Grundwassertemperatur 2020

Einleitung

Die Grundwassertemperatur im Ballungsraum von Berlin ist bzw. wird durch den Menschen nachhaltig verändert.

Die Temperaturmessungen im oberflächennahen Grundwasser des Landes Berlin zeigen, dass im zentralen Innenstadtbereich die Durchschnittstemperatur z. T. um mehr als 5° C gegenüber dem dünner besiedelten Umland erhöht ist. Des Weiteren zeigen die Messung, dass sich dieser Temperaturanstieg zunehmend auch in größeren Tiefen mit mehr als 20 m bemerkbar macht.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Ursachen für die Beeinflussung der Grundwassertemperatur

Abb. 1: Schematische Darstellung der Ursachen für die Beeinflussung der Grundwassertemperatur

Die Ursachen für die Temperaturerhöhung sind vielfältig und stehen im direkten Zusammenhang mit der fortschreitenden baulichen Entwicklung, den vorhandenen Nutzungen an der Erdoberfläche und den Auswirkungen des Klimawandels. Es lassen sich direkte und indirekte Beeinflussungen der Grundwassertemperatur unterscheiden (s. Abbildung 1):

  • Unter einer direkten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden alle Wärmeeinträge in das Grundwasser durch das Abwasserkanalnetz, Fernwärmeleitungen, Stromtrassen und unterirdische Bauwerke wie Tunnel, U-Bahnschächte, Tiefgaragen etc. verstanden. Sie umfassen auch Wärmeeinträge, die mit der Grundwasserwärmenutzung und -speicherung in Verbindung stehen.
  • Unter einer indirekten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden Prozesse im Zuge der Urbanisierung verstanden, die mit der Veränderung des Wärmehaushalts der bodennahen Atmosphäre entstehen. Nach Gross (1991) sind als wichtige Größen zu nennen:
    • Die Störung des Wasserhaushalts durch einen hohen Versiegelungsgrad.
    • Die Veränderung der thermischen Oberflächeneigenschaften wie Oberflächenwärmeleitung und -wärmekapazität durch Versiegelung und Anhäufung von Baukörpern.
    • Die Änderung des Strahlungshaushalts durch Veränderungen in der Luftzusammensetzung.
    • Die anthropogene Wärmeerzeugung (Hausbrand, Industrie, Verkehr).

Im Vergleich zum Umland wird durch diese Einflussgrößen eine Veränderung im Wärmehaushalt hervorgerufen.

Die Stadt heizt sich langsam auf, speichert insgesamt mehr Wärme und gibt diese wieder langsam an die Umgebung ab, d. h., sie kann allgemein als ein riesiger Wärmespeicher betrachtet werden. Langfristig führt dieser Prozess zu einer Erhöhung des langjährigen Mittels der Lufttemperatur (vgl. Karte Langjähriges Mittel der Lufttemperatur 1981-2010, (vgl. Karte Langjähriges Mittel der Lufttemperatur 1981-2010, Karte 04.02).

Von der langfristigen Erwärmung ist auch das oberflächennahe Grundwasser betroffen. Die physikalischen Eigenschaften, die chemische und biologische Beschaffenheit des Grundwassers ist temperaturabhängig. Die Folge einer Erwärmung können eine Qualitätsverschlechterung des Grundwassers und eine Beeinträchtigung der Grundwasserfauna zur Folge haben.

Berlin bezieht sein Trinkwasser aus dem Grundwasser, welches fast ausschließlich im Land Berlin gewonnen wird. Auch ein Großteil des Brauchwassers für industrielle Zwecke wird dem Grundwasser entnommen. Daher ist dem Schutz des Grundwassers vor tiefgreifenden Veränderungen wie z. B. einer deutlichen Grundwassertemperaturerhöhung oder -erniedrigung eine große Bedeutung beizumessen – insbesondere vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Wasserwirtschaft.

Seit 1978 werden zur Bestandsaufnahme und Beobachtung der Veränderungen in tiefen Grundwassermessstellen und Temperaturmessstellen, die über das ganze Stadtgebiet des Landes Berlin verteilt sind, verstärkt Temperaturtiefenprofile aufgezeichnet.

Das vorliegende Kartenwerk soll

  • die Fortschreibung der vorliegenden Dokumentation zur zeitlichen Veränderung der Grundwassertemperatur unter dem Stadtgebiet sein,
  • als Genehmigungsgrundlage für Grundwassertemperatur verändernde Maßnahmen dienen und
  • Eingangsdaten für die Planung und Auslegung von Anlagen zur Erdwärmenutzung zur Verfügung stellen.

