Im Trend: Sprachsteuerung, KI und Vernetzung

Eingang Messe Süd zur IFA 2019

Eingang Messe Süd zur IFA 2019

von Ursula A. Kolbe

„Wenn Ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung gekommen sind. Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bestehenden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktive Fantasie des technischen Erfinders.“

Kein Geringerer als Albert Einstein war es, der u. a. diese Worte bei der Eröffnung der Funkausstellung im Jahre 1930, also schon vor fast 100 Jahren ausgesprochen hat.

Heute, im Jahre 2019, kann konstatiert werden, dass sich die 95. Internationale Funkausstellung, vor dem sicher bald einsetzenden Weihnachtstrubel, zur inzwischen weltweit größten und bedeutendsten Messe der Consumer Electronics und Home Appliance Branchen entwickelt hat.

Auch für die diesjährige Messe kann konstatiert werden, dass sie mit fast 2.000 Ausstellern, 245.000 Besuchern und einem neuen Allzeithoch bei den internationalen Fachbesuchern erneut Rekorde aufgestellt hat. Mehr als die Hälfte der Experten aus Industrie und Handel kamen aus dem Ausland und unterstreichen so die ausgesprochen hohe Internationalität der Schau. Drei große Technologietrends dominierten die IFA quer durch alle Produktkategorien in den Bereichen Consumer Electronics und Home Appliances: Sprachsteuerung, Künstliche Intelligenz (KI) sowie Vernetzung, insbesondere angesichts des anstehenden raschen Ausbaus von 5G-Mobilfunknetzen mit hoher Geschwindigkeit und Bandbreite.

Und die Stimmung? „Es steht außer Zweifel, dass anhaltende Diskussionen zu globalen Handelskonflikten, politischen Streitigkeiten und auch zum Brexit ihren Einfluss auf das Kaufverhalten der Konsumenten bei Neuanschaffungen haben“, sagte u.a. Hans-Joachim Kamp, Branchenverband gfu Consumer & Home Electronics. Er hoffe wenigstens auf Umsätze wie im Vorjahr.

Im ersten Halbjahr gab es teils heftige Einbrüche und massiven Preisverfall. Vor allem leidet die klassische Unterhaltungselektronik, über viele Jahre ja der wichtigste Markt. Die Erlöse in der TV-, Video- und Audiosparte schrumpfte um sieben Prozent auf noch 3,9 Mrd. Euro; bei Fernsehgeräten sogar noch mehr, und der Durchschnittspreis fiel von 618 auf 564 Euro.

Neue Trends und Innovationen von Ausstellern

Was aber auf keinen Fall außeracht gelassen werden darf, ist die Tatsache, dass Innovationen heutzutage mehr denn je eine Gemeinschaftsarbeit sind. „Nicht nur unzählige Menschen, sondern auch viele unterschiedliche Unternehmen tragen zu neuen Produkten und Technologien bei. Das ist kein Wunder, denn damit kommt eine Vielzahl an Branchen und Sichtweisen ins Spiel, die das Potential für neue Ideen erweitert. Kurz gesagt: Je diverser diese Vielfalt, desto größer der Raum für Inspirationen“, so die Worte von Messe-Chef Dr. Christian Göke.

Was bewegt die Technik? Am Ende einer Messe wie die IFA steht ja immer die Frage, was für den Konsumenten dabei herauskommt. Da habe ich z. B. die Aussage von Harald Friedrich, den Geschäftsführer von Bosch Hausgeräte, im Ohr, der das durchaus sensible Thema der leisen Hausgeräte in den Blick gerückt hatte. Für sein Unternehmen konstatiert er: „Ergebnis sind die leiseste Waschmaschine der Welt, der leiseste Trockner der Welt und die leiseste Spülmaschine der Welt. Sie sind eingebettet in die Bosch Silence Edition.“ –Ein Lichtblick in unserem alltäglichen Leben

Oder die HbbTV Operator App. Da seien sie der erste Hersteller, der diese App in seine Fernsehgeräte integriert, so der Manager Mike Bolatzky, Panasonic Institute. HD+ nutzt diese Technik, die auf dem Industriestandard HbbTV basiert. Der zur Applikation gehörende Guide listet nicht nur künftige Sendungen auf, sondern reicht auch eine Woche in die Vergangenheit. So findet man mit einer universellen Suchfunktion ganz einfach verpasste Sendungen aller Anbieter, über die Grenzen aller Mediatheken-Portale hinweg.

