182. Kiezspaziergang

Vom Breitscheidplatz zum Joachimsthaler Platz

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann

Herzlich willkommen zu unserem 182. Kiezspaziergang. Er führt uns vom Breitscheidplatz zur Nürnberger Straße zur Bezirksgrenze zu Tempelhof-Schöneberg. Über den Los-Angeles-Platz laufen wir durch die Rankestraße, zum Friedrich-Hollaender-Platz und danach zum Joachimsthaler Platz, wo der Kiezspaziergang endet. Ich begrüße neben mir ganz herzlich die Bürgermeisterin von Or Yehuda, Liat Shohat, die seit 2015 die Geschicke von Or Yehuda leitet. Ich freue mich sehr, dass sie heute einen Teil des Weges mit uns gehen wird.
Bevor wir aber beginnen, möchte ich Ihnen unseren nächsten Kiezspaziergang bekanntgeben. Er wird am Samstag, den 11.3.2017, um 14 Uhr stattfinden. Schwerpunkt wird wie immer im März die Geschichte von Frauen unserer Stadt sein. Da ich nicht in Berlin sein werde, wird mich der stellvertretende Bezirksbürgermeister Carsten Engelmann vertreten und mit Ihnen vom ehemaligen NS-Frauengefängnis in der Kantstraße 79 aus zum Verborgenen Museum in der Schlüterstraße 70 spazieren. Das Verborgene Museum hat sich zur Aufgabe gemacht, unbekannte Künstlerinnen der Öffentlichkeit vorzustellen und damit dem Vorurteil, es habe früher keine herausragenden Künstlerinnen gegeben, entgegenzuwirken. Treffpunkt ist der Amtsgerichtsplatz, dieser ist zu erreichen mit den Bussen M49, X34 und 309.

Station 1-3: Breitscheidplatz

Station 1: Breitscheidplatz / Gedenkplatz

Beim 182. Kiezspaziergang treffen wir uns ganz bewusst auf dem Breitscheidplatz zwischen Budapester Straße und Gedächtniskirche, dem Ort des Attentats vom 19. Dezember auf dem Weihnachtsmarkt.
Wir wollen damit unsere Anteilnahme mit den zwölf Opfern und den zahlreichen Verletzten auch in diesem Rahmen zum Ausdruck bringen.
Mit dabei ist auch Bürgermeisterin Liat Shoat und die Delegation aus unserer israelischen Partnerstadt Or-Yehuda, die aus Anlass des 50. Städtepartnerschaftsjubiläums Gäste des Bezirks sind.
Die Blumen und die Kerzen werden im Auftrag der AG City gepflegt, die mit dem Deutschen Roten Kreuz ein Spendenkonto eingerichtet hat, um unkonventionelle Hilfe an die Opfer, von denen sich viele noch in stationärer Behandlung befinden, sowie an die Hinterbliebenen zu leisten.
Dieser Gedenkort wird von den Berliner und Berlinerinnen und den Gästen aus aller Welt besucht und mit Blumen und Kerzen lebendig erhalten. Dieser Ort der Trauer ist wichtig für uns und Berlin […]

Station 2: Breitscheidplatz / Gedächtniskirche

Nun gehen wir in die Gedächtniskirche. Ich freue mich sehr, dass Pfarrer Germer uns wieder so herzlich in seiner Kirche empfängt und möchte ihm auch gleich das Mikrofon geben.
Vielen Dank, Pfarrer Germer!

Wir gehen nun auf der linken Seite der Tauentzienstraße entlang bis zur Ecke Nürnberger Straße und überqueren diese.

Station 3: Tauentzienstraße / Mittelstreifen / Ecke Nürnberger Straße

Station 3.1: Tauentzienstraße / Herkunft des Namens

Das Wort Tauentzienstraße kommt in Berlin Wohnenden nur selten von den Lippen, allgemeinhin heißt es nur kurz der Tauentzien. Der „Tauentzien“ war ein bedeutender preußischer Feldherr und hieß mit ganzem Namen Bogislav Friedrich Emanuel Graf Tauentzien von Wittenberg. Er wurde 1760 in Potsdam geboren und starb 1824 in Berlin. Seine militärischen Meriten erwarb er sich vor allem während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815.
Konzipiert und benannt wurde die Tauentzienstraße in den 1860er-Jahren und angelegt um 1890. Die Straße gehört zum sogenannten „Generalszug“, eine Folge breiter Straßen, die nach dem Vorbild der Pariser Boulevards angelegt wurde. In einem königlichen Erlass vom 9. Juli 1864 und einer Kabinettsorder vom 31. Oktober desselben Jahres wurde festgehalten, dass alle Straßen und Plätze der Gürtelstraße zur Erinnerung an Schlachten bzw. Militärführer der Befreiungskriege benannt werden sollten. Dazu gehören unter anderem der Wittenbergplatz, der Nollendorfplatz, der Blücherplatz, die Yorckstraße und die Gneisenaustraße.
Als die Tauentzienstraße angelegt wurde, war sie noch eine Wohnstraße. Mit der Errichtung des KaDeWe im Jahr 1907 begann ihre Entwicklung hin zur Geschäftsstraße. Heute ist sie als Fortsetzung des Kurfürstendamms eine der teuersten und bekanntesten Lagen Deutschlands.
Die Skulptur auf dem Mittelstreifen der Tauentzienstraße wurde 1987 von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff als Beitrag zum Skulpturenboulevard geschaffen und zunächst nur vorübergehend aufgestellt. Später kaufte sie der Senat. Sie heißt “Berlin”. Die monumentale torartige Skulptur aus Chromnickelstahl-Röhren symbolisiert mit ihren beiden ineinander verschlungenen Teilen die Situation des geteilten Berlin.

Station 3.2: Nürnberger Straße / Herkunft des Namens

Die Nürnberger Straße wurde 1874 vom Aktien-Bauverein Tiergarten als Straße 31 der Abteilung IV des Bebauungsplanes angelegt und sollte zunächst den Namen Kaiserwahl-Straße tragen. Von 1876 bis 1888 hieß sie dann aber Birkenwäldchenstraße, ehe sie am 16. März 1888 ihren jetzigen Namen erhielt. Der Name, im Zusammenhang mit der sich nördlich anschließenden Burggrafenstraße, verweist darauf, dass die Hohenzollern vor ihrer Einsetzung in der Mark Brandenburg Burggrafen der Stadt Nürnberg waren.

