Stolpersteine Berkaer Straße 31

Hausansicht Berkaer Str. 31

Diese Stolpersteine wurden am 4.12.2017 verlegt.

Stolperstein Hugo Heymann

HIER WOHNTE
HUGO HEYMANN
JG. 1881
MEHRFACH VERHAFTET
VON GESTAPO MISSHANDELT
TOT AN DEN FOLGEN
5.6.1938

Stolperstein Maria Heymann

HIER WOHNTE
MARIA HEYMANN
GEB. JUSSEN
JG. 1892
MIT HILFE
ÜBERLEBT

Hugo Heymann in Militäruniform

Hugo Heymann in Militäruniform

Hugo Heymann wurde am 31. Dezember 1881 in Mannheim als Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Andreas Heymann und dessen Ehefrau Dorothea geboren. Der Mädchenname seiner Mutter lautete Meringer. Dem Eintrag im Geburtsregister zu Folge waren beide Eltern „israelitischer Religion“.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurde Heymann zum Militär einberufen. Im Anschluss ging er offenbar nicht nach Mannheim zurück, sondern nahm in Berlin seinen Wohnsitz.

In den 1920er-Jahren lebte er in der Kufsteiner Straße 7 in Berlin-Schöneberg. Hugo Heymann war nach Auskunft seiner Witwe gelernter Kaufmann und hatte ein Hochschulstudium im Fach Chemie absolviert. Er spezialisierte sich auf die Herstellung von Fischsilber, bei der in einem chemischen Verfahren aus Fischschuppen die Perlenglanzpigmente herausgelöst werden. Auf Grundlage dieses Wissens und durch Kapitaleinsatz, der ihm durch eine elterliche Erbschaft ermöglicht wurde, entwickelte Heymann nach dem Ersten Weltkrieg neue Maschinen. Eine wichtige Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges von Hugo Heymann war seine kaufmännische Tätigkeit. Am 3. März 1920 gründete er gemeinsam mit den Kaufleuten Norbert Regensburger und Jacob Feitel, die er vermutlich noch aus Mannheim kannte, die Regensburger & Co. Kommanditgesellschaft. Zweck der Gesellschaft sollte der „Vertrieb von Waren aller Art, insbesondere deren Im- und Export“ sein.

Am 20. August 1927 heiratete Hugo Heymann im Alter von 45 Jahren in London Maria Gertrud Jussen. Sie kam am 3. Dezember 18924 in Priesterath, in der Gemeinde Jüchen im Rheinland, als Tochter des Bauern und Tagelöhners Lorenz Jussen und dessen Ehefrau Sophia geborene Weimar, zur Welt. Beide Eltern waren katholischen Glaubens. Einen Beruf erlernte Maria Gertrud Jussen nicht. Im Ersten Weltkrieg war sie aber als Krankenschwester bei den Johannitern tätig. Den Umstand, dass sie niemals eine Berufstätigkeit ausgeübt hatte, erklärte Maria Heymann u.a. damit, dass es „für eine Frau neben dem vermögenden und sehr gut verdienenden Ehemann gesellschaftlich unüblich“ gewesen sei, erwerbstätig zu sein. Sie habe sich „um geschäftliche Dinge nicht gekümmert“.

Pücklerstraße 14 um 1933

Ein Jahr vor der Eheschließung hatte Hugo Heymann die noch im Bau befindliche Villa in der Pücklerstraße 14 in Berlin-Dahlem erworben. Bei der Villa handelt es sich um die heutige Dienstvilla des Bundespräsidenten. Für Maria Jussen muss die Heirat mit Hugo Heymann einen enormen sozialen Aufstieg bedeutet haben, der sich wenige Jahre später, durch die Verfolgung während des Nationalsozialismus, in einen rasanten Abstieg verwandeln sollte.

Nur acht Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, am 7. Februar 1933, verkaufte Heymann das Anwesen in der Pücklerstraße 14 an den Zeitungsverleger Waldemar Gerber.
Nach langwierigen Verhandlungen konnte Gerber den Kaufpreis von den ursprünglich von Heymann verlangten 120.000 RM auf 86.000 RM herunterdrücken. Im Anschluss an die Verhandlungen sei Hugo Heymann „völlig erschöpft“ gewesen und habe sich beklagt, er habe noch niemals mit solchen Leuten verhandelt, „sie nutzen meine Lage aus, weil ich Jude bin“.

