Logistik – Treiber der digitalen Veränderung

Im Logistikzentrum der Firme Reyher in Hamburg lagern 130.000 verschiedenen Artikel

Im Logistikzentrum der Firme Reyher in Hamburg lagern 130.000 verschiedenen Artikel

von Ursula A. Kolbe

„Mutig machen“ – Diese zwei Worte standen als Motto über den dreitägigen Beratungen des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin. Und das liege ihm sehr am Herzen, hatte der BVL-Vorstandsvorsitzende Robert Blackburn in seiner Eröffnungsrede festgestellt. „Ich bin davon überzeugt“, sagte er, ,, dass Erfolg von Mut abhängig ist. Courage ist eine Mischung aus Selbstvertrauen und Entschlossenheit. Sie ist gleichzeitig ein gutes Mittel gegen sich selbst erfüllende Prophezeiungen – vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.“ Gerade die Digitalisierung beinhalte große Chancen für die Logistiker in Industrie, Handel und für die Logistik-Unternehmen.

Blackburn sieht die Logistik als Treiber der digitalen Veränderung und als DIE Schlüsselfunktion der Zukunft. Sie könne die gestaltende Kraft auf vielen wirtschaftlichen Feldern sein – und zwar in allen drei Dimensionen – ökonomisch, ökologisch, sozial – in den Unternehmen selbst und über Unternehmensgrenzen hinweg. „Der Informations-, Daten- und Güteraustausch wird unternehmensübergreifend und multimodal stattfinden. Logistikprozesse werden über Plattformen vernetzt, also transparenter, agiler, resilienter und nachhaltiger sein“, erläuterte der BVL-Vorsitzende das Zukunftsszenario.

Was die Logistik-Weisen prognostizieren

Für die Logistikwirtschaft in Deutschland prognostizieren die Logistikweisen in 2020 ein Plus von nominal 2,2 Prozent. Das reale Wachstum liege bei 0,4 Prozent. Nach aktueller Hochrechnung erwarten die Experten um Prof. Christian Kille ein Wachstum von ca. zwei Prozent.

Für den deutschen Markt weist die zum Logistik-Kongress neu erschienene Ausgabe der „Top 100 in European Transport and Logistics services“ für 2018 ein Volumen von 278 Mrd. EUR aus. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme in Höhe von 11 Mrd. EUR (4,1 Prozent). Prognostiziert hatten die Logistikweisen lediglich einen Anstieg von 2,2 Prozent.

Ein Grund für die Abweichung dürfte die gute Konjunktur gewesen sein. 2018 hatte es daher teilweise deutliche Kapazitätsengpässe gegeben, die zu einem Preisanstieg führten.

Für das vergangene und jetzige Jahr rechnen die Top-100-Autoren von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) mit 2,5 bzw. 2,7 Prozent nominalem Wachstum in Deutschland. Damit fallen die Prognosen um jeweils 0,5 Prozentpunkte höher aus als bei den Logistikweisen. Für die wirtschaftliche Entwicklung der Transport- und Logistikunternehmen sind unter anderem die Perspektiven der Auftraggeber in Industrie und Handel entscheidend.

Und der Blick über Deutschland hinaus? Die internationalen Handelsmengen werden steigen, sind die Experten überzeugt. Daran ändern die Handelskonflikte nichts. Die Streitigkeiten zwischen den USA und China können tendenziell zu einer Zunahme der Ströme zwischen der EU und China führen. Innerhalb von Europa hat der Brexit nur noch geringfügigen Einfluss auf die Gesamtbilanz, „da bereits in 2019 die Güterströme aufgrund der vollen Lager verringert wurden“, stellen die Logistikweisen fest. Darüber hinaus sei vor allem nach Osteuropa eine Zunahme der Güterströme zu erwarten. Prognosen seien aber angesichts der globalen Handelskonflikte und des Brexit derzeit mit hoher Unsicherheit behaftet.

Hamburg will Smart City Loop unter der Erde testen

Alltag überall: Die Straßen in den Innenstädten sind verstopft. Auch der Güterverkehr trägt zur Überlastung bei. Die Firma Smart City Loop prüft, ob Letzterer unter der Erde verlegt werden kann. Sie entwickelt ein Konzept für die vorletzte Meile, das im Rahmen des ITS-Weltkongresses 2021 (Intelligent Transport Systems) in Hamburg vorgestellt werden soll. Dort solle gezeigt werden, wie es in der Praxis funktionieren könnte, erklärt Hans Stapelfeldt, Netzwerkmanager für den ITS-Weltkongress bei der Logistik-Initiative Hamburg.