Station 3.3: Nürnberger Straße 57-59 / Tauentzienpalast / Peek & Cloppenburg

In der Nürnberger Straße stand der Tauentzienpalast. Von 1913 bis 1945 befand sich dort das Premierenkino der UFA mit einem großen Café. Das Haus hatte 995 Plätze und war damit nach dem Ufa-Palast am Zoo das größte Kino. Hier fanden die großen Premieren der UFA-Filme statt, darunter auch heute noch bekannte Filme wie Berlin: Die Sinfonie der Großstadt im Jahr 1927 oder 1929 der Stummfilm Ich küsse Ihre Hand, Madame mit Marlene Dietrich und Richard Tauber. Auch der NS-Propaganda- und Historienfilm Kolberg, eine Auftragsarbeit von Joseph Goebbels, hatte noch in den letzten Tagen des Kinos am 30. Januar 1945 Premiere. Noch bis in die 1950er Jahre wurde das durch den Zweiten Weltkrieg beschädigte Gebäude bespielt. Dann trug man die Ruinen ab. Heute steht hier der Neubau von Peek & Cloppenburg, in dem sich auch ein Geschäft von MacNeal befindet.

Wir gehen nun ein paar Schritte weiter zum Ellington Hotel. Halt ist ungefähr zwischen den Läden Morgentau und Küchenwerk.
Station 4: Nürnberger Straße 50-55 / Ellington Hotel
Das Ellington Hotel liegt bereits auf Schöneberger Gebiet, der Gehweg gehört zu Charlottenburg.

Station 4.1: Nürnberger Straße 50-55 / Ellington Hotel

Hier stehen wir nun wirklich vor einem wichtigen Gebäude des kulturellen Lebens in Berlin. Es wurde 1928 bis 1931 im Auftrag der Märkischen Bau-und Grundstücksverwertung-AG als Haus Nürnberg gebaut. Entworfen wurde es im Stil der Neuen Sachlichkeit von den beiden Architekten Richard Bielenberg und Josef Moser. Das Haus Nürnberg hat mit seinen 185 m eine der längsten Fassaden Berlins:
Die vier Obergeschosse des Vorderhauses wurden als Büros vermietet. Ein Büroraum von etwa 100 Quadratmetern im zweiten Stock kostete 1932 „inklusive Heizung“ 270 Reichsmark im Monat; ein „kleines Einzelbüro mit Warteraum“ war ab 56 Reichsmark Monatsmiete zu haben.
Im Erdgeschoss wurde hier am 1. Oktober 1929 der Femina-Palast eröffnet. Der erste Betreiber war der jüdische Hotelier und Gastronom Heinrich Liemann. Ich werde ihn selbst sein Etablissement beschreiben lassen [ich zitiere]:
„Durch ein Marmor-Vestibül und einen zweiten Vorraum betritt man eine Herrenbar, in der Stimmungssänger und -sängerinnen sich hören lassen. Von den Garderoben für mehr als 2.000 Personen fährt ein Fahrstuhl, der gleichzeitig 16 Personen befördert, die Gäste in die Tanzbar des ersten Stocks, wo zwanzig junge Damen bedienen und ein allererstes Tanzorchester spielt. Gegenüber dieser Bar ist der Haupt-Tanzsaal, der in zwei Rängen bis zum Dach ansteigt. Es gibt Tischtelefone und eine Rohrpost mit Zentrale, von der aus junge Mädchen in Uniform die Briefchen austragen. Die Tanzfläche kann ganz oder teilweise um einen halben Meter erhöht werden, um die Darbietungen allgemein sichtbar zu machen. Elegante Tanzpaare, Grotesk-Tänzer und vollständige Ballette werden sich nachmittags und abends dort zeigen. Erste Kapellen sind verpflichtet. Allermodernste Beleuchtung taucht den Saal in blendendes Licht. Getränke und Speisen werden zu Preisen, die jeder Börse Rechnung tragen, serviert!“
Das Haus konnte aber die notwendigen Gewinne nicht erwirtschaften, auch nach mehreren Betreiberwechsel nicht. Am 13. April 1933 musste der Femina-Palast Insolvenz anmelden und wurde geschlossen.
Erst zur Jahreswende 1935/1936 eröffnete das Haus wieder, diesmal im Zeichen des völkischen Zeitgeistes. „Schoppenstube“ und „Siechenbräu“ ersetzten Bars und Cabarets. Für die Musik sorgten unter anderem Kapellen der Wehrmacht, der SA und SS. Dieses Konzept trug jedoch nicht, erst als das Haus zum „Swingpalast“ umgestaltet wurde, kamen die Leute wieder. Führende deutsche Swing- und Jazzorchester wie jene von Teddy Stauffer und Heinz Wehner gastierten hier, aber auch der Tangokönig Juan Llossas. Selbst zu nationalsozialistischen Zeiten stand im Programmheft [ich zitiere]:
„Das gläserne Dach öffnet sich. Zum Tanztee leuchtet ein blauer Himmel über den Tischen. Nachts schimmern die Sterne, die über den Dächern Berlins stehen, herein. Beim Tanz überströmt das Parkett die angenehme Frische des Abends. Die Annehmlichkeit, unter freiem Himmel zu sitzen, zu plaudern, zu tanzen, verbindet sich hier in schöner, so praktischer Weise mit dem festlich-luxuriösen Rahmen der Femina.“
Das Haus blieb den ganzen Krieg über (wenn auch eingeschränkt) als Vergnügungsstätte in Betrieb. 1938 bezog die Reichsmonopolverwaltung für Branntwein die Büroetagen.
Das Ballhaus wurde im Krieg schwer beschädigt, nur die Außenmauern blieben stehen. Das Vorderhaus und die gegenüberliegenden Gründerzeitbauten hatten etwas mehr Glück.
Im Erdgeschoss eröffnete im Juni 1946 das Kabarett „Ulenspiegel“, in dem Werner Finck seine Rückkehr nach Berlin und Gustaf Gründgens seine Rückkehr zum Kabarett feierten. 1948 wurde der Saal zum Kino umgebaut und zehn Jahre später zur Spielstätte des privat finanzierten „Berliner Theaters“, in dem viele bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen auftraten, z.B. Lil Dagover, Olga Tschechowa, Grethe Weiser, aber auch Jüngere wie Günter Pfitzmann und Edith Hancke. Bis in die 70er-Jahre wurde hier Theater gespielt, dann wurde der Saal zur Kantine des Finanzsenators.
Am 25. Juni 1949 gründeten eine Gruppe Künstler und Künstlerinnen in einem der Säle des ehemaligen Femina-Palast das Kabarett Die Badewanne. Die Künstlergruppe arbeitete u.a. mit spontanen Improvisationen auf der Bühne und setzte sich mit der internationalen Avantgarde auseinander. Damit knüpfte sie auch an Kunst, Literatur, Musik, Tanz und Theater vor 1933 an, vor allem an den Surrealismus. Die Badewanne war ein interdisziplinäres Forum für Malerei, Literatur, Tanz und Musik. In ihre experimentellen und provokativen Aufführungen bezogen sie das Publikum ein und nutzten die wiedergewonnene Freiheit.
Zu den Spezialitäten der Badewanne gehörten die so genannten „poème illustré“: die Zusammenführung eines Gedichtes (zumeist surrealistischer Herkunft) mit einem Avantgardegemälde, das als Bühnenprospekt fungiert. Kunst sollte als lebendiges, offenes Projekt gezeigt werden. In diesem Zusammenhang entstanden auch die „getanzten Bilder“, in denen die Tänzerinnen des Kollektivs bekannte Gemälde der Klassischen Moderne in Bewegung überführten und so dem Zuschauer dreidimensional erfahrbar machten. Eigene Texte, vorrangig die des Hauspoeten Hübners, wurden zumeist als Intonationstexte mit pastoralem Gestus vorgetragen. Bedeutend waren auch die Inszenierungen von absurden Szenerien
Das Kollektiv bestand nur ein halbes Jahr. Für ein weiteres halbes Jahr setzte das Folgeprojekt Die Quallenpeitsche in den Räumen der Femina-Bar sein Kabarettprogramm fort. Auch die literarisch-musikalischen Abende bestanden weiter.
Aus der Badewanne entstand in den fünfziger und sechziger Jahren der bekannteste Jazz-Club Berlins gleichen Namens. In ihm traten Jazzgrößen wie Count Basie, Lionel Hampton, Dizzie Gillespie, Ella Fitzgerald oder Duke Ellington auf. Auf diese Funktion bezieht sich das Hotel Ellington heute, denn es hat ein eigenes Jazzradio und freitags treten in einem der Säle Jazzmusiker auf.
Zudem wurde das Gebäude nach dem Krieg für weitere Zwecke genutzt, z.B. als Notverkauf fürs KaDeWe. Von 1948 bis 1951 war es Sitz der Unabhängigen Gewerkschaftsopposition (UGO), einer West-Berliner Vorläuferorganisation des DGB. Und von 1951 bis 1996 saß hier die Senatsverwaltung für Finanzen.
Ende der 1970er-Jahre zog der Dschungel von seinem ursprünglichen Standort am Winterfeldtplatz in die Nürnberger Straße 53. Hier verkehrte alles, was Rang und Name hatte, wie z.B. David Bowie, Romy Haag, Nick Cave, Rio Reiser und Lou Reed aus der Musikszene, die Maler Salomé und Martin Kippenberger, die Schauspieler Ben Becker und Benno Fürmann, die Kulturtheoretiker Diedrich Diederichsen und Oliver Grau , um nur einige zu nennen. Mit dem Mauerfall und dem Aufkommen der Techno-Musik geriet der Dschungel Ende der 1980er-Jahre ins Abseits und wurde 1993 geschlossen.
1996 zogen die Finanzverwaltung und zugleich die letzten sonstigen Mieter aus dem Haus aus. In den folgenden Jahren verfiel das Gebäude.
2007 wurde das Haus Nürnberg zum Hotel Ellington. Beim Umbau wurden wichtige Elemente aus den 20er-Jahren erhalten. Das Entrée hat noch seine alten weißen und grünlichen Fliesen. Die Kongressräume des Hotels Ellington befinden sich auf der Grundfläche des Ballhauses, der alte Saal des Femina-Palastes ist heute ein moderner Veranstaltungsraum. Im Saal des Berliner Theaters und der Badewanne wird das Frühstücksbuffet des Hotels und zur Mittagszeit ein Business-Lunch angeboten.

