Wenn der Gibbon sich von Ast zu Ast schwingt…

Gibbon im Tierpark Berlin

von Ursula A. Kolbe

Das „Zootier des Jahres 2019“ ist der Gibbon. Der Titel wurde jüngst im Tierpark Berlin von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) vergeben. Die kleinen Menschenaffen begeistern schon beim Anblick durch ihr possierliches Aussehen, ihr akrobatisches Können, sind sie doch Meister im Klettern und werden von Groß und Klein in Zoo oder Tierpark bestaunt, wie sie so elegant von Baum zu Baum, von Ast zu Ast schwingen.

Aber ihr Lebensraum – die tropischen Wälder Südostasiens – ist bedroht. Denn anders als Gorillas und Menschenaffen hätten die Gibbons keine große Lobby, hatte Projektkoordinatorin Viktoria Michel die Entscheidung begründet. Ihr Lebensraum schrumpfe – und alle rund 20 Arten in freier Wildbahn seien gefährdet oder bedroht.
„Dieses Schicksal wollen wir den verbleibenden Gibbonarten unbedingt ersparen“, erklärte Dr. Sven Hammer von der ZGAP. Ziel der Kampagne ist es deshalb, mehr Aufmerksamkeit auf die sogenannten kleinen Menschenaffen zu lenken und die Erhaltungszuchtbemühungen der Zoologischen Gärten sowie die Schutzprojekte in den südostasiatischen Ursprungsländern zu unterstützen.

Auch deshalb hat die Zoologische Gesellschaft diesen Titel ins Leben ins Leben gerufen und will damit gleich mehrere Ziele verfolgen: Zum einen eine Spendenaktion, die Geld für Schutzprojekte in den betreffenden Ländern einsammeln soll. Auch will man in den hiesigen Zoos auf die Bedrohung vieler Tierarten aufmerksam machen, die nicht zur Oberliga von Panda, Tiger & Co gehören, den „Flaggschiff-Tieren“, wie der Berliner Zoochef Andreas Kniereim sie nennt.

Und es ist doch legitim, die Aufmerksamkeit auf die Zoos und Tierpark zu richten, die durch Haltung und eigene Zucht auch in der freien Wildbahn verschwundene Tiere im Sinne einer „Arche Noah“ am Leben erhalten. Damit wehren sie sich auch gegen den von Aktivisten so manches Mal formulierten Vorwurf, dass Zoologische Gärten nur tierquälerische Einrichtungen im Dienst der Schaulust seien. Das Gegenteil, meine ich, ist der Fall. Hier wird Wissen vermittelt, Neugier auf die Tierwelt und ihre Umgebung auch in anderen Kontinenten geweckt.

Nach den Leoparden, dem Kakadu, der Scharnier-Schildkröte nun also der Gibbon, der kleine, putzige Menschenaffe. Sein besonders Merkmal sind die langen Arme. Damit hangeln sie sich von Ast zu Ast, betreten nur selten den Boden. Wenn, dann gehen sie zweibeinig voran und strecken die Arme zum Balancieren hoch in die Luft.
Sein Lebensraum ist durch die zunehmende Zerstörung von rund 50.000 Hektar der Regenwälder zugunsten von Palmölplantagen und anderen einträglichen Nutzungen bedroht.

Die andere Gefahr heißt Wilderei. Trotz gesetzlichem Schutz werden die Gibbons intensiv illegal gejagt. Da sie durch ihr possierliches Aussehen und Geschicklichkeit so beliebt sind, blüht der Haustierhandel, aber sie dienen ebenso also Maskottchen für Touristen-Selfies oder gar als lebende Bardekoration.

Weißwangen-Schopfgibbons und Gelbwangen-Schopfgibbons

All dem entgegen zu wirken, sollen die Kräfte gebündelt werden, erklärte die Projektkoordinatorin: „Dazu haben wir zwei Projekte ausgewählt, die mit den gesammelten Mitteln den Schutz der Gibbons noch effektiver durchführen können.“
Der Schwerpunkt liegt auf zwei besonders bedrohte Arten. So ist in Laos das Schutzgebiet Nakai-Nam Theun mit 3.500 Quadratkilometern Fläche eines der letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete in Südost-Asien.

Es beherbergt zahlreiche endemische und stark bedrohte Arten. Hier leben der Nördliche (Nomascus leucogenys) und der Südliche Weißwangen-Schopfgibbon (Nomascus siki). „Projekt Anoulak“ bietet Hilfe für die seltenen Tiere in Laos. Um die Wilderei zu reduzieren, patrouillieren in sorgsam ausgewählten Bereichen 24 ausgebildete Ranger durch den Wald, unterstützt durch die lokale Regierungsbehörde.

In Zentralvietnam leben noch etwa 800 der bedrohten Nördlichen Gelbwangen-Schopfgibbons (Nomascus annamensis). Hier ist das Ziel, den Lebensraum der Gibbons großflächig unter Schutz zu stellen und so ein Überleben dieser Art dauerhaft zu sichern. Deshalb sollen zwei bestehende Schutzgebiete miteinander verbunden werden und ein weiteres großes und bislang weitgehend unerforschtes Waldgebiet angefügt werden. – Für ein Schutzgebiet von über 120.000 ha Fläche.

Weitere Infos unter: www.zootierdesjahres.de.