Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz

Anwendungsbereich

  • 1. Für welche öffentlichen Auftraggeber des Landes Berlins gilt das BerlAVG?

    Am 1. Mai 2020 ist das in wesentlichen Punkten neu gefasste BerlAVG mit der Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl. S. 276 vom 30. April 2020) in Kraft getreten. Das Gesetz findet Anwendung auf alle Vergabeverfahren, die nach dem 1. Mai 2020 begonnen wurden.

    Der persönliche Anwendungsbereich des BerlAVG ergibt sich aus § 2 BerlAVG. Das BerlAVG enthält in Abschnitt 2 sog. Vergabebestimmungen und in Abschnitt 3 Ausführungsbedingungen. Verkürzt lässt sich sagen, dass der Abschnitt 2 nur von der unmittelbaren Verwaltung anzuwenden ist, also etwa den Senats- und Bezirksverwaltungen, die übrigen Abschnitte sind von allen öffentlichen Auftraggebern des Landes (u.a. Betriebe, Stiftungen, Körperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts, privatrechtliche Unternehmen, an denen das Land Berlin überwiegend beteiligt ist) anzuwenden, sofern und in dem Maße, wie sie dem Vergaberecht unterliegen. Eine freiwillige Anwendung des Abschnitts 2 auch ohne eine entsprechende Verpflichtung ist allen öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich möglich und wird vom Gesetzgeber befürwortet. Das Gesetz ist nicht von öffentlichen Auftraggebern des Bundes mit Sitz in Berlin anzuwenden.

  • 2. Abschnitt 2 des BerlAVG (Vergabebestimmungen) ist nur auf die unmittelbare Verwaltung anwendbar, nicht auf die mittelbare. Woraus ergibt sich dies rechtlich ? In der Gesetzesbegründung heißt es, dass dies aufgrund höherrangigen Rechts so sei. Was ist damit gemeint?

    In der Gesetzesbegründung zu § 2 BerlAVG (S. 28-29) wird hierzu ausgeführt:
    Gemäß § 129 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) “dürfen Ausführungsbedingungen, die der öffentliche Auftraggeber dem beauftragten Unternehmen verbindlich vorzugeben hat, nur aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes festgelegt werden. Laut Gesetzesbegründung zu § 129 GWB steht es dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei, durch die Definition der zu beschaffenden Leistung, die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie durch die Vorgabe von Ausführungsbedingungen „sein“ Vergabeverfahren frei zu gestalten. Dabei liegt es im Gestaltungsspielraum des Auftraggebers, ob und welche Ausführungsbedingungen im konkreten Vergabeverfahren bzw. bei der späteren Vertragsausführung vom Auftragnehmer beachtet werden müssen. Es kann jedoch aus übergeordneten politischen Erwägungen heraus das Bedürfnis entstehen, den öffentlichen Auftraggeber zu verpflichten, bestimmte Bedingungen dem Auftragnehmer obligatorisch für die Ausführung des Auftrags vorzugeben. Dies können insbesondere soziale, beschäftigungspolitische und umweltbezogene Aspekte sein.
    Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das Land Berlin – im Rahmen der Selbstbindung – umfassende Regelungen zur öko-sozialen und mittelstandsfreundlichen Vergabe für die unmittelbare Landesverwaltung erlassen kann, in Bezug auf die mittelbare Verwaltung jedoch beschränkt ist auf die Maßnahmen, die durch Ausführungsbedingungen vereinbart werden.
    Bei den Anstalten, Körperschaften und Stiftungen d.ö.R. sowie den Gesellschaften, an denen das Land Berlin überwiegend beteiligt ist, handelt es sich vergaberechtlich um selbständige öffentliche Auftraggeber i.S.d. §§ 99 Nr. 2 bis 4, bzw. 100 GWB. Die Anwendungspflicht des BerlAVG ist damit gemäß §§ 127, 128 Absatz 2 und 129 GWB auf die Pflicht zur Vereinbarung von Ausführungsbedingungen beschränkt. Die Anwendung der Maßnahmen, die keine Ausführungsbedingungen darstellen (z.B. Ermessenseinschränkungen, Organisationsverfügungen oder Beschaffungsgebote und –verbote), können gemäß §§ 127, 128 Absatz 2 und 129 GWB ausschließlich auf freiwilliger Basis der jeweiligen öffentlichen Auftraggeber ergriffen werden. Die jeweiligen Auftraggeber haben ein Ermessen, in das das Land Berlin aufgrund höherrangigen Rechts nicht eingreifen darf.
    Das Land Berlin ist – einschließlich aller Senats- und Bezirksverwaltungen, ihrer nichtrechtsfähigen Behörden sowie nichtrechtsfähiger Sondervermögen – ein einheitlicher öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 1 GWB. … Eine Verpflichtung zur Anwendung öko-sozialer Aspekte ist somit im Rahmen der Selbstbindung hinsichtlich sämtlicher Regelungsinhalte (Definition der zu beschaffenden Leistung, Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie Vorgabe von Ausführungsbedingungen) zulässig. Der Landesgesetzgeber kann somit umfassende Regelungen treffen.”
    Daher wird im BerlAVG zwischen den “Vergabebestimmungen” (Abschnitt 2), die nur ausschließlich für die Vergabestellen des öffentlichen Auftraggebers “Land Berlin” gelten, sowie den Ausführungsbedingungen” (Abschnitt 3), die für alle öffentlichen Auftraggeber Berlins gelten, unterschieden und mit § 2 BerlAVG die Anwendungspflicht der Abschnitte 2 und 3 im Hinblick auf die jeweiligen Einrichtungen festgelegt.

