Nicht „Nicht alle“, sondern zu viele „Tassen im Schrank“
Bild: Hans-Jürgen Kolbe
von Hans-Jürgen Kolbe
Wer verrückt ist, der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank, einen Sprung in der Schüssel, eine Schraube locker, ein Rad ab, einen Vogel, einen Dachschaden, einen Knall, er ist im Oberstübchen nicht ganz richtig, plemplem und von allen guten Geistern verlassen.
Mich jedenfalls machen die vielen Tassen im Schrank manchmal wahnsinnig. Immer, wenn das saubere Geschirr in den Schrank geräumt werden soll, scheint das dafür zuständige Fach zwischenzeitlich geschrumpft zu sein. Die Drängelei ist groß, denn nach einem langen Journalistenleben mit ungezählten Pressekonferenzen, Messebesuchen und Produktpräsentationen hat ein wirres Sammelsurium von mehr oder minder klob igen Kaffeepötten die besten Plätze in den Küchenschränken besetzt.Und die „guten“ Kaffeeservices mußten sehen wo sie blieben.
Zuerst zog sich das Service Bareuther Bavarie aus Waldsassen an der Bayrischen Porzellanstraße zurück. Die Bayrische Porzellanstraße führt von der Wiege der nordbayerischen Porzellanproduktion im Fichtelgebirge durch das Stiftland und den Oberpfälzer Wald, die Fränkische Schweiz und den Steigerwald über das Obere Maintal-Coburger Land in den Frankenwald und das Bayerische Vogtland bis in den Kaiserwald im benachbarten Tschechien, wo in Horní Slavkov die erste Porzellanfabrik Böhmens gegründet wurde.
Den Tassen und Tellern aus Waldsassen folgte bald ein Service von der Thüringer Porzellanstraße: Das Zwiebelmuster aus Kahla wich dem Verdrängungswettbewerb in unserem Hängeschrank.
Auch durch weite Teile Ost- und Südthüringens führt eine touristische „Porzellanstraße“. Diese wurde vom 1992 gegründeten Förderverein Thüringer Porzellanstraße e.V, die heute ihren Sitz auf der Leuchtenburg hat, initiiert. Auch hier kann in zahlreichen Porzellanmanufakturen, Betrieben und Museen der Werdegang des Weißen Goldes an der 340 km langen Strecke erlebt werden. 1999 vorgestellt. An den Verkehrswegen markiert ein braunes Schild mit Logo und weißer Schrift die Thüringer Porzellanstraße.
Das Zwiebelmuster hat eine lange Geschichte. Es erzählt von Reisen und interkulturellen Missverständnissen. Unzählige Variationen hat es im Laufe der Zeit erlebt. Eine der bekanntesten und beliebtesten Versionen ist die von KAHLA. Der Klassiker in Blau-Weiß ziert bis heute unzählige Kaffeetische in Deutschland und in aller Welt.
Jetzt jedenfalls herrscht Anarchie in den Hängeschränken. Billige Kaffeepötte von EURO EXPRESS, DHL, gedas, Hilton Dresden, Frankfuter Allgemeine, AEB Solutiuons, Glühweinbecher diverser Weihnachtsmärkte und Berliner Bohne haben sich mit pseudo-witzigen Werbesprüchen eingenistet, obwohl sie eigentlich „nicht die Bohne“ interessieren.
Diesem Zustand kann man nur durch gezielten Absturz begegnen. Aber leider haben sich die tönernen Werdeträger als sehr robust erwiesen.
Jetzt bleibt nur noch eine Hoffnung: ein traditioneller Polterabend bei Verwandten oder Freunden, um so die Entsorgung gewissermaßen der nächsten Generation zu übertragen.
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