Smart City Loop will Güter in unterirdischen Fallröhren vom Verteilzentrum am Stadtrand zum Mikrohub für die Verteilung auf der letzten Meile bringen. Das geschlossene Röhrensystem soll einen Durchmesser von 2,8 Meter haben – genug Platz für die Beförderung einer Standardpalette. Die Transporte seien zudem autonom und vollelektrisch. Etwa 3.000 Paletten könnten so täglich in die Stadt gebracht und bis zu 1.500 Straßentransporte überflüssig gemacht werden. Für die Entsorgung funktioniere das Konzept ebenfalls.

Stapelfeldt glaubt, dass die Umsetzung eines solchen Projekts in Südamerika oder Asien deutlich einfacher sein könnte als in Hamburg, insbesondere in Städten, „die keine Elbe haben“. Denn der Fluss ist tief und damit der Knackpunkt. Der Loop muss mindestens vier Meter unter dem tiefsten Punkt der Elbe verlaufen.

Die Stadt Hamburg äußere sich derzeit noch „zurückhaltend interessiert“ und unterstütze das Vorhaben politisch. Gibt die Hansestadt grünes Licht, könnte das Röhrensystem in zwei bis fünf Jahren realisiert werden, sagt der Netzwerkmanager. Denn die technischen Voraussetzungen seien gegeben, das Know- how und die nötige Fördertechnik vorhanden.

Die Idee, Güter unter der Erde zu transportieren, ist nicht neu. Aber die meisten sind im Sande verlaufen. Der wachsende Handelsdruck für Städte, Logistik sauberer zu planen und das steigende Sendungsvolumen abzufedern, ist laut Stapelfeldt der Grund, warum der Plan in diesem Fall zu Ende gedacht und getestet werden wird.

Green Logistics: Transporeon für mehr Effizienz und weniger Leerkilometer

Stand- und Wartezeiten von 90 Minuten beim Be- und Entladen, 25 Prozent Leerfahrten und damit verbundene Co2-Emissionen, lückenhafter Informationsfluss und ein intransparenter Transportmarkt. Die Transportlogistik weist Ineffizienzen auf, die volkswirtschaftlich kostspielig sind und teils auch im Widerspruch zu einer grünen Logistik stehen. Marc-Oliver Simon, Mitbegründer und CEO von Transporeon – mit dem Thema „Grüne Logistik dank Data“ einer der Gewinner des Think-Tank-Votings – präsentierte die innovativen Konzepte der Transporeon-Plattform:

Eine effiziente Transportlogistik und nachhaltiger Transport setzen die bestmögliche Abstimmung zwischen Industrieunternehmen, Handel und Transportdienstleistern voraus. Onlinebasierte Plattformen ermöglichen Echtzeit-Kommunikation und verschaffen allen Akteuren umfassende Transparenz. Transporeon verbindet über 1.200 Industrie- und Handelsunternehmen (Verlader) mit mehr als 90.000 Transportdienstleistern zu einem führenden Netzwerk für Transportlogistik in Europa. Die datenzentrierte Cloud-Plattform bietet digitale automatisierte Prozesse für die Frachtvergabe, Zeitfenster-Management oder die Echtzeit-Verfolgung von Transporten. Allein die einfache, schnelle Angebotseinholung fördert effiziente Dreiecksverkehre und kann Leerfahrten bis zu 13 Prozent verringern.

Die Chancen der Neuen Seidenstraße

Als einen Höhepunkt des Gala-Abends in der Arena Berlin begrüßte BVL-Geschäftsführer Prof. Thomas Wimmer den Botschafter der VR China, S. E. Wu Ken, zu einem Gespräch, zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden von Duisport Erich Staake. Dabei ging es um die Chancen und Perspektiven der Neuen Seidenstraße, also der von China vorangetriebenen Belt-and-Road-Initiative. Vom Duisburger Hafen aus führt der Weg entlang der eisernen Seidenstraße über Polen, Russland und Kasachstan bis in die chinesischen Städte Chongqing und Yiwu. Bis zu 35 Züge wöchentlich rollen heute schon über die 11.000 km lange Strecke. Welches Potenzial steckt in diesem riesigen Infrastrukturprojekt – und wo liegen die Risiken?

Übrigens: Das geplante Projekt umfasst eigentlich zwei Routen. Der nördliche „Silk Road Economic Belt“ verläuft von China über Zentralasien, den Iran, die Türkei und die russische Hauptstadt Moskau bis nach Zentral- und Westeuropa. Die südliche „Maritime Silk Road“ soll Chinas Seehandel mit Südostasien, dem Mittleren Osten, Ostafrika und Europa verbinden.