Stolpersteine Kreuznacher Str. 48

Kreuznacher Straße 48, 2.5.2012, Foto: KHMM

Kreuznacher Straße 48, 2.5.2012, Foto: KHMM

Diese Stolpersteine für Ignaz Sebastian und Erna Jezower wurden am 25.10.2011 verlegt und von Ashok Roy (London) und Robin Roy, Milton Keynes (GB), gespendet.
Bereits am 15.7.1989 wurde neben der Eingangstür eine Gedenktafel für Alfred Kantorowicz enthüllt.

Stolperstein für Ignaz Sebastian Jezower, 2.5.2012, Foto: KHMM

Stolperstein für Ignaz Sebastian Jezower, 2.5.2012, Foto: KHMM

HIER WOHNTE
IGNAZ SEBASTIAN
JEZOWER
JG.1878
DEPORTIERT 13.1. 1942
ERMORDET IN
RIGA

Stolperstein für Erna Jezower, 2.5.2012, Foto: KHMM

Stolperstein für Erna Jezower, 2.5.2012, Foto: KHMM

HIER WOHNTE
ERNA JEZOWER
GEB. MÜNCHENBERG
JG. 1888
DEPORTIERT 13.1.1942
ERMORDET IN
RIGA

Das Ehepaar Erna Jezower, geb. Münchenberg, geboren am 20. August.1888 in Berlin, und Ignaz Sebastian Jezower, geboren am 17. Juni 1878 in Rzeszów, Polen, lebte in den Stadtteilen –Lichterfelde und Schöneberg und zuletzt, von 1931 bis 1939, mit ihrer Tochter Veronika in der Künstlerkolonie Wilmersdorf. Dort lebten auch Alfred Kantorowicz, Ernst Busch, Erich Weinert, Peter Huchel, Ernst Bloch und viele andere Prominente auf einer „Roten Insel“, die von den Nazis verhasst war.

Erna Jezower hatte eine Ausbildung als Kindergärtnerin im Pestalozzi-Fröbel-Haus gemacht und betrieb zeitweise zu Hause einen kleinen privaten Kindergarten. Ignaz Jezower hatte Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte in Wien studiert und war Kulturhistoriker und -wissenschaftler, Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Bis 1921 war er literarischer Leiter des Verlages Bong, längere Zeit auch Lektor für den Rowohlt-Verlag. Er gab mehrere wichtige Bücher heraus und schrieb Aufsätze, Buchbesprechungen und Theaterkritiken für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, zum Beispiel den Neuen Merkur.

Als Kulturhistoriker hat Ignaz Jezower sich um die Aufarbeitung und Verbreitung der europäischen Kunst und Literatur verdient gemacht; seine Bücher sind Sammlungen zu verschiedenen Themen aus mehreren Jahrhunderten aus ganz Europa, aber auch darüber hinaus. Zu seinen Veröffentlichungen gehören:

Die Befreiung der Menschheit: Freiheitsideen in Vergangenheit und Gegenwart (1921), ein Band, der Aufsätze von zahlreichen Schriftstellern, unter ihnen Eduard Bernstein, Alfred Döblin, Paul Adler und Adolf Behne enthält, mit vielen Bildern und Illustrationen. Nachzulesen online bei der Bibliothek der University of British Columbia. Die Rutschbahn. Das Buch vom Abenteurer (1922), iIllustriert von George Grosz. Giacomo Casanova: Erinnerungen (10 Bände, 1924-25), übersetzt und herausgegeben zusammen mit Franz Hessel.

Das Buch der Träume (1928), dieses monumentale Werk von über 700 Seiten ist eine umfassende Traumanthologie mit Interpretationen in zwei Teilen: zuerst die Träume selbst, dann „Feststellungen zu den Träumen“, Biografien und Interpretationen. Dieses Buch half bei der Popularisierung der modernen Traumdeutung, die sich genau zu der Zeit und im Umfeld von Ignaz Jezower entwickelte. Darüber hinaus leistete Das Buch der Träume einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte, indem es den Traum auch als kulturelles und ästhetisches Phänomen präsentierte. Es enthält auch eine ausführliche Aufarbeitung der Traumliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Sigmund Freuds Arbeit eingeschlossen. Schmidt-Hannisa (2009) bescheinigt Jezower eine herausragende Funktion bei der Etablierung des Traums als literarisches Genre Mediathek . Nach Jezowers Buch der Träume erschienen viele ähnliche Veröffentlichungen. Das Buch wurde 1985 wieder aufgelegt und ist vergriffen.

Briefe an die Jugend aus vier Jahrhunderten (1932), hiermit verfolgte Ignaz Jezower auch pädagogische Ziele. Sicher hat die Pädagogin Erna großen Einfluss gehabt, sowohl auf die Entscheidung für das Thema als auch auf den Inhalt. Es ist nicht verwunderlich für die damalige Zeit, dass Ernas Beitrag zu Ignaz’ kulturwissenschaftlicher Arbeit in den Veröffentlichungen ignoriert wird. Seine Arbeit war ohne umfangreiches Quellenstudium nicht möglich, und hierbei leistete seine Frau – wie sich die Tochter Veronika erinnert – unschätzbare Unterstützung, die jedoch in den Veröffentlichungen nicht erwähnt wird. Sie half Ignaz auch bei der Formulierung seiner Texte und tippte alle Manuskripte ab.

Ignaz und Erna Jezower wurden am 13. Januar 1942 aus einem Sammellager in der im Stadtbezirk Tiergarten gelegenen Synagoge an der Levetzowstraße 7-8 mit mehreren hundert jüdischen Berlinerinnen und Berlinern durch die Stadt zum Bahnhof Grunewald getrieben, wo sie auf dem berüchtigten Gleis 17 einen aus Personenwagen 3. Klasse bestehenden Zug besteigen mussten. Sie waren 71 und 61 Jahre alt. 1034 Menschen, unter ihnen viele gebrechliche Alte und viele Kinder, saßen in diesem von den Nazis als „8. Osttransport“ bezeichneten Deportationszug, der nach Riga fuhr und dort bei bitterer Kälte am 16. Januar ankam. Sogar das Durchschnittsalter der Insassen ist registriert: 59 Jahre. Nur 15 von ihnen überlebten das Grauen der Nazizeit. Es ist sicher anzunehmen, dass Erna und Ignaz Sebastian Jezower, zwei Persönlichkeiten des Berliner Geisteslebens, wie die meisten gleich nach ihrer Ankunft in Riga erschossen worden sind.