  • 3. Gilt das BerlAVG auch für Zuwendungsempfänger?

    Das BerlAVG gilt nur für öffentlichen Auftraggeber, unabhängig davon, ob diese auch Zuwendungen erhalten. Die Definition „öffentlicher Auftraggeber“ ergibt sich aus § 99 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungsempfänger (ANBest-I und ANBest-P) sehen zwar vor, dass ein Zuwendungsempfänger ab einer bestimmten Zuwendungshöhe verschiedene vergaberechtliche Bestimmungen beachten muss, wenn er selber einen Auftrag vergibt. Zu den zu beachtenden Bestimmungen gehört das BerlAVG jedoch nicht.

  • 4. Findet das BerlAVG auf alle öffentlichen Aufträge Anwendung?

    Das BerlAVG findet nur Anwendung auf die Vergabe von Leistungen, deren geschätzten Auftragswerte die Wertgrenzen des § 3 erreichen. Es findet Anwendung auf die Vergabe von – Bauleistungen ab einem geschätzten Auftragswert von 50.000 Euro (ohne Umsatzsteuer)
    - Liefer- und Dienstleistungen ab einem geschätzten Auftragswert von 10.000 Euro (ohne Umsatzsteuer).
    Für einzelne Maßnahmen (-> Welche Besonderheiten gibt es bei Maßnahmen zur Frauenförderung?) gibt es abweichende Vorgaben. Damit orientieren sich anders als bisher die Wertgrenzen an der Art der vergebenen Leistung (Bau-, Liefer-, Dienstleistung) und nicht an den Maßnahmen des Gesetzes (z.B. im BerlAVG a.F. die Pflicht zur Mindestentgeltvereinbarung bei Auftragswerten von mindestens 500 Euro). Sie entsprechen den Wertgrenzen in den Ausführungsvorschriften zu § 55 LHO (AV § 55 LHO) für die Verhandlungsvergabe gemäß der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bzw. die Freihändige Vergabe gemäß Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – (VOB/A) für sonstige Bauleistungen.

  • 5. Weshalb ist eine Evaluierung der Wertgrenze für Liefer-und Dienstleistungen gemäß §18 Abs.1 vorgesehen?

    § 18 Abs. 1 (BerlAVG) regelt, dass die Wertgrenze zur Anwendung der Maßgaben über das Vergabemindestentgelt bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen herabzusetzen ist, wenn das Volumen der Aufträge über diese Leistungen, die die Wertgrenze des § 3 Abs.1 BerlAVG nicht erreichen, am Gesamtauftragsvolumen der Lieferungen und Dienstleistungen mehr als fünf vom Hundert beträgt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Regelungen zum Vergabemindestentgelt beim ganz überwiegenden Teil der Vergabeverfahren berücksichtigt werden.

