Grundwassertemperatur 2010

Kartenbeschreibung

Temperaturprofile

Die Eindringtiefe der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen und damit die Tiefenlage der neutralen Zone wird maßgeblich durch die geogenen Faktoren wie den Flurabstand, die thermische Leitfähigkeit und Wärmekapazität der Gesteine und die Grundwasserneubildung bestimmt. In Berlin liegt die neutrale Zone in Abhängigkeit von den oben genannten Verhältnissen in Tiefen zwischen ca. 15 und max. 25 m (Henning & Limberg 1995).

Abb. 5: Jahreszeitliche Temperaturschwankungen des Grundwassers

Abb. 5: Jahreszeitliche Temperaturschwankungen des Grundwassers

In Abb. 5 ist für vier Grundwassermessstellen in etwa gleicher geologischer Position, aber in unterschiedlichen stadtstrukturellen Lagen, die zeitliche Variation des Temperaturverlaufs in den ersten 25 Metern unter der Geländeoberkante im grundwasserungesättigten und -gesättigten Untergrund dargestellt. Die ersten zehn Bodenmeter sind durch das Auftreten von überwiegend bindigen Böden i. d. R. Geschiebemergel gekennzeichnet. Der Grundwasserflurabstand beträgt in Abhängigkeit von der geomorphologischen Lage zwischen 5 und 10 m.

In Abhängigkeit vom jeweiligen Standort der Grundwassermessstelle zeigen sich deutliche Unterschiede in den beobachteten Temperaturen sowie auch im Temperaturverlauf mit zunehmender Tiefe unterhalb der neutralen Zone in rd. 15 m Tiefe.

Im oberflächennahen Bereich (< 5 m Tiefe) treten die niedrigsten Untergrundtemperaturen in der Regel im Frühjahr (Februar bis Mai) und die höchsten im Spätsommer (September bis Oktober) auf.

In der Tabelle 1 sind für ausgewählte Messstellen mit unterschiedlichen stadtstrukturellen Lagen in einer Übersicht die Temperaturkennwerte gebildet aus Messungen vom Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember 2009 gegenübergestellt (Henning Energie- und Umweltberatung, 2010).

Tab. 1: Gegenüberstellung ausgewählter Temperaturkennwerte in unterschiedlichen Besiedlungsbereichen

Tab. 1: Gegenüberstellung ausgewählter Temperaturkennwerte in unterschiedlichen Besiedlungsbereichen

Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, dass generell mit zunehmender Besiedlungsdichte eine Zunahme der Grundwassertemperaturen (vgl. Abb. 5) zu registrieren ist.

Es lässt sich grob folgende Einteilung für die unterschiedlichen Besiedlungsbereiche vornehmen:

Bereiche Temparatur in der neutralen Zone
ohne Besiedlung, überwiegend Vegetation < 9 °C
mit geringer bis mittlerer Siedlungsdichte 9 – 11 °C
mit hoher Siedlungsdichte, Stadtzentren und Industrieansiedlungen > 11 °C

Ausnahmen bilden Gebiete, die im Einzugsbereich von dichten Industrieansiedlungen mit großen Abwärmeproduzenten oder in unmittelbarer Nähe zu erwärmten Oberflächengewässern liegen.

Die Abbildung 6 zeigt ein Beispiel für einen Extremfall. Diese Grundwassermessstelle liegt mitten in einer dichten Industrieansiedlung mit mehreren großen Abwärmeproduzenten in unmittelbarer Nähe zu einem Oberflächengewässer. In diesem Fall sind die höchsten Grundwassertemperaturen im Winter und die niedrigsten im Sommer zu beobachten. Da das Oberflächengewässer durch Kühlwassereinleitungen, insbesondere während der Wintermonate, stark erwärmt wird erhöht sich durch infiltrierendes Oberflächenwasser auch die Grundwassertemperatur. Im Jahr 1991 war über das ganze Jahr in einer Tiefe zwischen 10 und 20 m unter Geländeoberkante eine Temperaturanomalie mit jahreszeitlichen Temperaturschwankungen von nur ca. 1 K zwischen 14,5 und 15,5 °C zu beobachten.

