßige Instandsetzung kleiner Gewerberäume, Reparatur oder Installation einer Werbebeleuchtung). Kleinbaustellen sind Bereiche, in denen elektrische Betriebsmittel nur einzeln benutzt werden oder in denen die durchgeführten Bauarbeiten wegen ihres geringen Umfanges 10 Arbeitsschichten nicht überschreiten.

In der Regel erfolgte bei einer unzulässigen Baustromversorgung eine Anordnung an die Firma. Im Rahmen des Projektes Baustromversorgung auf Bau- und Montagestellen wurden 206 Besichtigungen durchgeführt, davon waren 138 Erstbesichtigungen und 68 Nachkontrollen. Mit den sehr zeitnahen Nachbesichtigungen sollte der Erfolg unserer Maßnahmen kontrolliert werden und im Falle einer mangelnden Einsicht ordnungsbehördliche Ahndungen durchgeführt werden. Fortgesetzte Verstöße gegen unsere Anordnung führten dann in zwei Fällen zur Eröffnung eines Bußgeldverfahrens. Im Rahmen des Verwaltungshandelns gab es 34 Anhörungen. Es waren 62 Anordnungen erforderlich und in 11 Fällen war ein sofortiger Vollzug nach § 6 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz angezeigt, um eine unmittelbare Gefahr abzuwehren.

Bild zeigt ein Rüstungsfeld mit Kabeltrommel

Neu in die Überprüfung aufgenommen wurden Testauslösungen der FI-Schalter. Hierzu gibt es einige interessante Anmerkungen. Eine tatsächliche Funktion dieses Sicherheitsschalters kann im Notfall lebensrettend sein. Da es in der Literatur Angaben zu höheren Ausfallraten bei sehr langer Einsatzzeit gibt, sollte versucht werden, mit dem Projekt eigene Ermittlungen durchzuführen. Im Rahmen des Projektes wurden deshalb die Auslösungen der Schalter getestet. Wegen des harten Baustellenbetriebes müssen FI-Schalter, die auf Baustellen eingesetzt werden, täglich einmal getestet werden. Nur in etwa der Hälfte der kontrollierten Firmen werden diese Tests auch wirklich durchgeführt. Die Kontrolle der FI-Schalter wurde zum einen durch Auslösung und zum anderen durch ein Testgerät durchgeführt. Zuverlässige Aussagen zum Schaltverhalten lassen sich nur aus dem Test ohne Testgerät ablesen, da das Testgerät zunehmend dazu eingesetzt wurde, zu prüfen, ob überhaupt im Stromkreis ein FI-Schalter vorhanden war. Diese sehr elegante Methode zu überprüfen, ob ein FI-Schalter vorhanden ist, wurde bei einigen Mitarbeitern im Laufe der Projektdurchführung immer beliebter, so dass sich die betroffenen Kollegen immer einigen mussten, wer das Gerät nun mitnehmen darf. Von 45 per Hand ausgelösten FI-Schaltern war die Schutzfunktion in zwei Fällen nicht gewährleistet, das heißt der FI-Schalter hat nicht ausgelöst und er kann eine Schutzfunktion im Ernstfall nicht erfüllen. Deshalb die berechtigte Forderung: Täglich eine Auslösung des Schalters per Testknopf vornehmen.

An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass auch im häuslichen Bereich der FI-Schalter nicht zu stiefmütterlich behandelt wird. Jeder, der einen FI-Schalter im privaten Bereich nutzt, sollte es sich zur Angewohnheit machen, mindestens halbjährlich eine Testauslösung durchzuführen.