    Die Evaluierung wurde gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 BerlAVG erstmals zum 1. März 2022 durchgeführt.
    Es haben alle Senats- und Bezirksverwaltungen, zum Teil auch für nachgeordnete oder unter Aufsicht stehende Einrichtungen, 31 nachgeordnete Einrichtungen des Landes Berlin sowie 53 Anstalten, Körperschaften und Stiftungen d.ö.R und juristische Personen des Privatrechts, die überwiegend im Eigentum des Landes Berlin stehen, statistische Daten übermittelt.
    Im Ergebnis macht das Volumen der vergebenen Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb von 10.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) am Gesamtauftragsvolumen 3,39 vom Hundert aus. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 BerlAVG bleibt damit die Wertgrenze zur Anwendung der Maßgaben über das Vergabemindestentgelt bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen i.H.v. 10.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) bestehen.
    Die nächste Evaluierung erfolgt gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 BerlAVG zum 1. März 2027.

  • 6. Findet das BerlAVG Anwendung auf die Vergabe von Konzessionen oder sonstige Verträge oder Genehmigungen?

    Auf die Vergabe von Konzessionen findet das BerlAVG keine Anwendung. Es gilt auch nicht, wenn der öffentliche Auftraggeber selbst etwas verkauft, verpachtet oder vermietet, nicht bei öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, nicht bei der Vergabe von Zuwendungen und grundsätzlich nicht bei städtebaulichen Verträgen.

Die ökologischen und sozialen Vorgaben des BerlAVG

  • 7. Welche öko-soziale Vorgaben sieht das novellierte BerlAVG vor?

    Das BerlAVG enthält insbesondere die folgenden öko-sozialen Vorgaben:
    - umweltverträgliche Beschaffung, § 7 und § 12 BerlAVG
    - Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen bei bestimmten Produkten, § 8 BerlAVG
    - Mindeststundenentgelt; Tariftreue, § 9 BerlAVG
    - Frauenförderung,§ 13 BerlAVG
    - Verhinderung von Benachteiligungen, § 14 BerlAVG

  • 8. Gelten diese öko-sozialen Vorgaben für jede Vergabe?

    Abgesehen davon, dass das BerlAVG nur für Vergaben gilt, die gesetzlich festgelegte Auftragswerte überschreiten, müssen die Vorgaben vertraglich vereinbart werden. Das geschieht über Besondere Vertragsbedingungen, die den Auftragnehmern mit der Auftragsbekanntmachung vorliegen, § 16 Abs. 1 S. 1 BerlAVG.
    Teilweise ergeben sie sich auch bereits aus der Leistungsbeschreibung; dies ist insbesondere bei Umweltanforderungen der Fall.

  • 9. Wird die Einhaltung der öko-sozialen Vorgaben des BerlAVG kontrolliert?

    Ja, das ist der Fall. Die öffentlichen Auftraggeber kontrollieren stichprobenartig die Einhaltung der öko-sozialen Vorgaben. Die zentrale Kontrollgruppe gemäß BerlAVG unterstützt sie hierbei.

Speziell: Mindestentgelte …

  • 10. Landesmindestlohn und Vergabemindestentgelt, welche Unterschiede bestehen aktuell ? Stand August 2022

    Das Landesmindestlohngesetz (LMiLoG) gilt ausschließlich für die Beschäftigten des Landes Berlin sowie die Beschäftigten seiner Anstalten, Körperschaften und Stiftungen und Landesunternehmen; darüber hinaus werden auch die Zuwendungsempfänger zur Zahlung eines Mindestlohns verpflichtet. Es handelt sich beim LMiLoG nicht um eine arbeitsrechtliche Bestimmung, auf dessen Grundlage Unternehmen mit Sitz in Berlin einen Mindestlohn zu zahlen haben. Die Bundesländer dürfen keine arbeitsrechtlichen Gesetze erlassen, wenn bereits vergleichbare Bundesgesetze bestehen. Es gilt daher für die Beschäftigten der Unternehmen das Mindestlohngesetz des Bundes (MiLoG).

    Das Vergabemindestentgelt gemäß dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) kann nur auf der Grundlage eines öffentlichen Auftrags zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vertraglich vereinbart werden und ist zudem beschränkt auf die Beschäftigten, die die Leistung gegenüber dem (Landes-)Auftraggeber erbringen. Diese Beschränkung ergibt sich aus dem Vergaberecht der EU und des Bundes.

