Humor ist die demokratischste aller Gewohnheiten

Direktor Gottfried Gusenbauer vor Werken Erich Sokols aus Playboy Cartoons

von Ursula A. Kolbe

An einem der schönsten Abschnitte des Donautales, am Ausgang der Wachau, einem UNESCO-Weltkultur- und Weltnaturerbe, liegt Krems – eine Stadt, die zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert ist. Hier kann man eintauchen ins Land am Nibelungenstrom. Und mittendrin in der kulturellen Vielfalt auch das Karikaturmuseum Krems. 2001 errichtet nach den Plänen des Architekten und Karikaturisten Gustav Peichl/RONIMUS ist es einzigartig in seiner Art und gilt als erstes und einziges Museum für Karikatur, Satire und kritische Graphik des Landes – als originelle Bereicherung der österreichischen Kulturlandschaft.

Als wir kürzlich wieder einmal die Wachau besuchten, gehörte auch ein mehrtägiger Abstecher nach Krems und in das Karikaturmuseum dazu. Sein Direktor Gottfried Gusenbauer fand die Zeit, uns in das Haus und seine Ausstellungen einzuführen. Schon das Gebäude ist beeindruckend. Die architektonische Gestaltung mit einer durchgehenden Glasfront im Erdgeschoss signalisiert Offenheit und Transparenz. Hier sind wir in einem lebendigen Ort der Auseinandersetzung mit Karikatur und Satire. Und das sowohl für Zeichnerinnen und Zeichner als auch die ganze Publikumsbreite.

Das Karikaturmuseum versteht sich als europäisches Kompetenzzentrum für Zeichenkunst und Bildliteratur und vernetzt sich mit internationalen Künstlern, Museen und Ausstellungshäusern. Dabei erfahren wir vom „Schwesternmuseum“, nämlich das „Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst“ in Hannover. Hier wird das Werk von Wilhelm Busch in seiner Gesamtheit gehütet sowie die Karikatursammlung, welche die Geschichte dieser Kunstform von 1600 bis in die Gegenwart spiegelt.

Jährlich wechselnd: Immer wieder Deix…

Die Dauerpräsentation von Manfred Deix (1949 – 2016) zeigt hier im Haus – jährlich wechselnd – Schätze aus den Landessammlungen Niederösterreich. In seinen Cartoons begegnen wir ätzendem Spott, unzähligen Tabubrüchen und schrägen Figuren. Boshafter Witz, gepaart mit einer hervorragenden Ausführung der Arbeiten ist das Markenzeichen des großen österreichischen Satirikers. Und Deix einst selbst: „Wer wenn nicht Satiriker, soll die Dinge beim Namen nennen?“

Begleitet wird die Ausstellung mit einem aufwendig gestalteten Sammlungskatalog und dem Buch „Dichterglück und Underground“. Hier werden erstmals alle Comics aus den 1970er Jahren, entstanden für die Neue Freie Presse, gesammelt publiziert. Sie spiegeln unverkennbar Sprache und Geist der Underground-Comics dieses Jahrzehnts. Die Gedichte und Faxnachrichten von Deix sind als poetisch-subversive Ehrerbietungen an Wilhelm Busch zu verstehen, sie pflegen einen besonderen Umgang mit Humor und Sprache.

Erich Sokol – Meister der Porträtkunst

Beeindruckend war die Highlightausstellung mit einer „Sokol-Auslese“, wo der Titel Name ist und noch bis zum 25. November besucht werden kann. Hintergründiger Humor, vielseitige Interessen und ein unbestechlicher Blick für das Wesentliche zeichnen die Werke von Erich Sokol (1933 – 2003) aus. Dank seiner akribischen Charakterstudien wirken seine Farbporträts echter als die Fotos, die als Vorlage dienten.

Die großflächigen Darstellungen von Persönlichkeiten aus Politik, High Society und Kultur, national wie international, sind pointierte Bilderzählungen. Seine Aquarell-Technik und die geografische aufwendig gestalteten Publikationen beeinflussten viele Karikaturisten. Und Sokol selbst: „Sein G’sicht kann bald einer zeichnen – aber die Hauptarbeit liegt vorher. Das Zeichnen selbst ist nur der Abschluss eines Arbeitsvorgangs“. Mit seiner Königsdisziplin, eben der Porträt-Karikatur, gilt Sokol als Wegbereiter einer neuen österreichischen Schule.

Unbedingt sehenswert sind Auftragsarbeiten, wie die „Genießerserie“ für das Cateringunternehmen Do & Co., Arbeiten für das Gasthaus Plachutta und das Plakat für die Wiener Festwochen (1986). Laienhaft gesagt, einfach Klasse.

Schon als junger angehender Künstler hat ihn 1957 seine Ausbildung am Institute of Design in Chicago geprägt. Dort traf er Hugh Hefner, den Herausgeber des „Playboy“. Daraus entstand eine langjährige Zusammenarbeit. Seine persönlichen Eindrücke vom American Way of Life hielt Sokol treffend in satirischen Charakterstudien, den „American Natives“ fest. Nach seiner Rückkehr aus den USA wurde er als editorial cartoonist von der Arbeiter-Zeitung/AZ engagiert, er galt auch bei internationalen Medien als gefragter Zeichner.

Auch das soll noch erwähnt werden: Der SOKOL-Preis für digitale Karikatur, kritische Zeichenkunst und Satire wird vom Land Niederösterreich in Zusammenarbeit mit der Erich Sokol Privatstiftung Mödling und dem Karikaturmuseum Krems vergeben und soll international Zeichnerinnen und Zeichner in ihrer Karriere unterstützen. Das Museum fungiert in Zusammenarbeit mit den Landessammlungen Niederösterreich als Kompetenz- und Kommunikationszentrum, Netzwerkplattform, Drehscheibe und Präsentationsort.

Ein humoristischer Blick über die Grenzen

Großes Vergnügen bereitete uns ebenso die Ausstellung „Ahoj Nachbar! Satire und Karikaturen aus Tschechien“, kamen wir doch zuvor auf dem Weg in die Wachau geradewegs vom tschechischen Nachbarn, wo bekanntlich Satire und Humor zu Hause sind. Diese Schau (noch bis zum 20. Januar nächsten Jahres zu sehen) ist in Zusammenarbeit mit der Galerie der bildenden Kunst Havlickuv entstanden und verweist auf die enge kulturelle Verbindung zwischen der Region Vysocina und Niederösterreich.

Zu keinem anderen Nachbarland Österreichs bestanden so lange enge Beziehungen wie zu Böhmen und Mähren. In beiden Ländern lebte die tschechische und deutschsprachige Bevölkerung nebeneinander. Es ist doch eine alte Weisheit: Gemeinsames Lachen verbindet, und gute Nachbarschaft will durch Humor und wechselseitige Toleranz gepflegt werden.

Die Kuratorin Daniela Ruzickovà begründete ihre Auswahl der 47 Werke mit der Sicht der Eigenartigkeit des tschechischen Humors aus der Vogelperspektive, Selbstreflexion und vor allem Humor ohne Grenzen. Diese Künstler folgten in ihrer leicht philosophischen Art der tschechisch-humoristischen Tradition des 20. Jahrhunderts. Wie der damalige tschechische Schriftsteller Karel Capek sagte: „Humor ist die demokratischste aller menschlichen Gewohnheiten.“ Und auf die Frage, wie man tschechischen Humor beschreibt, lassen wir am besten den Schriftsteller Jaroslav Rudis antworten, der ganz einfach sagte: „Man lacht und zittert zugleich.“

Die Karikatur soll ja die Menschen möglichst direkt erreichen, Kommentare und Kritik, Ereignisse und Meinungen deutlich gemacht und kritische Aussagen auf den Punkt gebracht werden. Dafür stehen auch diese herausragenden Werke der sieben tschechischen Künstler(innen), mit dem Ziel, einen öffentlichen Diskurs anzuregen. Ein zusätzlicher Anreiz für diese Ausstellung war, dass es sich um wortlose Cartoons handelt – ein Verstehen ohne Sprachbarrieren.

Wie hatte Direktor Gusenbauer durchaus mit Stolz gesagt: „Wir haben eine schöne Wachau, den Wein, aber auch die Kunst, die Karikatur. Das sind Erlebnisse, die auch den Urlaub bereichern. Künstlerisch sind wir nur ein kleiner Außenbezirk von Wien.“ – Wie wahr, aber Krems liegt doch nur runde 70 km westlich von Wien entfernt. Ein Besuch ist immer lohnenswert.