Bild zeigt einen Baustromverteiler mit Schutzstromverteiler

Der Einsatz des Testgerätes hat in einem Fall auch deutlich gemacht, dass die Forderungen zu den Anschlusspunkten (siehe DGUV Information 203-006 (alt BGI 608) Punkt 4.1.2.) sehr berechtigt sind. Dort heißt es: „Steckvorrichtungen in ortsfesten Anlagen dürfen nicht als Anschlusspunkte verwendet werden.“ Diese Forderung bedeutet in ihrer Konsequenz, dass auch Steckvorrichtungen, die sich in Badezimmern befinden, auch wenn sie einen FI-Schalter besitzen, nicht genutzt werden dürfen. Die Forderung wurde innerhalb der Projektgruppe durchaus kontrovers diskutiert. Einige Mitarbeiter waren der Meinung, dass das Schutzziel der BGI erfüllt wird, wenn sich nur irgendwo im Stromkreis ein FI-Schalter befindet. Bei einer Kontrolle vor Ort hat sich nun folgendes zugetragen:

Es wurde eine Firma auf einer kleinen Baustelle festgestellt, die einen unzulässigen Anschlusspunkt nutzte. Daraufhin erging eine Anordnung an die Firma und es erfolgte zeitnah die Nachkontrolle. Bei der Nachkontrolle waren weder Baustromverteiler, Schutzverteiler noch ortsveränderliche Schutzeinrichtung vorhanden. Der Mitarbeiter berichtete aber voller Stolz, dass der Elektriker den Sanitärraum bereits mit einem FI-Schutzschalter ausgerüstet hat. Eigentlich hätte ein Blick auf den Schaltkasten gereicht, um festzustellen, dass ein neuer FI-Schalter eingebaut war, die Funktion des Schalters war auch gewährleistet. Da der kontrollierende Kollege das Testgerät an diesem Tag mit hatte, wollte er den vor Ort tätigen Arbeitnehmern demonstrieren, wie sich ein Fehlerstrom auswirkt. Er steckte das Testgerät in eine Steckdose des Sanitärbereichs und löste die Testfunktion aus. Und was passierte? Nichts! Der FI-Schalter, obwohl nagelneu, vor einigen Tagen eingebaut, löste einfach nicht aus. Der Test des FI-Schalters im Schaltkasten brachte aber positive Ergebnisse. Was war geschehen? Weitere Untersuchungen ergaben, dass der FI-Schalter im Beleuchtungskreis des Sanitärraumes eingebaut war, der Steckdosenkreis hatte keinen zusätzlichen Fehlerstromschutz. Diese eher zufällige Beobachtung zeigt, wie sinnvoll die Forderung der DGUV Information 203-006 (alt BGI 608) ist: „Steckvorrichtungen in ortsfesten Anlagen dürfen nicht als Anschlusspunkt verwendet werden.“ Die Begebenheit dürfte auch die letzten Zweifler von der Sinnhaftigkeit der Forderungen der DGUV Information 203-006 (alt BGI 608) überzeugt haben. Der Mitarbeiter irgendeiner Firma kann im Allgemeinen nicht einschätzen, in welchem Zustand sich die Elektroanlage befindet und selbst in völlig neu errichteten Anlagen sind Fehler nicht ausgeschlossen.

Bild zeigt eine Fassadenrenovierung mit aufgestellter Rüstung

Während der Besichtigungen wurde den Arbeitnehmern die Bedeutung eines zugelassenen Anschlusspunktes für ihre Sicherheit und die Sicherheit von Dritten erläutert. In den meisten Fällen zeigten sich die Mitarbeiter einsichtig, die Möglichkeiten zur richtigen Wahl eines Anschlusspunktes muss jedoch der Betrieb vorgeben. Auf den Baustellen wurden insgesamt 402 ##icon:pdf## LAGetSi-Infos “Stromversorgung auf Baustellen“ verteilt.