Station 4.2: Nürnberger Straße 16

Rechts auf der anderen Straßenseite vor der Hausnummer 16 gibt es sechs Stolpersteine zum Gedenken an Feiga und Georg Reifen und deren Untermieter Erich Hirsch und Moritz und Selma Rosenthal. Außerdem wohnten in dem Haus: der Hauseigentümer und Zahnarzt Leopold Baer sowie der Fabrikdirektor Max Baer. Das Schicksal von Leopold Baer ist nicht bekannt. Max Baer wurde im April 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet.

HIER WOHNTE
FEIGA REIFEN
GEB. KUPFERSTEIN
JG 1887
AUSGEWIESEN AUG.1939
POLEN
ERMORDET IN
MAJDANEK

HIER WOHNTE
GEORG REIFEN
JG. 1884
POLENAKTION 1938
GHETTO WARSCHAU
MAJDANEK
ERMORDET 3.5.1943

HIER WOHNTE
MAX BAER
JG. 1874
VERHAFTET 25.4.1942
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 25.4.1942

HIER WOHNTE
ERICH HIRSCH
JG. 1897
DEPORTIERT 17.11.1941
KOWNO FORT IX
ERMORDET 25.11.1941

HIER WOHNTE
MORITZ ROSENTHAL
JG. 1877
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

HIER WOHNTE
SELMA ROSENTHAL
GEB. JARECKI
JG. 1883
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

Station 4.3: Nürnberger Straße 17 und 18

Das Haus links daneben, die Nummer 17, wurde 1892 bis 1893 von H. Olbricht entworfen. 1911 erfolgte ein Umbau. Das Miethaus in der Nürnberger Straße 18 wurde von 1893 bis 1894 von Eduard Schenk entworfen und der Laden von 1911 bis 1913 von H. Möller umgebaut. Beide Häuser stehen unter Denkmalschutz.

Wir überqueren die Nürnberger Straße und halten wieder vor dem Haus Nummer 24. Genießen Sie von der anderen Seite den Blick auf die 185 m lange Fassade.

Station 5: Nürnberger Straße 24 / Stolperstein

In diesem Haus lebte und praktizierte der Arzt Adolf Scheff. Als die Gestapo ihn 1938 verhaften wollte, erschien er am Fenster und rief: „Ihr Hunde bekommt mich nicht!“. Er verbarrikadierte sich in der Wohnung und nahm Schlaftabletten. Daran starb er zwei Tage später im Polizeikrankenhaus. Der Stolperstein für Dr. med. Adolf Scheff wurde am 30. September 2010 verlegt. Darauf steht:

HIER WOHNTE
DR. ADOLF SCHEFF
JG. 1897
VERHAFTET 28.11.1938
FLUCHT IN DEN TOD
30.11.1938 IM
POLIZEIKRANKENHAUS
SCHARNHORSTSTRASSE

Wir überqueren nun die Straße und gehen bis zum Haus Augsburger Straße 21.
Station 6: Augsburger Straße 21
Station 6.1: Augsburger Straße / Herkunft des Namens
Die Augsburger Straße heißt seit 11.3.1887 nach der Stadt Augsburg in bayerischen Schwaben.