    Zwar ist in der Regierungsrichtlinie verankert, dass der Landesmindestlohn und das Vergabemindestentgelt gleichzeitig angehoben werden sollen. Das Vergabemindestentgelt kann jedoch aktuell nicht angehoben werden, da die rechtlichen Voraussetzungen dafür (noch) nicht vorliegen. Gemäß § 9 Absatz 2 BerlAVG kann der Senat durch Rechtsverordnung die Höhe des Vergabemindestentgelts neu festzusetzen, sofern dies wegen veränderter wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse erforderlich ist. Das Gesetz enthält jedoch eine Berechnungsrundlage: Der Betrag wird durch Zugrundelegung der prozentualen Veränderungsrate im Index der tariflichen Monatsverdienste des Statistischen Bundesamtes für die Gesamtwirtschaft in Deutschland (ohne Sonderzahlungen) ermittelt, bei der der Durchschnitt der veröffentlichten Daten für die letzten vier Quartale zugrunde zu legen ist. Danach liegt der ermittelte Betrag seit Inkrafttreten des 1. Änderungsgesetzes am 18.12.22 bei brutto13,00 Euro.

  • 11. Zur Zahlung welcher Mindeststundenentgelte müssen sich die Auftragnehmer nach dem BerlAVG verpflichten?

    Wie bisher werden öffentliche Aufträge nur an Auftragnehmer vergeben, wenn diese sich verpflichten, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wenigstens das gesetzliche Mindestentgelt nach dem Mindestlohngesetz oder einem für sie geltenden für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag zu zahlen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BerlAVG). Es handelt sich hier um die „Tariftreue“ zu für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen und den gesetzlichen Mindestlohnregelungen.
    Darüber hinaus müssen sich die Auftragnehmer zur Zahlung eines vergabespezifischen Mindeststundenentgelts verpflichten. Dieses wurde angesichts der Lebenshaltungskosten der Großstadt Berlin auf 13,00 Euro brutto je Zeitstunde festgelegt. Diese Verpflichtung wird über die „Besonderen Vertragsbedingungen zum Mindeststundenentgelt“ Vertragsbestandteil; eine zusätzliche Eigenerklärung bei Angebotsabgabe wird nicht mehr gefordert.

    Treffen einen Auftragnehmer mehrere Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Mindestentgelte – nach AV Tariftreue, nach Mindestlohngesetz, einem allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder dem Vergabemindestentgelt – so ist die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils günstigste Regelung maßgeblich, § 9 Abs. 1 S. 2 BerlAVG.

  • 12. Fragen zur AV Tariftreue, die Ihnen die Anwendung der Regelungen erleichtern sollen.

    Für Vergabeverfahren, die vor Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen am 1.12.22 begonnen wurden, gilt die AV Tariftreue nicht. Diese Vergabeverfahren werden nach dem bisherigen Recht fortgesetzt und abgeschlossen.
    Erfasst werden alle Vergabeverfahren, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens beginnen. Als Beginn eines Vergabeverfahrens gilt der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird, insbesondere der Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

    • Die AV Tariftreue gilt nicht
      a) für Lieferaufträge i.S. des § 103 Absatz 2 GWB (Verträge zur Beschaffung
      von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing,
      Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen)
      und
      b) für Dienstleistungsaufträge i.S. des § 103 Absatz 4 GWB, für die ein
      Leistungszeitraum von bis zu sieben Kalendertagen vereinbart wird.
      Begründung:
      Ausnahmen dienen der Praktikabilität, Entbürokratisierung, der Verfahrensvereinfachung und der Bündelung vorhandener Personalkapazitäten.
      Die Ausnahme in Buchstabe a) führt zu einer Herausnahme von Aufträgen, die ausschließlich die Beschaffung von Waren (insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption) einschließlich möglicher Nebenleistungen zum Gegenstand haben.
      Soweit Dienstleistungsaufträge nicht unter die Ausnahme in Buchstabe b) fallen, weil der vereinbarte Leistungszeitraum mehr als sieben Kalendertage beträgt, gilt die Tariftreuepflicht vom ersten Tag der Leistungserbringung an.
    • Bei öffentlichen Aufträgen, die verschiedene Leistungen wie Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, findet die Verpflichtung des § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BerlAVG entsprechend auf Lieferleistungen sowie auf Dienstleistungen mit einem vereinbarten Leistungszeitraum von bis zu sieben Kalendertagen keine Anwendung.
    • Öffentliche Aufträge über die Zubereitung, Anlieferung und gegebenenfalls Ausgabe von Schulmittagessen (Schulcatering) unterliegen mit all ihren Leistungsbestandteilen uneingeschränkt der Tariftreueverpflichtung, auch wenn diese als Lieferleistungen einzuordnen sein sollten.

