Suppen – Von der Sage bis zur Gegenwart

Museums-Suppentopf mit der Aufschrift Neidorfer Suppentopfich

von Ursula A. Kolbe

Suppen sind das ganze Jahr „in“ – ob am heimatlichen Herd, im Lokal wie beim Sternekoch im „Gourmet – Tempel“. Und die Geschmacksvarianten, Rezepte und ihr Austauschen sind so alt wie eine Suppe selbst. Im Suppenmuseum, dem einzigen übrigens seiner Art in Deutschland, wollte ich mehr über das Produkt und was noch alles so dazu gehört erfahren.

Also auf nach Neudorf ins obere Erzgebirge, einem heutigen Ortsteil der Gemeinde Sehmatal in der Nähe von Oberwiesenthal. Darauf angesprochen, würden die Hiesigen sicher noch das Wort „Suppenländer“ hinzufügen. Und das rührt von einer alten Sage her, erfuhren wir von Kerstin Jahn, der rührigen Vorsitzenden des Heimatvereins „Am Fichtelberg“ und Chefin des Suppenmuseums.

Dieser gemeinnützige Verein mit seinen mittlerweile 30 Mitgliedern will zur Förderung und Pflege von Brauchtum, Tradition und Heimatverbundenheit sowie zur Erhaltung von Kulturwerten seinen Beitrag leisten. So haben sie auch das Suppenmuseum aus der Wiege gehoben und betreiben es mit großem Engagement aller Beteiligten, um es attraktiv für Alt und Jung zu halten.

Nach der Sage vom „Katzn Hans“ also ging es um 1532 um einen Einsiedler namens „Katzn Hans“. Im Winter ging er nach Neudorf, um dort Nahrung zu erbetteln. Er hatte es nämlich satt, sich ewig von Pilzen, Wurzeln und Beeren zu ernähren, und so dachte er sich, eine Scheibe Brot sei doch mal was anderes. Aber die Dörfler waren selbst arm und Brot auch für sie schier unerschwinglich. Aber sie wollten helfen – und boten ihm einen Teller Suppe an.

Die hat dem „Katzn Hans“ so gut geschmeckt, er aß sie auf, bedankte sich und zog weiter. Auch im nächsten Haus gab es wieder eine Suppe, und das war überall so, wo er auch anklopfte. Es war aber jedes Mal eine andere. Auf dem Rückweg zu seiner Behausung hatte er dann Mühe, sich den Berg hoch zu schleppen. Am Waldrand angekommen, setzte er sich nieder und rief voller Wut ob der vielen Süppchen: „Neudorf huh, huh, huh – is Suppndorf bis du!!!“

In seinem ganzen Leben soll der „Katzn Hans“ aber nur einmal in Neudorf gewesen sein, hatte er doch die Mehl- und die Semmelsuppe , die Korn,- Nessel,- Pflaumen – oder Kräutersuppe satt. Geblieben ist die Legende, und es werden heute immer noch Suppen in Neudorf gekocht – geliebt, weitergetragen.

Es „suppt“ jetzt im ehemaligen Rathaus

Und was gibt es nun seit 1992 im Museum zu sehen, das seit 2013 in den Räumen des ehemaligen Rathauses sein Domizil hat. Viel Wissenswertes haben die Neudorfer dort über Suppen und vor allem Exponate zusammengetragen; Rezepte, Utensilien verschiedenster Art, eben Gegenstände des alltäglichen Bedarfs, Bilder, Texte rund um die edle Löffelspeise. Das Motto heißt: „Von der Sage bis zur Gegenwart“.

Erstaunlich die Aussagekraft der zusammengetragenen vier Küchen im Einrichtungsstil der Jahre 1910, 1939, 1969 und 1970. Sie widerspiegeln eindrucksvoll, wie zu jenen Zeiten gelebt, gewohnt, gekocht und gearbeitet wurde. An manch einem Stück erkennen die Besucher auch heute Vertrautes wieder, erinnern sich an Erzählungen ihrer Großeltern.

Hier ist Kerstin Jahn, die Museumsleiterin und Besitzerin der hiesigen „Gaststub zr Bimmelbah“ in ihrem Element und mit dem vielen Interieur selbst bestens vertraut. In der „Schwarzküche“ konfrontierte sie uns gleich mit dem Suppen-Kochen schon vor über 500 Jahren, als der Ruß vom Herd noch Wände und Decke schwärzte. Das alte Sprichwort z. B. „Ich muss jetzt `nen Zappen zulegen“ bedeutete, in der über dem Herd hängenden Kaminsäge noch einen Zappen zuzulegen, damit der Eintopf schneller warm wurde.