Station 6.2: Augsburger Straße 21 / Gedenktafel Walter Serner

Walter Serner wurde am 15. Januar 1889 in Karlsbad in Böhmen geboren und starb wahrscheinlich am 23. August 1942 im Wald von Biķernieki bei Riga. Der Name Walter Serner ist eines seiner Pseudonyme. Sein richtiger Name war Walter Seligmann. Er war Essayist, Schriftsteller und Dadaist.
1912 übersiedelte er nach Berlin und schloss 1913 sein Jura-Studium an der Universität Greifswald mit der Promotion ab. Zu dieser Zeit publizierte er bereits regelmäßig in der Berliner Zeitschrift Die Aktion. Mit einem zweideutigen Attest verhalf er Ende 1914 dem desertierten expressionistischen Schriftsteller Franz Jung zur Flucht aus der Militärmaschinerie des Ersten Weltkriegs. Um seiner deshalb drohenden Verhaftung und der Einberufung zu entgehen, ging Serner nach Zürich. Im Kreis der wachsenden Zahl von Emigranten wurde der Maler Christian Schad sein bester Freund. Seit seiner Übersiedelung nach Zürich hatte er Kontakt zu den Dadaisten. Er pendelte zwischen Italien, Paris, Genf und Zürich, schrieb Geschichten und einen Roman und verfasste 1918 das dadaistische Manifest Letzte Lockerung manifest dada, das nach Jörg Drews eine „glänzende Analyse des Zeitalters des vollendeten Nihilismus“ war. Hier urteilen Sie selbst, ich zitiere aus dem zweiten Kapitel des Manifests:
„13: Es geht nicht an, von Tyrannei zu plaudern … Was soll man mit seiner (je nun) – Freiheit, he? Jede Revolution war die sehnsüchtige Empörung nach einer geliebteren Faust (eromasoch). Die Zahl derer, die, kaum majoren, jede Autorität begrinsen, ist so winzig wie die der Despoten (erosade) beiweitem zu ungenügend. Es gab noch nie eine Revolution. Nur Revolteure. Rastas. Das Jahr 1789 ist das historisch mißhandeltste. Die kompakte Majorität der hungernden Mägen krächzte vor dem Versailler Schloß und einmal im Taumel der rauschenden Straßen schlug sie Köpfe herunter. Revolution, he? Die hysterische Rauferei organisch zu kurz Gekommener. Freiheit? Ein gewisser kleiner Wohlstand, ein kleiner gewisser Beruf, die Sicherheit vor Ohrfeigen und das sexuell auf Viertelkost heruntergebrachte Weibchen, an dessen Seite man als Beamten (Soldaten) Fabrik und schlechter Fresser dem Himmel entgegenreifen darf. Pompös! … Sofern nur dieser kontinuierliche Druck von oben nicht aufhört, das geruhige Wissen, nicht weiter wollen zu brauchen, ist alles, aber auch alles in Ordnung … Es geht nun wirklich nicht mehr an, von Tyrannei zu flöten …“
Am 9. April 1919 trug Serner Teile aus Letzte Lockerung vor. Dabei kam es auf der Dada-Soiree Non plus ultra in Zürich zu einem Aufruhr des Publikums, und Serner wurde von der Bühne gejagt. Nach seiner Abkehr von der dadaistischen Bewegung wandte sich Serner dem Schreiben von Kriminalgeschichten zu. Sein Roman Die Tigerin erschien 1925 und wurde aufgrund des zwielichtigen Milieus und der sexuell offensiven Sprache zu einem Skandal. Nur ein Gutachten von Alfred Döblin verhinderte, dass das Buch der Zensur zum Opfer fiel. 1992 wurde der Roman von Karin Howard verfilmt. Serner schrieb auch Erzählungen und Theaterstücke.
Im August 1942 wurde Serner nach Riga deportiert und dort im Wald mit allen anderen 998 Menschen des Transports ermordet.

Station 6.3: Augsburger Straße 23 / Gedenktafel Melanie Klein

Am Haus nebenan, der Augsburger Straße 23, ist eine Gedenktafel für die Psychoanalytikerin Melanie Klein angebracht. Auf der Glastafel steht:

Melanie Klein
Psychoanalytikerin und Dozentin
am Berliner Psychoanalytischen Institut.
(30.03.1882-22.09.1960)
Emigrierte aus Ungarn und lebte
von 1921 – 1926 in Berlin
Eine der ersten Kinderanalytikerinnen,
die als originelle und radikale Denkerin mit ihren theoretischen Entwürfen
zur frühkindlichen EntwickIung
kontroverse und fruchtbare Diskussionen auslöste.
Sie wohnte hier in der Augsburgerstr. 47, Pension Rosa Stößinger,
zeitgleich mit der Wiener Psychoanalytikerin
Helene Deutsch (1923/24)
Sponsoren der Tafel: Freunde der Psychoanalyse und Psychoanalytiker (16.10.2004)
(Mit Freud in Berlin)

Melanie Klein wurde 1882 in Wien geboren und starb 1960 in London, wo sie seit 1926 als Psychoanalytikerin forsche und arbeite. Klein war eine Pionierin der Kinderpsychoanalyse.
Sie ersetzte bei der Psychoanalyse von Kindern das freie Assoziieren der Erwachsenenanalyse durch Spielen, Zeichnen und Malen. Sie ging davon aus, dass Kinder ihre inneren Konflikte im Spiel und beim Malen ausdrücken, und dass es dem Analytiker dadurch möglich ist, diese Konflikte zu erschließen und zu deuten. Diese Methoden werden zum Beispiel heute auch bei der Therapie von Flüchtlingskindern angewandt.

Station 7: Augsburger Straße 29

Station 7.1: Augsburger Straße 27 / Stolpersteine / Heinrich und Alice Kristeller
Die Stolpersteine vor dem Haus Nr. 27 für Heinrich B. und Alice Kristeller wurden am 19.10.2009 verlegt.

HIER WOHNTE
HEINRICH B.
KRISTELLER
JG. 1871
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 3.12.1942

HIER WOHNTE
ALICE
KRISTELLER
GEB. MAGNUS
JG. 1882
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 19.3.1943

Drei weitere drei Menschen, die hier wohnten, wurden Opfer des Holocaust.

Station 7.2: Augsburger Straße 29 / Stolpersteine / Malka, Motel und Szulim

Wellner, Friedrich Warschauer, Else Grün, Lilli und Kurt Riess
Die Stolpersteine für Malka, Motel und Szulim Wellner wurden am 29.3.2008 verlegt, die Stolpersteine für Friedrich Warschauer, Else Grün, Else Grünberg, Lilli und Kurt Riess am 19.05.2016.

HIER WOHNTE
MALKA WELLNER
GEB. WELLNER
JG. 1898
FLUCHT 1939 BRÜSSEL
1942 LAGER MECHELEN
DEPORTIERT 10.10.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

HIER WOHNTE
MOTEL WELLNER
JG. 1917
FLUCHT 1939 BELGIEN
VERHAFTET
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 1944

HIER WOHNTE
SZULIM WELLNER
JG. 1919
FLUCHT 1939 BELGIEN
VERHAFTET
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 1944

Motel Wellner wurde am 5.9.1917 und Szulim Wellner am 4.8.1919 in Bedzin, Polen geboren. Beide wollten im März 1939 nach Belgien fliehen, wurden aber an der Grenze festgenommen, inhaftiert und im Sommer 1944 mit noch nicht einmal dreißig Jahren in Auschwitz ermordet.