Abb. 6: Jahreszeitliche Temperaturschwankungen des Grundwassers in unmittelbarer Nähe zu einem ganzjährig erwärmten Oberflächengewässer

Abb. 6: Jahreszeitliche Temperaturschwankungen des Grundwassers in unmittelbarer Nähe zu einem ganzjährig erwärmten Oberflächengewässer

Die Auswertung von Langzeituntersuchungen an Messstellen im Innenstadtbereich zeigen (Henning Energie- und Umweltberatung, 2010), dass langfristig auch mit einer Beeinflussung der Grundwassertemperaturen in größeren Tiefen zu rechnen ist. Die Abb. 7 kann dies beispielhaft an in einer Grundwassermessstelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommenen Temperaturprofilen verdeutlichen.

Abb. 7: Ergebnis einer Langzeituntersuchung an einer Messstelle

Abb. 7: Ergebnis einer Langzeituntersuchung an einer Messstelle

Die gemessenen Temperaturprofile in den Jahren 1984 und 1993 zeigen für die neutrale Zone in ca. 18 m Tiefe und dem tieferen Untergrund (mehr als 20 m Tiefe) in etwa den gleichen Temperaturverlauf. Ein Vergleich mit dem angenommenen „ungestörten“ Temperaturverlauf zeigt bis in rd. 70 m Tiefe einen deutlichen Anstieg der Untergrundtemperatur. In 40 m Tiefe beträgt dieser Temperaturunterschied noch rd. 0,5 K. Dieser bis Anfang der 1990er Jahre beobachtete Temperaturanstieg ist auf Veränderung des Lokalklimas zurückzuführen, die vermutlich auf eine Bebauung durch eine größere Wohnsiedlung, die in den 1960 bis 1970er Jahren in unmittelbar Nähe errichtet worden ist, zurückzuführen.

Zwischen 1993 und 2010 ist ein weiterer Temperaturanstieg in der neutralen Zone um rd. 0,4 K zu beobachten. Dieser Temperaturanstieg macht sich zur Zeit bis in Tiefen von rd. 40 m bemerkbar.

Da im Umfeld der Messstelle in diesem Zeitraum keine signifikanten Veränderungen durch z. B. Bebauung zu beobachten waren, die eine Veränderung des Lokalklimas bewirken können, besteht in diesem Fall vermutlich ein Zusammenhang mit den Auswirkungen der allgemeinen Klimaerwärmung. Im gleichen Zeitraum hat sich an der Säkularstation Potsdam die mittlere Lufttemperatur in 2 m Höhe um rd. 0,5 K erhöht (Henning Energie- und Umweltberatung, 2010).

Karte der Grundwassertemperaturverteilung für den Bezugshorizont 20 m unter Geländeoberkante

In der vorliegenden Karte ist die Grundwassertemperaturverteilung für den Bezugshorizont 20 m unter der Geländeoberkante im Bereich der sog. neutralen Zone für das Land Berlin dargestellt. Eine Beeinflussung durch die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen ist in diesen Tiefen i. d. R. nicht vorhanden. Der Abstand zwischen den einzelnen Isolinien beträgt 1 °C.

Die Grundwassertemperaturen schwanken zwischen kleiner 8,5 °C im Stadtrandbereich und mehr als 12,5 °C im dicht bebauten Innenstadtbereich bzw. in den Industriegebieten. Generell ist ein tendenzieller Temperaturanstieg vom Stadtrand zum Stadtzentrum hin zu beobachten. Der Temperaturverlauf im Nordosten zeigt einen kontinuierlichen Anstieg zum Stadtzentrum hin, während sich das übrige Stadtgebiet durch das Auftreten mehrerer kleinerer positiver und negativer Temperaturanomalien auszeichnet.

Das stark bebaute und versiegelte Stadtzentrum wird von einer 11,5 °C – Isolinie eingeschlossen. Die im Stadtzentrum zu beobachtende Wärmeinsel mit Temperaturen von mehr als 12,5 °C wird durch den Großen Tiergarten, einer großen Grünfläche im Innenstadtbereich, durchbrochen. Innerhalb dieser Wärmeinsel sind – wie aus lokalen Untersuchungen bekannt ist – punktuelle Anomalien mit Temperaturen von über 13,0 °C zu beobachten. Die höchsten Temperaturen werden in der Nähe von Kühlwassereinleitungen der Heizkraftwerke gemessen.

Außerhalb des Stadtzentrums korrelieren positive Temperaturanomalien ebenfalls mit hoch versiegelten Bereichen (vgl. Karte 01.02, SenStadt [9]) wie Nebenzentren und Industriegebieten.