Zusätzlich kann es in Kombination mit anderen thematischen Karten wie z. B. der Geologischen Skizze (Karte 01.17), der Grundwassergleichenkarte (Karte 02.12) oder den geothermischen Potenzialkarten (Karte 02.18) zur Entscheidungsfindung und Vorplanung einer energetischen Bewirtschaftung des Grundwassers herangezogen werden. Die Untergrundtemperatur ist eine wichtige Größe für die Auslegung von Erdwärmesondenanlagen.

Grundwassertemperatur und Temperaturjahresgang

Die wesentliche Wärmequelle für den oberflächennahen Untergrund bis in ca. 20 m Tiefe ist die Sonneneinstrahlung, die auf die Erdoberfläche trifft. Diese ist maßgeblich für die Oberflächentemperatur verantwortlich.

Der oberflächennahe Boden wird durch die eingestrahlte Sonnenenergie erwärmt und dieser gibt die Wärme an die Atmosphäre und den Untergrund ab. Die Jahressumme des Strahlungsanteils der auf eine horizontale Oberfläche auftrifft (die sog. Globalstrahlung) beträgt im Land Berlin im Mittel ca. 1.000 kWh pro m² und Jahr. Sehr viele Einzelparameter an der Grenzfläche Luft/Erde beeinflussen das thermische Lokalklima. Die Farbe, Zusammensetzung, Oberflächenrauigkeit, Bedeckung, der Versiegelungsgrad, der Wasserhaushalt sowie die Ausrichtung zum solaren Strahlungseinfall urbaner Oberflächen entscheiden darüber, wie viel Energie aufgenommen und in der Bausubstanz „gespeichert“ bzw. von dieser an die Atmosphäre bzw. den Untergrund abgegeben wird.

Grundsätzlich unterliegen die Temperaturen an der Erdoberfläche und somit auch der Wärmeeintrag bzw. -austrag periodischen Schwankungen mit einem Zyklus von einem Jahr, entsprechend dem Verlauf der Jahreszeiten.

Die Oberflächentemperatur dringt mit abnehmender Intensität in den Untergrund ein. Die Eindringtiefe und die Geschwindigkeit, mit der die Wärme transportiert wird, ist unter anderem abhängig von der Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes.

Beim Wärmetransport im Untergrund kann zwischen einem konduktiven und konvektiven Wärmetransport unterschieden werden.

Während beim konvektiven Wärmetransport die Wärme durch Materie wie z. B. Grund- und Sickerwasser erfolgt, wird beim konduktiven Wärmetransport Energie ohne Materialbewegung im Gestein weitergeleitet.

Im Gegensatz zur Sonneneinstrahlung als Hauptwärmequelle des oberflächennahen Bereichs besitzt der aus dem Erdinnern zur Oberfläche gerichtete Erdwärmestrom, der seinen Ursprung in der Wärmeentwicklung beim Zerfall radioaktiver Isotope hat, nur eine untergeordnete Bedeutung.

In der kontinentalen Erdkruste ist die Wärmestromdichte – definiert als Wärmestrom pro Flächeneinheit senkrecht zur Einheitsfläche – regional verschieden. Nach Hurtig & Oelsner (1979) und Honarmand & Völker (1999) beträgt die mittlere Wärmestromdichte im Land Berlin zwischen ca. 80 und 90 mW/m². Daraus berechnet sich als Jahressumme eine Energiemenge zwischen ca. 0,7 und 0,8 kWh pro m² und Jahr und ist somit also ca. 1/1.000 geringer als die Globalstrahlung.

Die Temperatur des oberflächennahen Grundwassers wird im Wesentlichen durch den Energieaustausch zwischen Sonne, Erdoberfläche und Atmosphäre, untergeordnet durch den aus dem Erdinneren zur Oberfläche gerichteten Wärmestrom bestimmt.

Das langjährige Mittel der Lufttemperaturen 1981-2010 liegt in Berlin im Jahresmittel je nach Ort zwischen 9,3 °C und 10,4 °C (SenStadtWohn (2021)).