    Alle FAQ zur AV Tariftreue: https://www.berlin.de/sen/arbeit/beschaeftigung/tarifregister/oeffentliche-auftragsvergabe/fragen-und-antworten/

  • 13. Was gilt, wenn der Auftragnehmer für die Entlohnung seiner Beschäftigten mehrere unterschiedlich hohe Mindestentgeltverpflichtungen beachten muss?

    Es gilt das sog. Günstigkeitsprinzip, d.h. es ist die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils günstigste Regelung maßgeblich, § 9 Abs.1 S.2 BerlAVG.

  • 14. Gelten die Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Mindeststundenentgelte auch, soweit die Leistungen von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Verleihern von Arbeitskräften im Ausland erbracht werden?

    Nein, das ist nicht der Fall, § 9 Abs.1 S.3 BerlAVG. Es gilt nur für in- und ausländische Beschäftigte, die die Leistung in Deutschland, nicht notwendigerweise in Berlin, erbringen.

  • 15. Muss das vergaberechtliche Mindeststundenentgelt allen Beschäftigten gezahlt werden? Gilt es auch für Auszubildende, Praktikanten, Ehrenamtliche und Freiwilligendienstleistende?

    Der Auftragnehmer muss das vergaberechtliche Mindestentgelt zunächst nur den Beschäftigten zahlen, die den Auftrag ausführen; die Pflicht besteht nur für die Dauer der Ausführung des Auftrags. Das BerlAVG nimmt in § 9 Abs.1 Nr. 3 ausdrücklich nur Auszubildende von der Pflicht aus. Aufgrund höherrangigen Rechts sind weitere, insbesondere folgende Personenkreise von dieser Pflicht ausgenommen:
    • Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten nach § 221 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23.Dezember 2016 (BGBl.I S.3234), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 8.Juli 2019 (BGBl.I S.1025),
    • Auszubildende nach § 17 des Berufsbildungsgesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581),
    • Personen, die Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Mai 2019 (BGBl.I S.644), erhalten,
    • Personen, die Taschengeld nach § 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes vom 16. Mai 2008 (BGBl. I S. 842), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Mai 2019 (BGBl. S.64), erhalten und
    • Gefangene, die ein Entgelt gemäß Verordnung über die Vergütungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe nach dem Strafvollzugsgesetz (Strafvollzugsvergütungsordnung – StVollzVergO) vom 11. Januar 1977 (BGBl.I S.57), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13.Dezember 2007 (BGBl. I S.2894), erhalten.

  • 16. Ich führe als Beschäftigter einer Firma seit längerem Aufträge für das Land Berlin ausführt. Muss mein Arbeitgeber mir jetzt automatisch 13.00 Euro (brutto) die Stunde zahlen?

    Nein, das ist nicht der Fall.
    Das BerlAVG gibt keine gesetzlichen Mindestlöhne vor, die automatisch für die Beschäftigten gelten, die einen Auftrag des Landes Berlin ausführen. Vielmehr gibt das Gesetz den öffentlichen Auftraggebern des Landes bestimmte Vertragsinhalte vor. Die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Vergabemindestentgelts erfolgt daher auf Grundlage von Besonderen Vertragsbedingungen, die Bestandteil der Vergabeunterlagen der einzelnen Vergabeverfahren werden. Altverträge vor Inkrafttreten des novellierten BerlAVG zum 1. Mai 2020 haben – bezogen auf den Mindestlohn – einen anderen Vertragsinhalt, an den die Vertragsparteien gebunden sind. Eine Anpassung gilt nur, wenn im Einzelfall eine entsprechende Preisanpassungsklausel vereinbart worden sein sollte.
    Damit ist das vergaberechtliche Mindestentgelt von 13,00 Euro brutto nach dem BerlAVG nicht zu verwechseln mit unmittelbar wirksamen gesetzlichen Verpflichtungen zur Zahlung von Mindestentgelten, z.B. auf der Grundlage des Mindestlohngesetzes oder des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Ebenso ist das vergaberechtliche Mindestentgelt nach dem BerlAVG nicht mit dem Mindestentgelt nach dem Landesmindestlohngesetz zu verwechseln. Das Landesmindestlohngesetz verpflichtet das Land Berlin überall dort, wo es finanziell beteiligt ist oder Einwirkungsmöglichkeiten hat (etwa im Landesdienst, in Beteiligungsunternehmen, bei Zuwendungsempfängern – insbesondere auch im Bereich der Landesbeschäftigungsförderung – und bei Entgeltvereinbarungen im Sozialrecht) darauf hinzuwirken, dass ein Stundenlohn von derzeit mindestens 13,00 Euro eingehalten wird.