Das Ehepaar Heymann bezog nun eine Achtzimmerwohnung in der Berkaer Straße 31 in Berlin- Schmargendorf. In den folgenden Jahren beeinträchtigte die antisemitische Politik des NS- Regimes nicht nur Heymanns berufliche Existenz, sondern zwang ihn auch zur Liquidierung seines in Immobilien angelegten Vermögens. Laut Aussagen aus dem Familienkreis wurde Hugo Heymann mehrfach von den NS-Behörden verhaftet und gefoltert. Als sich das Ehepaar im Herbst/Winter 1937 endgültig zur Emigration entschloss, löste man den Hausstand auf und bezog das Hotel Savoy in der Fasanenstraße 9 in Berlin-Charlottenburg. Am 4. Juni 1938 wurde Hugo Heymann jedoch wegen einer Urämie (Harnstoffvergiftung) in das St. Gertrauden-Krankenhaus eingeliefert, wo er einen Tag später im Alter von 57 Jahren verstarb. Seine Witwe, Maria Heymann, war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls gesundheitlich in einer schlechten Verfassung, hatte keine Wohnung und das einst so große Vermögen war „durch die Verluste in der Judenverfolgung“ nahezu restlos aufgebraucht.

Die Witwe zog zunächst vom Hotel Savoy in eine Pension. Anschließend wohnte sie zur Untermiete bei einer Frau von Putlitz in der Berliner Straße in Charlottenburg.

Am 13. Dezember 1938, sechs Monate nach dem Tod ihres ersten Ehemannes, Hugo Heymann, heiratete Maria Heymann auf dem Standesamt Berlin-Wilmersdorf ihren Anwalt, Karl Kaps, geboren am 7. Oktober 1903 in Breslau. Gegenüber den Behörden nach dem Krieg beschrieb sie die Ehe mit Karl Kaps mehrfach als eine Art Schutzehe, durch die sie eine weitere Verfolgung hatte abwenden wollen. Zu vermuten ist, dass sie die Ehe mit ihrem Anwalt aber auch deswegen einging, weil sie andernfalls auf sich allein gestellt gewesen wäre.

Knapp anderthalb Jahre nach der Eheschließung mit Karl Kaps, am 3. Mai 1940, brachte Maria Heymann/Kaps in Berlin den gemeinsamen Sohn Peter zur Welt. Im November 1943 wurde die Wohnung der Familie Kaps in der Landgrafenstraße 3 bei einem Bombenangriff zerstört. Auch die Anwaltskanzlei von Karl Kaps, Unter den Linden 34, wurde getroffen. Daraufhin zogen die Kaps nach Schräbsdorf im Landkreis Frankenstein in der preußischen Provinz Schlesien, wo sie vor den alliierten Bomben sicher waren. In Schräbsdorf oblag Karl Kaps die Verwaltung des örtlichen Ritterguts. Zuvor scheint Karl Kaps Teilhaber einer Anwaltskanzlei in Warschau gewesen zu sein, wo er Zeugenaussagen zufolge mehrere Polen aus dem Konzentrationslager befreite.

Nach dem Sieg der Alliierten über das NS-Regime wurden die Kaps im April 1946 als Deutsche aus Schlesien vertrieben. Maria Heymann/Kaps und Karl Kaps fanden zunächst in Eilvese im Kreis Neustadt am Rübenberge eine Unterkunft. Ein gutes halbes Jahr später zog das Ehepaar nach Roxel im Kreis Münster. Auf der Meldekarte im Stadtarchiv Münster sind zwei weitere Wohnortwechsel vermerkt. 1947 bezog die Familie Kaps eine Wohnung bei Freiherrn von Twickel in Havixbeck. 1952 stellte Karl Kaps dann in Roxel einen Ansiedlungsantrag für den Bau eines Wohnhauses an der Landstraße zwischen Roxel und Münster. Der Antrag wurde bewilligt, und die Familie konnte im Dezember 1954 ihr neues Eigenheim in Roxel beziehen. Nach Flucht, Vertreibung und jahrelangem Wohnen zur Untermiete kam die Familie Kaps hier zu Ruhe. Das selbst erbaute Haus wurde zum Altersruhesitz des Ehepaars Kaps. Maria Heymann/Kaps verstarb dort am 7. April 1972 und ihr Mann Karl Kaps am 23. Oktober 1974.

Karin Sievert – Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Die Biografie wurde – mit unwesentlichen Änderungen und der Genehmigung der Autorin und des Autors – dem „Forschungsbericht zum Ehepaar Hugo Heymann und Maria Heymann/Kaps“ entnommen.

Prof. Dr. Michael Wildt, Dr. Julia Hörath: Forschungsbericht zum Ehepaar Hugo Heymann und Maria Heymann/Kaps Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Fotos stammen aus Münster aus dem Nachlass von Peter Kaps, dem Sohn von Karl Kaps und Maria Heymann, später Kaps.

weitere Infos über den Dienstsitz des Bundespräsidenten finden Sie unter: https://www.bundespraesident.de/DE/Die-Amtssitze/Schloss-Bellevue/Dienstvilla-Berlin-Dahlem/Dienstvilla.html

Zur Erinnerung an die Vorbesitzer Hugo und Maria Heymann gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Gedenktafel in Auftrag, die im Juni 2018 vor der Dienstvilla enthüllt wurde.

Zur Erinnerung an die Vorbesitzer Hugo und Maria Heymann gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Gedenktafel in Auftrag, die im Juni 2018 vor der Dienstvilla enthüllt wurde.