Hauptergebnis des Projektes ist die Feststellung, dass der Einsatz von zulässigen Anschlusspunkten für die Stromversorgung auf Baustellen völlig unbefriedigend ist. Leider hat sich die Situation auf den Baustellen seit unserer letzten Aktion nicht grundlegend verändert. Das zeigt aber auch wie wichtig unsere Tätigkeit ist und auch bleiben wird, denn neue Entwicklungen im Arbeitsschutz setzen sich leider nicht im Alleingang durch. Werden auf großen Baustellen in 76 % aller kontrollierten Betriebe Anschlusspunkte mit Fehlerstrom-Schutzschalter eingesetzt, so beträgt dieser Prozentsatz auf kleinen Baustellen nur 32 %.

Ursache für den mangelhaften Einsatz von zugelassenen Anschlusspunkten ist oftmals Unkenntnis der Betriebe über das bestehende Regelwerk. Bei großen Baustellen erfolgt die Installation einer Baustromversorgung im Auftrag des Bauherrn oder durch den bauleitenden Betrieb. Eine Versorgung aus ortsfesten Anlagen ist meist nicht möglich, da diese noch nicht installiert oder abgeschaltet sind. Bei großen Baustellen ist also eine „Zwangsversorgung“ mit einem sicheren Anschlusspunkt die Regel. Probleme gibt es hier oft, wenn sich das Baustellengeschehen dem Ende nähert und die installierte Baustromversorgung kurz vor Fertigstellung des Bauvorhabens demontiert wird. Die Firmen, die noch Restarbeiten durchführen müssen, greifen dann auf die nun fertiggestellte ortsfeste Anlage zurück. Das ist aber unzulässig. Im Punkt 4.1.2 der DGUV Information 203-006 (alt BGI 608) „Auswahl und Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel auf Baustellen“ heißt es: „Steckvorrichtungen in ortsfesten Anlagen dürfen nicht als Anschlusspunkte verwendet werden.“ Die Festlegung ist eindeutig.

Bild zeigt einen Bauaufzug

Warum ist die Situation auf kleinen Bau- und Montagestellen so dramatisch schlechter? Kleine Baustellen sind Bereiche, in denen elektrische Betriebsmittel nur einzeln benutzt werden oder die durchzuführenden Arbeiten nur einen geringen Umfang haben. Eine betriebsbereite ortsfeste Anlage ist fast immer vorhanden und auch nutzbar. Jedoch gilt die oben angeführte Feststellung natürlich uneingeschränkt auch für kleine Bau- und Montagestellen: „Steckvorrichtungen in ortsfesten Anlagen dürfen nicht als Anschlusspunkte verwendet werden“.

Es fehlt ein Bewusstsein für die Problematik der Baustromversorgung. Den Betrieben ist offensichtlich nicht klar, dass sie selbst für die Wahl des richtigen Anschlusspunktes verantwortlich sind und dies auch beeinflussen können. Wenn kein Baustromverteiler mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtung zur Verfügung steht, oder ein anderer zugelassener Anschlusspunkt, dann muss mit eigenen Mitteln ein zugelassener Anschlusspunkt hergestellt werden. Diese eigenen Mittel sind zum Beispiel ein Schutzverteiler für Baustellen oder eine ortsveränderliche Schutzeinrichtung, die jeweils einen integrierten FI-Schutzschalter besitzen. Diese Einrichtungen dürfen an Steckvorrichtungen ortsfester Anlagen betrieben werden. An diese Schutzeinrichtungen werden dann die elektrischen Betriebsmittel angeschlossen.

Bild zeigt einen Betonmischer

Der Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) auf Bau- und Montagestellen muss zu einer Selbstverständlichkeit werden, wie der Einsatz von Sicherheitsgurten im Auto. Durch eine verhältnismäßig kleine Investition in Sicherheitsgurte im Straßenverkehr lassen sich die Verletzungsschwere bei Unfällen und der tödliche Ausgang von Unfällen deutlich verringern. Das Sicherheitsdenken hat sich bei den Autofahrern durchgesetzt. Ähnlich muss es gelingen, den Einsatz von Elektrogeräten auf Bau- und Montagestellen nur mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen („Sicherheitsgurt“) vorzunehmen.