Vielleicht noch ein Beispiel in Kurzfassung: Dass Tomaten nicht in den Kühlschrak gehören, weiß ich inzwischen längst, aber Eier auch nicht? Und dafür gibt es nun Kühlschrankkameras mit Lebensmittelerkennung und der dazu gehörenden App. Kameras sind in etlichen Vorzeige-Kühlschränke eingebaut und lassen sich teilweise nachträglich einbauen. Über Smart-Home-Apps können sich die Nutzer zudem Rezepte für in den Kühlschränken lagernden Lebensmitteln vorschlagen lassen.

Neue Technologien verändern Gesellschaft und unser Leben

Quantenbits und KI filtern Informationsangebote, berechnen unsere Interessen und analysieren persönliche Daten: Mit künstlicher Intelligenz und leistungsfähigen Rechensystemen wird schon heute der Grundstein für die Zukunft der Gesellschaft gezeigt. Auf dem IFA+Summit, der seit 2014 als Think Tank der IFA gilt, diskutierten globale Vordenker Szenarien, wie neue intelligente Technologien die Gesellschaft und unser Leben verändern.

So ist für den Executive Director der Mozilla Foundation, Mark Surman, das Internet die wertvollste öffentliche Ressource. Er will auch in Zukunft dafür sorgen, dass es für alle als Informationsquelle erhalten bleibt. Eine wesentliche Rolle spiele dabei die Künstliche Intelligenz: „KI ist heute überall um uns herum zu finden: Sie filtert unsere Nachrichten, gibt uns Empfehlungen bei der Partnersuche und trifft Entscheidungen über unsere Finanzen und unsere Gesundheit. Wichtig für uns ist, dass KI den Menschen und das Menschsein an die erste Stelle setzt – vor allem dann, wenn sie von großen technischen Verbraucherplattformen genutzt wird.“ Dafür müssen laut Surman vor allem die Konzerne mehr Verantwortung übernehmen.

An der nächsten Generation leistungsfähiger Rechensysteme forscht Jerry M. Chow für IBM. Unter dem Titel „How to Ctri-Alt-Del This Quantum Computer“ sprach Chow über den nächsten großen Schritt von Computersystemen und maschinellem Lernen: Quantum-Technologie und weitere Ausblicke. Überhaupt bot das IFA+Summits inspirierende Vorträge in den vier Patterns Society, Interaction, Intelligence und Experience.

Technologie-Pionierinnen bewegen unsere Zukunft

Führende Expertinnen im Bereich der neuen Technologien tauschten auf dem Podium des IFA+Summit Gedanken darüber aus, wie unsere Zukunft aussehen wird. So sprach Shermin Voshmgir, eine der bekanntesten Frauen in der Hightech-Szene darüber, dass sie es satt habe, über „Frauen in der Technikbranche“ und ihr Fehlen in diesem Metier zu sprechen. Aktuelle Zahlen zeigen aber, dass sie es trotzdem tun müssen. Voshmgir ist die Direktorin des Cryptoeconomics Research Lab an der Universität Wien und Gründerin des BlockchainHubs, gilt als dessen Pionierin und Gesicht dieser neuen Technologie.

Die promovierte Wirtschaftsinformatikerin treibt mit ihrem Think Tank die Diskussion um Chancen und Risiken der Blockchain voran, die unsere Gesellschaft von Grund auf verändern kann. Blockchain habe das Potential, Hierarchien überflüssig zu machen, aber auch zentrale Instanzen wie Banken abzuschaffen. Wichtig besonders für Frauen, weil weniger Hierarchien mehr Gleichberechtigung und Partizipation bedeuteten. Aber: „Wenn wir die Blockchain-Technologie nicht richtig gestalten, könnten wir damit eine universelle Kontrollmaschine erschaffen“, betont die Expertin.

Eine der weltweit führenden Datenschutzexpertinnen ist Ann Cavouklan. Mit „Privacy by Design“ hat sie ein System geschaffen, mit dessen Hilfe Datenschutz von Anfang an in Informationstechnologien, digitale Netzwerke und Unternehmen eingebettet wird. „Privacy by Design“ ist inzwischen internationaler Standard und Teil der europäischen Datenschutzverordnung. „Wenn wir unsere Daten nicht auf globaler Ebene schützen, schützen wir sie nirgendwo.“ Für Cavouklan sind Datenschutz, Freiheit und Menschenrechte eng miteinander verknüpft: „Der Schutz unserer Privatsphäre ist grundlegend für unsere Freiheit.

Übrigens: 2024 darf gefeiert werden: 100 Jahre IFA!