HIER WOHNTE
FRIEDRICH
WARSCHAUER
JG. 1901
DEPORTIERT 19.10.1942
RIGA
ERMORDET 22.10.1942

HIER WOHNTE
ELSE GRÜN
JG. 1891
DEPORTIERT 28.6.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
ELSE GRÜNBERG
JG. 1899
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
LILLI RIESS
GEB. LÖWENTHAL
JG. 1889
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
KURT RIESS
JG. 1884
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Station 7.3: Los-Angeles-Platz

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Gegend um den heutigen Los-Angeles-Platz stark zerstört. 1981 wurde das Steigenberger Hotel gebaut und der Los-Angeles-Platz in seiner heutigen Form angelegt. Er hat seinen Namen seit 1982 nach der kalifornischen Partnerstadt am Pazifik. Der Los-Angeles-Platz hat nur eine einzige Adresse, nämlich die des Hotels Steigenberger Berlin. Rund 90 steinerne Säulen bilden den Laubengang auf der leicht erhöhten Grünanlage. Der Platz ist die einzige öffentlich zugängliche Grünanlage zwischen dem Großen Tiergarten und der Universität der Künste, falls der Zugang nicht gerade von Contipark gesperrt wird. Denn das ist auch ein Kuriosum, der Platz und seine darunter liegende Tiefgarage ist seit 1996 im Privatbesitz der Firma Contipark International. Die Firma wurde 1967 als Contipark Parkgaragen GmbH mit dem Parkhaus Europa-Center gegründet. Contipark ist eine internationale Gesellschaft mit Hauptsitz in der Rankestraße 13, an dem wir gleich vorbeigehen werden, und beschäftigt sich mit der Planung, Finanzierung und Bewirtschaftung von Parkeinrichtungen, vor allem Parkhäusern. In Deutschland ist sie mit rund 300 Objekten in mehr als 150 Städten vertreten.

Ein paar Häuser, vor der Nummer 33, liegen zwei weitere Stolpersteine.
Station 8: Augsburger Straße 33 / Stolpersteine für Peter und Kurt Auerbach
Diese Stolpersteine wurden am 8.6.2013 verlegt und sind vom Berthold-Auerbach-Literaturkreis in Horb am Necker gespendet worden.

HIER WOHNTE
PETER LORENZ
AUERBACH
JG. 1892
DEPORTIERT 17.11.1941
KOWNO FORT IX
ERMORDET 25.11.1941

HIER WOHNTE
KURT AUERBACH
JG. 1893
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
FLUCHT IN DEN TOD
24.3.1941

Exemplarisch für alle Stolpersteine trage ich hier die Geschichte von Peter Auerbauch und seiner Frau vor.
Peter Auerbach wurde am 6. Oktober 1892 in Berlin geboren. Er studierte an verschiedenen deutschen Universitäten sowie in Oxford und Paris Architektur. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Kriegsfreiwilliger. In den 1920er Jahren arbeitete Peter Auerbach als Dolmetscher und technisch-juristischer Fachübersetzer, vor allem für Englisch. In den 1930er Jahren kamen Übersetzeraufgaben dazu, insbesondere für aus Deutschland emigrierende Juden. 1923 verlobte sich Peter Auerbach mit Elsa Unterwegner aus Radolfzell, die an der Berliner Kunstgewerbeschule studierte. Die Hochzeit wurde auf finanziell bessere Zeiten verschoben, die jedoch nicht mehr kommen sollten. 1929 kam ihr erster Sohn Helmut auf die Welt, 1933 wurde der zweite Sohn Joachim geboren. Da Peter Auerbach und Elsa Unterwegner weiterhin unverheiratet waren, unterstanden beide Kinder der Amtsvormundschaft und wurden ab 1933 von den Nationalsozialisten gegen den Willen ihrer Eltern in unterschiedlichen Heimen untergebracht, in denen sie auf Grund ihrer „nicht-arischen“ Abstammung ausgegrenzt und diskriminiert wurden. Der Kontakt zu ihrem Vater war den beiden Jungen untersagt und konnte lediglich ab und zu heimlich stattfinden.
Elsa Unterwegner wurde wegen ihrer Beziehung zu Peter Auerbach als „Rassenschänderin“ angeprangert und musste viele Demütigungen hinnehmen. Ihre finanzielle Situation war äußerst schwierig. Dennoch hielt sie zu Peter Auerbach und bemühte sich mehrfach um die Erlaubnis, ihn doch noch heiraten zu dürfen, jedoch wurde dies von den nationalsozialistischen Behörden unter Berufung auf die Nürnberger Rassegesetze nicht gestattet. Peter Auerbach verdiente sich weiterhin durch Übersetzungen einen geringen Lebensunterhalt. Auch die Treffen mit Elsa mussten mit der zunehmenden Verfolgung heimlich stattfinden. Am 17. November 1941 wurde Peter Auerbach gemeinsam mit 1005 weiteren Menschen in das litauische Kowno deportiert und dort acht Tage später erschossen.

Wir biegen nun links in die Rankestraße ein und treffen uns wieder vor Haus Nr. 24.

Station 9: Rankestraße 24

Station 9.1: Rankestraße / Herkunft des Namens

Die Rankestraße wurde 1888 nach dem Historiker Franz Leopold von Ranke benannt. Er lebte von 1795 bis 1886 und gilt als der wichtigste Vertreter des Historismus in der Geschichtswissenschaft.

Station 9.2: Rankestraße 24 / Gedenktafel Karl Abraham

Das Mietshaus in der Rankestraße 24 gegenüber wurde 1898 von Max Johow gebaut. An der Rankestraße 24 erinnert eine Gedenktafel an den Pionier der Psychoanalyse, den Arzt und Analytiker Karl Abraham, der hier von 1910 bis 1916 gelebt und gearbeitet hat. Auf dieser steht:
Karl Abraham
(3.5.1877 Bremen – 25.12.1925 Berlin)
Nervenarzt und Psychanalytiker
Gründer der
Berliner Psychoanalytischen Vereinigung (1908)
und ihr Vorsitzender bis zu seinem frühen Tod.
Leiter des Berliner Psychoanalytischen Instituts (1920)
Präsident der Internationalen
Psychoanalytischen Vereinigung

Sigmund Freud schätzte ihn hoch und trauerte sehr um ihn:
er wäre „ein vorbildlicher Führer zur Wahrheitsforschung
geworden, unbeirrt durch Lob und Tadel der Menge
wie durch lockenden Schein eigener Phantasiegebilde.“
(Nachruf, Dez. 1925)

Station 9.3 : Rankestr. 9 / Kabarett

Gegenüber in der Rankestraße 9 befand sich von 1951 bis 1965 das Kabarett „Die Stachelschweine“, nach deren Auszug folgte die Kabarettgruppe „Das Bügelbrett“.