Während die täglichen Schwankungen nur eine Tiefe von max. 1 m erfassen, reichen die jahreszeitlichen Schwankungen bis in eine Tiefe zwischen ca. 15 und 20 m. Ab dieser Tiefe, in der jahreszeitliche Einflüsse nicht mehr zu registrieren sind, – der sog. neutralen Zone -, steigt die Temperatur in Abhängigkeit von der Wärmeleitfähigkeit der Gesteine und der regionalen Wärmestromdichte an (Abb. 2).

Im Berliner Raum beträgt der durchschnittliche Temperaturanstieg im Bereich bis ca. 300 m Tiefe 2,5 bis 3 °C / 100 m.

Abb. 2: Jahreszeitlicher Temperaturgang im Untergrund in Temperaturmessstelle 70006, Schmöckwitz, Schmöckwitzer Damm

Oberflächengestalt und Grundwassersituation

Das in nahezu ostwestlicher Richtung verlaufende Warschau-Berliner Urstromtal trennt die Barnim-Hochfläche im Norden von der Teltow-Hochfläche und der Nauener Platte im Süden der Stadt (Abb. 3). Die Geländehöhen des Urstromtales betragen 30 bis 40 m über NHN, während die Hochflächen durchschnittlich 40 bis 60 m über NHN liegen. Einzelne Höhen erheben sich bis über 100 m über das Meeresniveau.

Abb. 3: Geologische Skizze von Berlin

In Berlin ist der Porenraum der überwiegend sandig und kiesigen Sedimente der oberen 150 bis 200 m vollständig bis nahe an die Oberfläche mit Grundwasser erfüllt, das zur Trinkwasserversorgung der Stadt genutzt wird. Der Abstand vom Grundwasser bis zur Geländeoberkante (Grundwasserflurabstand) schwankt je nach Morphologie und Geologie zwischen 0 m und wenigen Metern im Urstromtal sowie 5 bis über 30 m auf den Hochflächen (vgl. Karte Flurabstand des Grundwassers, Karte 02.07).

Die Grundwasserentnahmen zur Trink- und Brauchwassergewinnung haben zur Ausbildung von weit gespannten Absenktrichtern der Grundwasseroberfläche geführt, die die natürlichen Grundwasserflurabstände und -fließgeschwindigkeiten erhöhen sowie die natürlichen Grundwasserfließrichtungen verändern. Dadurch sind in den Bereichen, in denen Brunnengalerien in der Nähe von Flüssen und Seen Grundwasser fördern, influente Verhältnisse entstanden, d. h. das Oberflächenwasser infiltriert als Uferfiltrat in das Grundwasser. Da das Oberflächenwasser aber durch vielfache Kühlwassereinleitungen von Heizkraftwerken ganzjährig erwärmt ist (wie z. B. im Bereich der Spree), führt diese Infiltration im Einzugsbereich des Oberflächengewässers zwangsläufig zu einer Erwärmung des Grundwassers.

Besiedlungsstruktur und klimatische Verhältnisse

Das Land Berlin besitzt eine polyzentrale Besiedlungsstruktur, die durch das Vorhandensein zweier Hauptzentren, mehrerer kleinerer Stadtzentren sowie einem dichten Nebeneinander von Wohnen, Grünflächen, Gewerbe und Industrie charakterisiert ist. Größere Gewerbegebiete und Industrieansiedlungen liegen bevorzugt an den vom Stadtkern radial zum Stadtrand gerichteten Siedlungs- und Entwicklungsachsen sowie an kanalisierten Oberflächengewässern.

Vereinfacht lassen sich folgende Unterscheidungen treffen (vgl. Abb. 4):

  • Grün- und Freiflächen
  • Bebaute Flächen

Abb. 4: Darstellung der Flächennutzung in Berlin aus Matthée, H. K. (2021) in Anlehnung an Karte 06.01 Reale Nutzung der bebauten Flächen 2015

Bei der Betrachtung der lokalklimatischen Verhältnisse in Berlin zeigt vor allem die baulich hochverdichtete Innenstadt tiefgreifende Temperaturveränderungen gegenüber dem Umland. So beträgt das langjährige Mittel der Lufttemperatur zwischen 1981 und 2010 (vgl. Karte Langjähriges Mittel der Lufttemperatur 1981-2010 (Karte 04.02) beispielsweise am nordöstlichen Stadtrand in Buch 9,5 °C, im Innenstadtbereich wird dagegen ein langjähriges Mittel von bis zu 10,4 °C gemessen.