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Gedenk- und Informationsstele zu Selma und Paul Latte und der Umschichtungsstelle Niederschönhausen 1934–1941
Selma (1876–1943) und Paul (1878–1943) Latte gründeten 1907 in Berlin einen später deutschlandweit größten Betriebe der Getränke-Industrie. Die Firma Paul Latte hatte ab 1920 ihren Sitz in der Buchholzer Straße 28–31 in Niederschönhausen. Paul Latte war Erster Vorsitzender und Geschäftsführer im Reichsverband Deutscher Flaschengroßhändler. Ab 1934 verpachtete das Ehepaar Teile des Geländes in der Wackenbergstraße an die »Reichsvertretung der deutschen Juden«, die das Areal nutzte, um Jugendliche und Erwachsene auf ihre Auswanderung vorzubereiten.
Die Machtübernahme des NS-Regimes, antijüdische Boykottmaßnahmen und eine zunehmende Ausgrenzung aus dem Berliner Wirtschaftsleben zerstörten die wirtschaftliche und soziale Existenz des Ehepaares Latte. Unter Zwang mussten sie 1938 Teile ihres Grundbesitzes in Niederschönhausen unter Wert an das Reich und die Stadt Berlin verkaufen. Die Produktion im Unternehmen wurde zum 30. September 1939 eingestellt. 1940 folgte die Löschung der Firma aus dem Berliner Handelsregister. Das Paar musste in ein “Judenhaus” in Berlin-Hermsdorf am Falkentaler Steig 16 ziehen. Selma und Paul Latte wurden am 13. Januar 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starben Paul Latte am 24. Januar und seine Frau Selma am 16. Juli 1943 an den Folgen der unmenschlichen Lebensbedingungen.
Am Falkentaler Steig 16 in Berlin-Hermsdorf erinnern zwei Stolpersteine an das Ehepaar.
English translation
Selma and Paul Latte
Die »Reichsvertretung der deutschen Juden« errichtete ab 1933 verstärkt in ganz Deutschland Ausbildungsstätten, in denen Jugendliche und Erwachsene auf ihre Emigration nach Palästina (hebräisch: Hachscharah, d.h. Tauglichmachung) vorbereitet wurden. Ab Januar 1934 lebten jüdische Jugendliche und junge Erwachsene unter Leitung des Ingenieurs Leopold Kuh und seiner Frau Ruth in der »Umschichtungsstelle« Niederschönhausen. Dort lernten Jugendliche und junge Erwachsene in der Schmiede, Schlosserei, Tischlerei oder in den Gartenanlagen. Mädchen erhielten unter Anleitung von Ruth Kuh Unterricht in Hauswirtschaft.
1936 richteten sie als weiteren Ausbildungsort die »Tagesschule für Berufsvorlehre« ein. Hier lernten jeweils bis zu 60 Schulabgänger zwischen 14 und 16 Jahren.
Mit den Ausbildungsstätten entstand für die ausgegrenzten und verfolgten Jugendlichen kurzzeitig ein Raum, in dem sie vor den alltäglichen Anfeindungen weitgehend geschützt waren. Am 21. Juni 1938 überfiel eine größere Menschenmenge die Umschichtungsstelle, zerstörte das Inventar und setzte die Tischlerei in Brand.
Spätestens nach den deutschlandweiten Pogromen im November 1938 verließen Juden aus ganz Deutschland ihre Heimat. Die Umschichtungsstelle wurde zum 30. Mai 1941 aufgelöst und die verbliebenen Jugendlichen wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Im Oktober 1941 verbot das NS-Regime die Auswanderung aus Deutschland. Bis April 1943 wurden nahezu alle Juden aus Deutschland deportiert. Von den bis heute 103 namentlich bekannten Jugendlichen und junge Erwachsenen, die zeitweise in der Umschichtungsstelle in Niederschönhausen lebten, konnten nach bisherigen Erkenntnissen mindestens 39 noch rechtzeitig nach Argentinien, Australien, Großbritannien und in die USA emigrieren. Die Existenz der Umschichtungsstelle in Niederschönhausen geriet nach 1945 rasch in Vergessenheit.
Der Bevölkerung in der Umgebung blieb vor allem der »Latte-Sportplatz« auf dem Firmengelände des “Flaschenjuden” Paul Latte in Erinnerung.
English translation
Hachshara and training sites institutions in Niederschönhausen
Denkzeicheneinweihung
Dienstag, 21.06.2016, 17.30 Uhr | Charlottenstraße/Beuthstraße, 13156 Berlin (Bus 250)
Benennung »Selma-und-Paul-Latte-Platz«
durch Jens-Holger Kirchner (Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung)
anschließend
Einweihung der Gedenk- und Informationsstele zu Selma und Paul Latte und der Umschichtungsstelle Niederschönhausen 1934–1941
durch Dr. Torsten Kühne (Bezirksstadtrat für Kultur)
Historische Einführung: Dr. Verena Buser (Historikerin)
Grußworte: Gudrun Schottmann und Christof Kurz (Initiatoren der Platzbenennung)
Musikalische Umrahmung: Konzertchor der ev. Friedenskirche Niederschönhausen
Mittwoch, 22.06.2016, 19.00 Uhr | Betsaal des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses, Berliner Straße 120/121, 13187 Berlin (Eingang Hadlichstraße)
Musik und Lesung
Mit: Urs Faes (Schriftsteller), David Orlowsky Trio, Gudrun Schottmann und Christof Kurz
Einladung: Benennung »Selma-und-Paul-Latte-Platz«, Einweihung der Gedenk- und Informationsstele, Musik und Lesung
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