  • 17. Meine Firma ist für Auftraggeber des Landes Berlin und für private Auftraggeber tätig.Muss ich jetzt allen Beschäftigten das Vergabemindestentgelt in Höhe von 13 Euro (brutto) zahlen?

    Die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Vergabemindestentgelts erfolgt auf der Grundlage von Besonderen Vertragsbedingungen, die Bestandteil der Vergabeunterlagen der einzelnen Vergabeverfahren sind. Das Vergabemindestentgelt ist gemäß diesen Besonderen Vertragsbedingungen individuell an die jeweiligen Beschäftigten zu zahlen, die bei der Erbringung der Leistungen des einzelnen Auftrages eingesetzt sind. Unmittelbar wirksame gesetzliche Verpflichtungen zur Zahlung von Mindestentgelten (z.B. auf der Grundlage des Mindestlohngesetzes oder Arbeitnehmerentsendegesetzes) gelten unabhängig davon weiter für alle Beschäftigten des Unternehmens. Ist das jeweilige Vergabemindestentgelt höher als der gesetzliche oder tarifliche Mindestlohn, so ist dieses an die zur Auftragsausführung eingesetzten Beschäftigten zu zahlen.

Weitere Vorgaben des BerlAVG und Kontrolle

  • 18. Welche Besonderheiten gibt es bei Maßnahmen zur Frauenförderung?

    Hier gelten die höheren Wertgrenzen des § 13 Landesgleichstellungsgesetz: Bei Bauleistungen beträgt der geschätzte Auftragswert 200.000 Euro (ohne Umsatzsteuer); bei Liefer- und Dienstleistungen 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer).
    Siehe auch : Frauenförderung

  • 19. Können öffentliche Auftraggeber (einzelne) Maßnahmen des BerlAVG auch bei Auftragswerten vorgeben, die die Wertgrenzen des BerlAVG unterschreiten?

    Ja, das ist möglich. Es ist das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten.

  • 20. Wer kontrolliert die Einhaltung der öko-sozialen Vorgaben des BerlAVG?
  • 21. In welchem Fall ist grundsätzlich eine Kontrolle durchzuführen?

    Eine Kontrolle erfolgt bei Vorliegen von Anhaltspunkten für einen Verstoß, § 16 Abs.7 BerlAVG.

  • 22. Welche Rolle spielt die zentrale Kontrollgruppe bei den Kontrollen?

    Die zentrale Kontrollgruppe unterstützt die öffentlichen Auftraggeber der unmittelbaren Landesverwaltung bei den Kontrollen, §16 Abs.2 S.1 BerlAVG.
    Darüber hinaus erhält die zentrale Kontrollgruppe mit dem novellierten BerlAVG ein Informations- und Anforderungsrecht gegenüber den vergebenden Stellen, um eine eigenständige Auswahl der zu überprüfenden Vergabevorgänge zu treffen; sie kann von diesen eine Aufstellung über vergebene öffentliche Aufträge verlangen, §16 Abs.2 S.2 BerlAVG.

  • 23. Welche Mitwirkungspflichten treffen die Auftragnehmer und Unterauftragnehmer bei den Kontrollen?

