Lebensmittel retten, die Bedürftigen helfen

In einer Ausgabestelle von LAIB und SEELE

In einer Ausgabestelle von LAIB und SEELE

von Ursula A. Kolbe

15 Jahre LAIB und SEELE – ein Segen für Berlin. Würdigende Worte des Bischofs Christian Stäblein anlässlich dieses Jubiläums, das zu Jahrebeginn mit einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom und anschließend einem Festakt im Roten Rathaus gefeiert worden ist.

Seit nunmehr 15 Jahren versorgt die „Berliner Tafel“ in ihren Ausgabestellen bedürftige Menschen mit gesammelten Lebensmitteln. Gestartet war die Aktion „LAIB und SEELE“ im Dezember 2004 mit drei Ausgabestellen; unterstützt von der evangelischen und katholischen Kirche sowie dem Sender rbb. Heute engagieren sich 1.600 Ehrenamtliche in 45 Ausgabestellen. Rund 50.000 hilfebedürftige Menschen werden jede Woche in den Räumen, die die Berliner Kirchengemeinden kostenfrei zur Verfügung stellen, mit Nahrungsmitteln versorgt, die vor dem Wegwerfen gerettet wurden.

Für diesen unermüdlichen Einsatz hatten im Berliner Dom der katholische Erzbischof Heiner Koch und der evangelische Bischof Christian Stäblein den Helfern und Helferinnen gedankt. Dabei gehe es um mehr als Lebensmittel. Menschen würden erfahren, dass ihr Schicksal den Mitmenschen nicht egal ist, dass sie sich gesehen und angenommen fühlen dürfen.

Im Anschluss sind die ehrenamtlich Engagierten beim Festakt im Roten Rathaus geehrt worden, auf dem Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin und Senator für Kultur und Europa, u. a. sowohl die Armut als auch die Verschwendung der Ressourcen als einen Skandal bezeichnet hat. Sozialsenatorin Elke Breitenbach forderte auch mehr Unterstützung und Wärme für benachteiligte Menschen.

Die Verteilung dieser Lebensmittelist eine Säule der Arbeit der Berliner Tafel. Nach der Gründung wurden zunächst zehn Jahre lang nur soziale Einrichtungen direkt mit Lebensmitteln versorgt – gegenwärtig sind es monatlich rund 300 Organisationen, die von den ehrenamtlichen Fahrern der Tafel angesteuert werden. Mit den jeden Monat verteilten 660 Tonnen Lebensmitteln werden 125.000 Berliner erreicht. Lederer und Breitenbach würdigten diese Leistungen als „Baustein einer sozialen Stadt“ und wichtige Stimme gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung.

Die Tafeln in Deutschland und ihre Mitmenschlichkeit

Die erste deutsche Tafel ist 1993 in Berlin von Sabine Werth und ihre Initiativgruppe Berliner Frauen e. V. gegründet und organisiert worden, nach deren Vorbild weitere Tafeln zunächst in den großen Städten entstanden sind. Inzwischen gibt es im ganzen Land 947 Tafeln (Stand 2019) mit mehr als 2.000 Tafel-Läden und Ausgabestellen. Dafür engagieren sich mehr als 60.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, und es sind über 2.300 Fahrzeuge im Einsatz.

Die Tafel Deutschland e. V., Dachverband der Tafeln, ist 1995 gegründet worden. Von den mehr als 1,6 Millionen unterstützten Bedürftigen sind 30 Prozent Kinder und Jugendliche, 26 Prozent Senioren und 44 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter.

Gesammelt werden Produkte, die der Handel oder Hersteller als unverkäuflich aussortierten und die nach eigenen Angaben „kurz vor dem Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums“ stehen. In der Praxis erfolgt allerdings auch die Ausgabe abgelaufener Lebensmittel, wobei die Tafeln in dieser Frage von den jeweiligen Vorgaben der örtlichen Veterinärämter abhängig sind. Des Weiteren sind es Lebensmittel, die aus Überproduktionen stammen oder deren Verpackung beschädigt ist. Die Menge der gelieferten Waren an die Tafeln (etwa 100.000 Tonnen im Jahr) macht hierbei im Vergleich zur Menge der insgesamt im Müll entsorgten Lebensmittel immer noch einen relativ geringen Teil aus.

Die Abgabe erfolgt kostenlos oder gegen einen symbolischen Betrag. Als Empfänger der Spenden gelten Bezieher von Arbeitslosengeld II oder von Sozialhilfe, die sich mitunter ausweisen müssen.

Weitere vielfältige Angebote

Darüber hinaus sind die Tafeln mit speziellen Angeboten tätig: So unterstützen 26 der Tafeln mobil Eingeschränkte mit Bringdiensten, schaffen mit Senioren-Treffs und Ausflügen Orte der Begegnung. 40 Prozent der Tafeln bieten speziell auf Kinder zugeschnittene Angebote wie Kita-/Schulfrühstück, Hausaufgabenbetreuung, Kochkurse, Ferienfreizeiten an. 96 Prozent der Tafeln unterstützen geflüchtete Menschen mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs sowie Beratungs- und Integrationsangeboten, z. B. Deutschunterricht.

Die Finanzierung der Tafel-Arbeit läuft ausschließlich über Mitglieder, Sponsoren und Spender. Als privat organisierte Initiativen erhalten die Tafel keine Mittel von Bund oder Länder, mitunter jedoch von Kommunen. Indirekt profitieren sie von Zahlungen der EU an Lebensmittelbanken.

Unbestritten ist: Mit ihrer schnellen und unbürokratischen Hilfe lindern die Tafeln die Folgen von Armut in einer reichen Gesellschaft. Sie stehen für Solidarität, Mitmenschlichkeit und sind eine der größten sozialen Bewegungen unserer Zeit. Aber mit Sorge beobachten die Tafeln auch den weiterhin hohen Anteil bedürftiger Kinder und Jugendlicher.

Übrigens: Die Idee der Tafeln stammt aus Amerika: 1963 hatte John van Hegel in Phoenix/Arizona die erste Food Bank gegründet – ein großes Lagerhaus vor allem für längerfristig lagerfähige Lebensmittelspenden. 1983 nahm in New York die Organisation City Harvest ihre Arbeit auf.