Das größte Artensterben seit den Dinosauriern

Koalabären im Baum

Ursula A. Kolbe

Albert Einstein wird die Aussage nachgesagt, dass der Mensch nur noch vier Jahre zu leben habe, wenn die Biene von der Erde verschwindet. – Keine Biene mehr, keine Pflanzen mehr, keine Menschen mehr. Dabei bezog sich der Physiker auf die Bestäubungsleistung der Bienen, die für die Fortpflanzung von Nutz- und Zierpflanzen unabdingbar ist.

In den letzten zehn Jahren starben weltweit immer mehr Bienenvölker – eine große Bedrohung für unsere Flora und Fauna, die Lebensmittelproduktion, für die Weltbevölkerung überhaupt. So hat die University of California Davis beispielsweise berechnet, dass der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung der Bienen den finanziellen Wert der Honigproduktion um das 143fache übersteigt.

Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Als Hauptursache sieht die deutsche Imkerschaft in der Varroa-Milbe, ein aus Afrika eingeschleppter Parasit, sowie andererseits in Spritzmitteln wie z. B. Neonikotinoide und gentechnische Pflanzen, vor allem Mais. Allein für Imkereien in ländlichen Gebieten oder Wanderimker, die mit ihren Völkern zu den Rapsfeldern wandern, sind Spritzmittel der drohende Tod.

Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber der Bundesrat sagt dem Bienensterben den Kampf an. Nach aktuellen Studien sei die Zahl der Bienen u.a. bestäubender Insekten zwischen 1989 und 2015 um 75 Prozent zurückgegangen. Deshalb müsse für ein besseres Nahrungsangebot für Bienen gesorgt werden, heißt es in einer am 24. November 2017 von der Länderkammer gefassten Entschließung. Dafür sollten auf ökologischen Vorrangflächen vermehrt pollen- und nektarliefernde Blühpflanzen ausgesät werden, und zwar auch in der Schonzeit bis 15. Mai jeden Jahres, wie im Anschluss an die Rapsernte.

„Gewinner- und Verlierer“-Bericht des WWF

Aber die Bienen sind nur ein Beispiel. Mit rund 25.800 bedrohten Tier- und Pflanzenarten erreichte die Zahl 2017 einen neuen dramatischen Höchststand, heißt es im Bericht der Umweltorganisation WWF. „Wir Menschen verursachen das größte Artensterben seit Ende der Dinosaurier“, resümierte Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland, die Entwicklung.

Allein um die Entwicklung von Waldelefanten, Seepferdchen und Koalas ist es zunehmend schlecht gestellt. Zu den Verlierern zähle z. B. der australische Koala. In einigen Regionen des Landes seien die Koala-Bestände seit den 90er Jahren einer WWF-Analyse zufolge um 80 Prozent zurückgegangen. Bedroht würden die Tiere durch Waldrodung, Straßen- und Siedlungsbau sowie den Klimawandel und die daraus resultierende Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume.

„Wilderei, Lebensraumverlust, Klimawandel und die dauerhafte Übernutzung natürlicher Ressourcen vernichten biologische Vielfalt“, kritisierte Vorstand Brandes. Besonders dramatisch sei die Situation für zentralafrikanische Waldelefanten, deren Bestände wegen illegalen Elfenbeinhandels massiv zurückgegangen seien.

In den vergangenen zehn Jahren sei auch die Gesamtzahl afrikanischer Dickhäuter um mehr als 100.000 Tiere geschrumpft. Illegaler Handel bedrohe ebenfalls das im europäischen Raum kaum bekannte Schuppentier, auch Pangolin genannt. Diese sind laut Analyse des WWF die meistgeschmuggelten Säugetiere der Welt, obwohl der Handel mit den Tieren und ihren Schuppen seit einem Jahr verboten ist.

Auch in Deutschland gingen die Bestände einiger Arten merklich zurück. „Das massenhafte Sterben findet auch vor unserer Haustür statt – Biene Maja und Co. verschwinden heimlich still und leise von unseren Wiesen und Feldern“, sagte Brandes. In den vergangenen 27 Jahren nahm die Gesamtmasse fliegender Insekten in Deutschland demnach um mehr als 75 Prozent ab. Können Sie sich eigentlich noch an das Bild von Grillenzirpen, Glühwürmchen und Sommer erinnern, in denen man vor lauter toter Insekten kaum noch durch die Windschutzscheibe des Autos gucken konnte?

Neben Schatten-, auch Lichtseiten

Zu den Lichtblicken, den „Gewinnern“ zählen 2017 Meeresschildkröten, Irawadi-Delfine, Persische Leoparden sowie Blaukehlaras, deren Bestände sich allmählich erholen. Grund dafür seien erfolgreiche Umweltschutzmaßnahmen. In Kambodscha wurden z. B. neun Kälber des Irawadi-Delfins beobachtet.

Insgesamt gibt es von diesen Säugetieren im Mekong nur noch 80 Exemplare. Weiter gebe es Erfolge beim Schutz des Persischen Leoparden im Kaukasus. „In unseren Projektregionen beobachten wir wieder Jungtiere“, der jahrelange Kampf gegen Wilderer und für eine bessere Vernetzung der Lebensräume der Tiere zahle sich aus. Gute Nachrichten gebe es ebenso für den Fischotter, der in Deutschland lange als bedroht galt. Früher wurde er hierzulande als vermeintlicher Schädling und Pelzlieferant gejagt.

Dank Renaturierungsmaßnahmen und Nutzungsbeschränkungen für viele Gewässer erlebe der deutsche Otter nun ein Comeback.