Station 9.4: Rankestraße 9 / Stolperstein / Alice und Siegfried Peltesohn

Vor dem Haus erinnern zwei Stolpersteine an das Ehepaar Siegfried und Alice Peltesohn, die 1943 nach Theresienstadt deportiert wurden. Ihr Schicksal ist außergewöhnlich, denn beide gehörten zu den 1200 jüdischen Gefangenen, die in die Schweiz ausreisen durften und den Holocaust überlebten. Jean-Marie Musy, der ehemalige Schweizer Bundespräsident, hatte bei Heinrich Himmler erreicht, dass am 5. Februar 1945 gegen eine Zahlung von 1,25 Millionen Dollar 1200 Juden aus Theresienstadt in die Schweiz ausreisen durften. Darunter war auch das Ehepaar Peltesohn.

Station 9.5: Rankestr. 10-12: Feuerwache

1896/97 wurde das Hauptgebäude der Feuerwache nach Entwürfen von Stadtbaurat Paul Bratring und Bauinspektor Theodor Peters errichtet. Die Feuerwache konnte am 1. April 1897 das neogotische Backsteingebäude mit damals vier Toren beziehen. Aber nicht nur diese, denn die Einwohnerzahl Charlottenburgs hatte sich in zwanzig Jahren von 20.000 auf 150.000 erhöht, und wegen diesem großen Bevölkerungswachstum wurde dringend ein zweites Standesamt im Osten Charlottenburgs benötigt, also in dem Gebiet um den Kurfürstendamm. In einer Beschlussvorlage an die Stadtverordnetenversammlung schrieb der Magistrat am 7. März 1895: „Da nun für Feuerlöschzwecke außer dem Erdgeschoss nur zwei bis drei Stockwerke gebraucht werden, so ist außerdem noch die Errichtung eines Stockwerkes für ein Standesamt vorgesehen. Die Lage ist für ein Standesamt günstig, die Räume eines Stockwerkes sind ausreichend.“
Kurz vor dem Einzug des Standesamtes im Herbst 1897 in sechs Räume im zweiten Stock der Feuerwache wurde noch einmal das Raumkonzept verändert, „um nun zu verhindern, dass die das Standesamt Aufsuchenden den Arbeitern des Revierbüros [der ebenfalls dort in zwei Räumen untergebrachten Gasanstalt] mit Werkzeugen, Schmiertöpfen etc. auf der Treppe zu begegnen, was thunlichst zu vermeiden ist“. Die Besucher des Standesamts wurden daraufhin über den repräsentativen übergiebelten Eingang geleitet. Über der Tür stand damals auch der Schriftzug des Standesamtes. Es blieb dort bis 1937, als die Nationalsozialisten die ganze Verwaltung und damit auch die Standesämter zentralisierten.
Die Feuerwache wurde von 1970 bis 1972 erweitert und umgebaut. 62 Beschäftigte besetzen heute in verschiedenen Schichten Tag und Nacht 12 Funktionen. Die Einsatzfahrzeuge bestehen aus einem Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug, einer Drehleiter, einem Kleinlösch-Einsatzfahrzeug, einem Rettungswagen, einem Einsatzleitwagen und einem Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes.

Wir gehen nun weiter und treffen uns wieder an der Ecke Lietzenburger / Joachimsthaler Straße.

Station 10: Lietzenburger / Ecke Joachimsthaler Straße

Station 10.1: Friedrich-Hollaender-Platz

Der Rankeplatz wurde 1901 analog zur Rankestraße nach dem Historiker Franz Leopold von Ranke benannt. Über den Platz verlief bis zur Gebietsreform die Bezirksgrenze zwischen Wilmersdorf und Charlottenburg. Am 17.3.2011 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung, den Platz im Rahmen einer Neugestaltung nach dem Komponisten Friedrich Hollaender umzubenennen, der im Joachimsthalschen Gymnasium lehrte. Die Neugestaltung des Platzes hat der frühere, leider verstorbene Leiter unseres Grünflächenamtes Christoph-Maria Maasberg entworfen. Er sah sich in der Tradition des großen Charlottenburger Gartenbaudirektors Erwin Barth. Barths Credo lautete: “Wenn irgendwo eine reiche Ausstattung der Plätze mit verschwenderischer Blumenfülle, mit Brunnen und dergleichen angebracht ist, so ist es da, wo Leute wohnen, die sich keine eigenen Gärten leisten können.”
Auf dem Platz befindet sich seit 2012 ein kreisrunder Brunnenplatz mit fünf Wasserfontänen, die sich über raue und polierte Granitstelen und Steinpflaster. Steinquader bieten Sitzgelegenheiten, ob am Rand des Brunnens, in der Sonne oder im Schatten der alten Bäume.
Nun zum Namensgeber des Platzes: Friedrich Hollaender wurde am 18. Oktober 1896 in London geboren. Er war Revue- und Tonfilmkomponist, Kabarettist und Musikdichter.
Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er zusammen u.a. mit Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Joachim Ringelnatz, der Schauspielerin Blandine Ebinger, die er später heiratete, ein Kabarett. Es trat im Schall und Rauch im Keller von Max Reinhardts Großem Schauspielhaus auf. In den 1920er Jahren wurde Hollaender eine feste Größe in der Berliner Kulturszene. Er wirkte an verschiedenen Kabarett-Theatern, komponierte und textete Lieder und begleitete Blandine Ebinger und andere wie Grete Mosheim am Klavier. Später schrieb er Revuen, unter anderem für Rudolf Nelson.
Von 1930 bis 1933 betrieb er im Theater des Westens das erfolgreiche Kabarett Tingel Tangel. Außerdem vertonte er Filme. Ein Höhepunkt seines musikalischen Schaffens war sicherlich Der blaue Engel mit dem berühmten von Marlene Dietrich gesungenen Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.
1933 musste Hollaender wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland verlassen, über Paris zog er nach Hollywood. Er ging nach Hollywood, wo er die Musik für über 130 Filme schrieb und viermal für den Oscar nominiert wurde. Dennoch konnte er dort nicht an seine Erfolge in Deutschland anknüpfen, auch nicht nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1955. Er starb am 18. Januar 1976 in München. Hollaenders Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.

Station 10.2: Lietzenburger Straße / Herkunft des Namens

Bis zur Bezirksfusion 2001 war die Lietzenburger Straße die Grenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf. Sie wurde 1890 nach dem ursprünglichen Namen des Schlosses Charlottenburg benannt. Der Name Lietzenburg wurde von dem Dorf Lietzow abgeleitet, das 1720 nach Charlottenburg eingemeindet wurde.