Überhaupt erzählen die rund 3.000 Exponate in den sieben Ausstellungsräumen gelebte Geschichte und Geschichten. Ob Töpfe, Teller, Terrinen und Pfannen, sie alle belegen das Leben der jeweiligen Zeiten in den erzgebirgischen Dörfern, geprägt vom rauen Klima in den Bergen und die oft finanziellen Nöten ihrer Bewohner. Vielerorts erwuchs aus der Not eine schier unerschöpfliche Kreativität für genussreiches Essen.

Die Erzgebirgler machten damals oft aus der Not eine Tugend. So ist man beispielsweise im ersten Moment irritiert über die Geschichte mit alten Gasmasken aus dem Ersten Weltkrieg. Nun, da diese einen Henkel hatten, wurden sie kurzerhand als Milchkannen umfunktioniert. Die Suppenterrinen führen bis in die Zeit des Sonnenkönigs zurück, der sich zu jedem einzelnen Gang eine andere Suppe servieren ließ. Erzählt wird die Geschichte des Schnellkochtopfes, der Dampfgarer, auch der Topflappen von 1880, des Original Berliner Löffels des letzten sächsischen Königs Friedrich August und und und… -man muss das einfach vor Ort selbst sehen und hören.

Interessant ist dabei zu sehen, wie die Küchenarbeit mit der Emanzipation der Frau auch leichter wurde. Der Einzug moderner Küchentechnik oder die industriell hergestellten Suppen sprechen für sich. Laut Statistik werden heute noch 40 Prozent der Suppen selbst gekocht, 60 Prozent sind Fertigsuppen, z. B. die erste Fertigsuppe „Knorrs Erbswurst“ aus dem Jahre 1905.

Manch historisches Stück gab auch Anlass, Bücher darüber zu schreiben. So ist eine mit Heu gefüllte Kochkiste auf Bauernhöfen ausgestellt, in der eine Suppe zu Ende gegart wurde. Dabei wird auch auf das Büchlein „Kochkiste und Kochkistengerichte“ verwiesen. Wie überhaupt für Liebhaber und Interessierte in der Vitrine auf mehrere Titel rund um die Suppe aufmerksam gemacht werden. So das Buch „Die sehr bekannte deutsche Löffelspeise – Mus, Brei und Suppe kulturgeschichtlich betrachtet“. Oder „Dampf stieg aus dem Topf hervor. Eine Kulturgeschichte der Suppen aus aller Welt“.

Im Museumsshop selbst kann man auch das Buch „Arzgebirgscher Suppntopp – mit über 100 Kochrezepten aus dem Erzgebirge“ erwerben, herausgegeben vom Erzgebirgs-Verlag Häckel. Diese Sammlung, von Einwohnern der Region zusammengetragen, wurde im Museum erweitert, geordnet von A – Z, und kann hier angeschaut werden und gibt manche Anregung. Wie heißt es doch: „Fünf sind geladen, zehn sind gekommen, gieß Wasser zur Suppe, heiß‘ alle willkommen.“

Suppentopfziehen und Kochwettbewerb

Eine feste Tradition in Neudorf ist die jährliche „Kirmes im Suppenland“. Höhepunkte sind dann die Weltmeisterschaft im Suppentopfziehen und der Suppenkochtopfwettbewerb mit Teilnehmern aus Nah und Fern. Dann sind die Bizeps gefordert, und die Kochlöffel werden geschwungen. Am Ende wurden im Vorjahr die drei besten Suppen aus 30 eingereichten Suppen verkündet. Die sechsköpfige Jury aus Einheimischen und Gästen hatte sie zuvor alle verkostet. Suppenkönigin im Vorjahr war Christina Rauhe aus Neudorf mit einer Paprika-Hack-Suppe. Der jüngste Teilnehmer war ein 11jähriger. Er kochte Michel’s herbstliche bunte Kressesuppe.

Nach dem Museumsbesuch ist sicher auch die Neugier geweckt, in der „Gaststub zr Bimmelbah‘“ einzukehren und sich Suppe und regionale Küche wie zu Omas Zeiten schmecken zu lassen. Derzeit werden 13 preisgekrönte Sieger-Suppen angeboten, so z. B. die Neidarfer Kaassupp, Wildkräuter-Waldpilzsuppe à la Katzenhans, Fischsuppe mit Einlage von Rotbarsch und Forellenfilet oder auch die Apfel-Currysuppe. Aber kosten Sie in der „Bimmelbah“ selbst…und guten Appetit!