Warum gibt es eine so deutliche Diskrepanz zwischen dem was in den Vorschriften und dem Regelwerk festgeschrieben ist und dem was in der Realität von der Ordnungsbehörde bei den Besichtigungen festgestellt wird? Auf der einen Seite ist ein sehr weit gefächertes Regelwerk für den Arbeitsschutz entstanden, bestehend aus nationalen staatlichen Regelungen in Form von Gesetzen und Verordnungen, es gibt ein technisches Regelwerk und ein Regelwerk der Berufsgenossenschaften, sowie im letzten Jahrzehnt durch die europäische Einigung veranlasst, immer mehr übernationale, europäische Regelungen. Es ist eine Tendenz zu mehr Eigenverantwortung der Betriebe feststellbar. Im neueren Regelwerk, das heißt speziell in den Gesetzen und Verordnungen gibt es stark theoretisch geprägte Ansätze, die das System perfektionieren wollen und bei konsequenter Anwendung auch die eigentliche Arbeitsschutzaufsicht verändern sollten.

Bild zeigt ein Warnschild auf einem Betonmischer

Auf der anderen Seite gibt es durch die verschiedensten ökonomischen Zwänge eine Entwicklung zu immer kleineren Einheiten, die in der extremsten Entwicklung in der sogenannten „Ich-AG“ ihren Ausdruck findet. Das bedeutet, dass die großen Betriebe mit ihren eigenen Stellen und Strukturen für den Arbeitsschutz immer mehr an Bedeutung verlieren und von diesen sehr bewährten Arbeitsschutzsystemen in den Großbetrieben immer weniger Mitarbeiter erfasst werden. Diese Situation wurde ja schon teilweise erkannt und es wurden entsprechende Maßnahmen zum Beispiel durch die Berufsgenossenschaften eingeleitet, aber durchschlagende Erfolge sind nicht zu verzeichnen. Gerade an den Projekten zur Baustromversorgung ist diese Diskrepanz zwischen Anspruch an den Arbeitsschutz im Betrieb und der Realität sehr evident.

Das bedeutet aber auch, dass weniger Kontrolle in den Betrieben eine Illusion ist, wenn das jetzt vorhandene Niveau des Arbeitsschutzes gehalten werden soll. Was sind die Schlussfolgerungen aus der Projektarbeit „Sichere Stromversorgung auf Bau- und Montagestellen“?

  1. Ohne ordnungsbehördliche Aufsicht kann sich der Arbeitsschutz gerade in den kleinen und Kleinstbetrieben nur schwer durchsetzen.
  2. In den etwa 300 überprüften Betrieben (beide Projekte) sollte zukünftig der Einsatz von zulässigen Anschlusspunkten sichergestellt sein.
  3. Durch die Informationen von Fachverbänden über unsere Aktion, die Presseerklärung, das Verteilen der Merkblätter, sowie Gespräche mit den Anbietern der Geräte für die Herstellung von geeigneten Anschlusspunkten wurden deutlich mehr Betriebe angesprochen, als besichtigt wurden. Hier wirkt sich das neue Fachkonzept mit der Projektarbeit sehr deutlich und sehr positiv aus.
  4. Durch die sehr intensive Auseinandersetzung mit der Problematik wurden auch Mängel im bestehenden Regelwerk, hier speziell in der DGUV Information 203-006 (alt BGI 608) „Auswahl und Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel auf Baustellen“ sichtbar. Diese durch die intensive Projektarbeit gewonnenen Erkenntnisse wurden der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zur Verfügung gestellt.

Auf Grund der schlechten Situation bei der Stromversorgung insbesondere auf kleinen Bau- und Montagestellen und den immer wieder auftretenden Unfällen im Zusammenhang mit unzulässigen Anschlusspunkten wird diese Problematik auch künftig ein Schwerpunkt der Arbeit des LAGetSi sein.

  • LAGetSi-Info "Stromversorgung auf Baustellen"

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    Dokument: © LAGetSi