Station 10.3: Lietzenburger Str. 53 / Volkswohl Bund Versicherungen

1919 wurde der “Deutsche Volkswohl-Bund”, ein Versicherungsunternehmen in Berlin gegründet. Nachdem der Berliner Verwaltungssitz im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, errichtete die Versicherung 1951 für ihre Hauptverwaltung ein Gebäude in Dortmund. 1953 benannte sie sich um in “Volkswohl-Bund Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit“. Eine Berliner Filiale entstand 1955 an der Kant- / Ecke Fasanenstraße. Sie zog 2006 hierher in das neue Wohn- und Geschäftshaus an der Lietzenburger Straße 53, Ecke Joachimsthaler Straße. Der moderne Stahl-Glas-Bau wurde von den Architekten Ursula Hütter und Joachim Ramin entworfen. Ungewöhnlich für einen Neubau sind drei Meter Geschosshöhe und Holzfenster. Der Hauptsitz der Versicherung, die sich inzwischen “Volkswohl Bund Versicherungen” nennt, befindet sich noch immer in Dortmund.

Station 10.4: Joachimsthaler Platz / Joachimsthaler Straße / Herkunft des Namens

Die Joachimsthaler Straße wurde wie der Joachimsthaler Platz und das Joachimsthalsche Gymnasium 1887 nach dem Ort Joachimsthal in der Schorfheide benannt. Das Joachimsthalsche Gymnasium, was Sie im Hintergrund sehen, wurde 1607 in Joachimsthal als Fürstenschule für begabte Knaben gegründet. Es zog 1636 nach Berlin in die Bundesallee. Heute ist in dem Gebäude die Universität der Künste.

Wir überqueren jetzt die Straße und gehen weiter bis zur Joachimsthaler Straße 13.

Station 11: Joachimsthaler Straße 13

Station 11.1: Joachimsthaler Str. 20 / Gedenktafel für Friedrich Ebert

Wir sind eben an einem grünen Neubau vorbeigegangen, dessen Vorläuferbau war früher das West-Sanatorium und später das ÖTV-Haus. Dort ist eine Gedenktafel an Friedrich Ebert angebracht, auf der steht:
“Hier im ehemaligen West-Sanatorium
starb am 28. Februar 1925
der Sozialdemokrat
Friedrich Ebert
(* 4. Februar 1871)
Der erste demokratisch gewählte
Reichspräsident der Weimarer Republik.”
In dem ehemaligen West-Sanatorium operierte der berühmte Chirurg August Bier. Er geriet allerdings in die Kritik, als nach seinen Eingriffen 1924 der Industrielle Fritz Stinnes und 1925 Reichspräsident Friedrich Ebert gestorben waren. Bereits 1917 starb hier auch Ferdinand Graf von Zeppelin.

Station 11.2: Joachimstaler Str. 13 / Synagoge

1901 baute Siegfried Kuznitzky das Quergebäude im Hof für die jüdische Loge B’nai B’rith (Bne Briss). 1925 wurde eine jüdische Volksschule eingerichtet. 1935 begründete der Bildungsverein der Jüdischen Reformgemeinde hier die Joseph-Lehmann-Schule, um den aus den deutschen Schulen ausgeschlossenen jüdischen Kindern Schulunterricht geben zu können. Der Betraum wurde nach 1945 wieder genutzt und 1955 renoviert. 1960 wurde der ehemalige große Logensaal im Erdgeschoss als Synagoge nach orthodoxem Ritus für 300 Personen eingerichtet. Im Souterrain wurde ein rituelles Tauchbad eingebaut. Nach dem Bau der Mauer 1961 bezogen verschiedene Niederlassungen von jüdischen Organisationen das Haus, darunter der jüdische Nationalfonds und die Women’s International Zionist Organisation WIZO. Außerdem waren hier die Sozialabteilung, die Kultusverwaltung, die Büros der Rabbiner und das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde untergebracht. Im Erdgeschoss des Vorderhauses bietet die Literaturhandlung eine Auswahl an historischen, kulturhistorischen, theologischen und liturgischen Judaica in deutscher und englischer Sprache an. Und bei Salomon Bagels können Sie traditionelle jüdische Köstlichkeiten genießen.

Station 11.3: Joachimstaler Straße 31-32 / Hotel H10

Das Haus gegenüber in der Joachimsthaler Straße 31-32 wurde 1888 bis 1889 von Emil Bratring als 7. und 8. Gemeinde-Doppelschule für die Stadt Charlottenburg erbaut. An dem restaurierten Altbau befindet sich bis heute deutlich erkennbar das historische Stadtwappen Charlottenburgs. Der Klinkerbau steht unter Denkmalschutz. Er wurde lange Zeit von der Technischen Universität genutzt. Schließlich ließ die Hotel-Gruppe H10 das Haus restaurieren, fügte einen Neubau hinzu und eröffnete in dem Gesamtkomplex im März 2011 ein Hotel. Der Entwurf für den Um- und Neubau stammt von dem Architekturbüro Kleihues & Kleihues, das wir ja bei unserem Januarspaziergang in der ehemaligen Müllverladestation gesehen haben. Der Altbau ist mit dem Neubau über die Lobby miteinander verbunden. Das Hotel hat 199 Zimmer. Laut den Architekten soll der Neubau [ich zitiere]
„nicht als Konkurrenz zu dem Altbau gesehen werden, sondern stellt eher dessen Hintergrund dar. Er ist mit seiner regelmäßigen Lochfassade sehr einfach gehalten. Diese Einfachheit wird oberhalb des Sockels durch die dem Zufallsprinzip folgende Oberflächenstruktur aufgelöst.“

Wir begeben uns nun auf den Joachimsthaler Platz und treffen uns am Obelisken wieder.

Station 12: Joachimsthaler Platz

Station 12.1: Joachimsthaler Str. 10-12 / Allianz-Hochhaus

Am heutigen Standort des ehemaligen Allianz-Hochhauses befand sich die legendäre Kakadu Bar. Um 1919 oder kurz zuvor gegründet, wurde sie in der Weimarer Republik ein bedeutender Treffpunkt von Künstlern, Stars und Wirtschaftsführern sowie der Halbwelt. Zeitweise nahm sie für sich in Anspruch, die „größte Bar Berlins“ zu sein. Ihren guten Ruf konnte sie lange kultivieren, letzte Berichte stammen von Anfang 1937, dann schloss die Bar.
Das Ensemble für den Allianz-Versicherungskonzern wurde von 1953 bis 1955, also zeitgleich mit dem Joachimsthaler Platz, von Alfred Gunzenhauser und Paul Schwebes erbaut. Es besteht aus einem 14-geschossigem Hochhaus und einem 6-geschossigen Gebäude, das in einen etwas höheren, schmalen Kopfbau am Kurfürstendamm mündet, und wenn Sie sich die großen Fenster am Ende dieses Kopfbaus betrachten, dann werden Sie feststellen, dass die Verkehrskanzel sich architektonisch darauf bezieht.
Eine Gedenktafel erinnert an 18 tschechische Zwangsarbeiter, die bei dem Bombenangriff vom 23. November 1943 ums Leben kamen:
ACHTZEHN TSCHECHISCHE JUGENDLICHE
STARBEN HIER
AM 23. NOVEMBER 1943
BEI EINEM LUFTANGRIFF.
ALS ZWANGSARBEITER WAREN SIE BEI DER
TECHNISCHEN NOTHILFE IN BERLIN EINGESETZT,
UM BOMBENSCHÄDEN ZU BESEITIGEN.
Insgesamt waren bei der Technischen Nothilfe etwa 16.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern eingesetzt.