    Der Auftragnehmer bzw. Unterauftragnehmer hat bei der Kontrolle mitzuwirken, indem er die Unterlagen vollständig und prüffähig vorhält, die erforderlich für die Überprüfung sind, ob die jeweils vereinbarten öko-sozialen Vorgaben eingehalten wurden, §§ 16 Abs.3,15 Abs.1 Nr.2 u.Nr.3 BerlAVG. Diese Mitwirkungspflicht wird über ein entsprechendes Formular mit dem Auftragnehmer vereinbart (-> Werden den Vergabestellen Formulare zur Vereinbarung der öko-sozialen Vorgaben des BerlAVG zur Verfügung gestellt?). Dieser hat die Verpflichtung zur Mitwirkung an den Kontrollen an etwaige Unterauftragnehmer weiterzugeben. In dem genannten Formular werden u.a. auch die für die Kontrolle erforderlichen Unterlagen festgelegt.

  • 24. Werden den Vergabestellen Formulare zur Vereinbarung der öko-sozialen Vorgaben des BerlAVG zur Verfügung gestellt?

    Ja. Die bereits zur Verfügung stehenden Formulare finden Sie hier: https://www.berlin.de/vergabeservice/vergabeleitfaden/formulare/formulare-berlavg/
    Die Formulare für Bauleistungen sind Teil der ABau. Sie stellen als öffentlicher Auftraggeber sicher, dass Sie jeweils die aktuellen Formulare nutzen, wenn Sie den kostenlosen Newsletter unter folgenden Link abonnieren: https://www.berlin.de/vergabeservice/vergabeleitfaden/news/

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Weitere Auszüge aus dem Rundschreiben:

  • Neu ist, dass das Gesetz Ausnahmetatbestände enthält. Das BerlAVG a.F. enthielt diese nicht. Darunter u.a. eine Härtefallregelung (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BerlAVG).
  • An einem vergabespezifischen Mindeststundenentgelt wird festgehalten. Angesichts der Lebenshaltungskosten der Großstadt Berlin wird der Vergabemindestlohn stetig angepasst.
  • In veränderter Form ist mit § 6 eine Bestimmung zur Wertung unangemessen niedriger Angebote im BerlAVG erhalten geblieben. Die bisherige Regelung des § 3 BerlAVG a.F. enthielt eine prozentuale Angabe für den Abstand zum nächsthöheren Gebot, die die Einschätzung erleichtern sollte, ob ein Preis als unangemessen niedrig anzusehen ist. Da die Rechtsprechung auf die Umstände des Einzelfalls abstellt, enthält das BerlAVG keine prozentuale Angabe mehr. Die Einschätzung der Angemessenheit eines angebotenen Preises obliegt dem öffentlichen Auftraggeber.
  • Neu ist, dass die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als eine Vergabebestimmung eingeordnet wird. Im BerlAVG a.F. wurde sie als Ausführungsbedingung gefordert. Maßgebliche Erwägung für diese neue Zuordnung ist, dass die ILO-Konformität von Produkten gefordert ist, die Gegenstand einer Liefer- oder Teil einer Dienst- oder Bauleistung sind und nach Auffassung des Gesetzgebers mit der Konformität Merkmale des Auftragsgegenstands im Sinne von § 31 Abs. 3 VgV belegen müssen. Dies hat nach der Systematik des Gesetzes zur Folge, dass diese Verpflichtung als Vergabebestimmung nur für die unmittelbare Landesverwaltung gilt.
  • Aufgehobene Regelungen:
  • Der bisherige § 4 BerlAVG (Nachweise) alte Fassung (a.F.) entfällt. Die Bestimmung war zum einen im Hinblick auf die bei der Überprüfung der Eignung der Bieter geltenden Rechtslage obsolet ; zum anderen war der in § 5 BerlAVG a.F. enthaltene Hinweis auf diese Vorschrift irreführend.
  • Gleichfalls entfällt der bisherige § 10 a.F. BerlAVG (Bevorzugte Vergabe), nach dem bei gleichwertigen Angeboten die Unternehmen bevorzugt den Zuschlag erhalten, die Ausbildungsplätze bereitstellen, sich an tariflichen Umlageverfahren zur Sicherung der beruflichen Erstausbildung oder an Ausbildungsverbünden beteiligen. Die Bestimmung hat in der Praxis mangels selten vorliegender Gleichwertigkeit von Angeboten keine Bedeutung erlangt.