Unterhalb der ausgedehnten Waldgebiete im Stadtrandbereich von Südosten, Norden, Nordwesten und Südwesten liegen die Temperaturen im Bereich von 9 °C bzw. darunter. Ferner fallen negative Temperaturanomalien im Stadtgebiet von weniger als 10 °C mit Bereichen zusammen, die sich durch einen hohen Vegetationsanteil auszeichnen wie z. B. der Britzer Garten.

Generell ergeben sich im dicht besiedelten Innenstadtbereich gegenüber dem Freiland Temperaturerhöhungen im Grundwasser von mehr als 4 °C.

Karte der Grundwassertemperaturverteilung für den Bezugshorizont 0 m NHN

Die zweite Karte zeigt die Grundwassertemperaturverteilung für den Bezugshorizont 0 m NHN im Land Berlin. Das entspricht in Abhängigkeit von der Lage im Urstromtal oder auf den Hochflächen einer Tiefe zwischen rd. 30 bis max. rd. 70 m unter Geländeoberkante (vgl. Abb. 3). In diesen Tiefen ist eine Beeinflussung durch die täglichen und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen ausgeschlossen. In diesen Tiefen können sich jedoch langfristig anhaltende Temperaturänderungen, die z. B. durch eine veränderte bauliche Entwicklung oder klimatische Veränderungen verursacht werden, bemerkbar machen.

Der Abstand zwischen den einzelnen Isolinien beträgt bei dieser Karte 1 °C. Ein direkter Vergleich dieser Karte mit der Ausgabe von 1999 ist aufgrund der unterschiedlichen Datengrundlage hinsichtlich der Messstellendichte und wegen der nicht so fein gewählten Temperaturabstufung für die Darstellung nicht möglich.

Auch bei dieser Kartendarstellung schwanken die Grundwassertemperaturen zwischen kleiner 8,5 °C im Stadtrandbereich und mehr als 11,5 °C im dicht bebauten Innenstadtbereich.

Im stark bebauten und versiegelten Stadtzentrum hat sich der Bereich, der von der 11,5 °C – Isolinie eingeschlossen wird, deutlich verkleinert (Tiefenlage ca. 30 m unter Geländeoberkante). Dagegen ist eine deutliche Vergrößerung der Gebiete zu beobachten, die im Temperaturbereich zwischen 8,5 und 9,5 °C liegen, was zum Teil auf die Tiefenlage des Darstellungshorizonts (zwischen größer 30 m und kleiner 70 m) zurückzuführen ist. Dazu gehören insbesondere die südöstlichen, nördlichen und nordwestlichen Stadtrandbereiche.

Ein Vergleich mit der Karte zur Grundwassertemperaturverteilung für den Bezugshorizont 20 m unter Geländeoberkante zeigt, dass insbesondere die im südlichen und südöstlichen Stadtgebiet zu beobachtenden kleineren positiven und negativen Temperaturanomalien nicht mehr auftreten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich im dicht besiedelten Innenstadtbereich gegenüber dem Freiland Temperaturerhöhungen im Grundwasser von mehr als 4 °C ergeben können und dieses somit deutlich erwärmt ist. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang mit den stadtklimatischen Verhältnissen an der Oberfläche. Dies belegen auch die Ergebnisse der regelmäßigen Untersuchungen an ausgewählten Temperaturmessstellen in unterschiedlichen stadtstrukturellen Lagen.

Allgemein zeigt die oberflächennahe Grundwassertemperaturverteilung im Land Berlin einen Zusammenhang mit der Verteilung von Industrieansiedlungen, Abwärmeproduzenten, Oberflächenversiegelung, Freiflächen und anthropogen erwärmter Oberflächengewässer (s.a. Henning, 1990). Unter Berücksichtigung des Grundwasserströmungsfeldes kann davon ausgegangen werden, dass diese Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Veränderung der Grundwassertemperatur haben. Da es in der Stadt in der Regel zu einer Häufung dieser Faktoren kommt, überlagern sich die Einflussgrößen gegenseitig. (Blobelt, 1999).

Auf Grundlage von Daten aus Langzeituntersuchungen kann gezeigt werden, dass aufgrund der fortschreitenden baulichen Entwicklung aber auch der allgemeinen klimatischen Veränderungen von einer weiteren tief greifenden Erwärmung des oberflächennahen (kleiner 20 m Tiefe) und tieferen Untergrunds (bis 100 m Tiefe) und somit auch des Grundwassers auszugehen ist.