Station 12.2: Joachimstaler Str. 12 / Stolperstein für Alice Simon

Auf dem Platz erinnert ein Stolperstein an die Charlottenburgerin Alice Simon. Sie war eine von 86 jüdischen KZ-Häftlingen, die der Anatom Prof. August Hirt in Auschwitz selektieren ließ, um in seinem Institut an der Reichsuniversität Straßburg eine Skelettsammlung „Fremdrassiger“ aufzubauen. Wie ihr Ehemann, der Rechtsanwalt Dr. Herbert Simon, war Alice Simon jüdischer Herkunft und evangelisch getauft. Herbert Simon starb 1936; ihren Sohn und ihre Tochter schickte die Witwe nach Großbritannien. Sie selbst blieb hier in dem Haus an der Joachimstaler Straße 12 bei der blinden Schwiegermutter, die 1941 starb. Im Mai 1943 wurde sie nach Auschwitz und von dort aus ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert. Dort tötete man sie wie die übrigen Selektierten im August 1943 mit Blausäure.

Station 12.3: Augsburger Str.41 / Hotel Sofitel

1967 wurde an der Ecke Joachimsthaler Straße / Augsburger Straße das Kaufhaus C&A eröffnet. Die Polizei musste damals die Massen abhalten, die das neue Bekleidungshaus stürmen wollten. Jetzt ist C&A aus der zweiten Reihe nach vorne an den Kurfürstendamm gerückt. Im Januar 2006 wurde an seiner Stelle das Hotel Concorde eröffnet, aus dem inzwischen das Sofitel wurde. Es wurde ebenfalls von dem Architekten Jan Kleihues erbaut. Die Brüstungsbänder unterhalb der rahmenlosen eingelassenen Fenster verstärken die geschwungene Form des Gebäudedreiecks. Während die 18stöckige abgerundete Spitze mit ihren Vorsprüngen an die Hochhäuser der amerikanischen 1920er-Jahre-Moderne erinnert, schließen die abgestaffelten Flanken am Ende fast nahtlos an die traditionelle Berliner Blockrandbebauung an.

h3.Station 12.4: Kurfürstendamm 227-229 / Neues Kudamm Eck

An der Ecke zum Ku’damm hatte Otto Firle 1928 ein Wohnhaus der Gründerzeit zum Wäschehaus Grünfeld umgebaut, einem der renommiertesten Kaufhäuser Berlins in den 20er-Jahren. Die jüdische Familie Grünfeld musste ihr Haus 1938 weit unter Wert an Max Kühl verkaufen und emigrierte in letzter Minute. Das Haus wurde im Krieg weitgehend zerstört, stand aber als Behelfsbau bis zum Ende der 60er Jahre. Dann wurde das Gebäude abgerissen.
An seiner Stelle baute Senatsbaudirektor Werner Düttmann von 1969 bis 1972 das Kudamm-Eck, einen verschachtelten Baukomplex, der seinerseits 1998 abgerissen wurde.
Anschließend baute die Hamburger Architektengruppe Gerkan, Mark und Partner das 10-geschossige, 45 Meter hohe Geschäftshaus mit rundem Baukörper und niedrigerem wellenförmigen Sockelgeschoss. Das Haus beherbergt nun C&A und das Swissotel. Eine 70 Quadratmeter große elektronische Werbewand wurde an der Fassade zur Joachimsthaler Straße angebracht. Auf einem Vorsprung wurde das Skulpturenensemble “Das Urteil des Paris” von Markus Lüpertz aufgestellt. Rechts an der Ecke Augsburger Straße ist auf gleicher Höhe Paris zu entdecken.

Station 12.5: Joachimsthaler Platz

Der Joachimsthaler Platz wurde 1953 bis 1955 von Werner Klenke, Werner Düttmann und Bruno Grimmek gestaltet. Der Platz mit Verkehrskanzel, Telefonzellen, Kiosk und U-Bahn-Zugang ist ein Zeugnis der städtebaulichen Modernitätsvorstellungen der 1950er-Jahre. Damals wurde auch noch ein Parkplatz eingerichtet, wie es der Idee der autogerechten Stadt entsprach. Die Verkehrskanzel sollte an die berühmte Ampel am Potsdamer Platz von 1925 erinnern, sie verlor wegen der starken Verkehrszunahme bereits in den 1960er Jahren ihre Funktion.
Im Jahr 2002 wurde der Platz nach den Plänen des Zürcher Landschaftsarchitekten Guido Hager neu gestaltet. Am 19. Dezember 2003 wurde als Geschenk des Bauunternehmers Thomas Grothe die 27 m hohe Skulptur Pendelobelisk von Karl Schlamminger eingeweiht.
Der Obelisk befindet sich auf einer Kugel mit 3 m Durchmesser. Der Pendelobelisk lässt sich mit vereinten Kräften in Bewegung versetzen. Der 1935 in Deutschland geborene Künstler Karl Schlamminger hat in Istanbul und Teheran gelehrt. Seit 1979 lebt er in München. Skulpturen von Schlamminger gibt es weltweit in vielen Städten, darunter in Athen, Lissabon, London, Teheran, Riad, Salt Lake City, Leipzig und München. Der Pendelobelisk stellt nach Auskunft des Künstlers einen Widerspruch in sich dar, “denn seitdem Obelisken in den Himmel blicken, sind sie starr und unbewegt. Ein Pendel hingegen ist nach seiner Bewegung definiert.”
Ich möchte unseren Kiezspaziergang nicht beenden, ohne auf die Neueröffnung des Café Kranzlers hinzuweisen.
Der nächste Kiezspaziergang wird nicht von mir, sondern von dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister Carsten Engelmann geführt werden. Er beginnt am 11.3.2017 um 14 Uhr auf dem Amtsgerichtsplatz und geht über die Pestalozzi- und Schillerstraße zum Verborgenen Museum in der Schlüterstraße 70. Zum Amtsgerichtsplatz führen die Buslinien 309, M 49 und X 34. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachhauseweg und freue mich, Sie bei unserem Maispaziergang wiederzusehen.

Quellen: