Stolpersteine Trautenaustr. 14

Hauseingang Trautenaustr. 14, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Hauseingang Trautenaustr. 14, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Alle hier zu sehenden Stolpersteine wurden am 28.06.2011 verlegt und von der GESOBAU AG, Berlin, gespendet.

Stolperstein Rosa Bohm, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Stolperstein Rosa Bohm, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

HIER WOHNTE
ROSA BOHM
GEB. ZACHART
JG. 1870
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.09.1942

Stolperstein Carl Stanislaus, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Stolperstein Carl Stanislaus, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

HIER WOHNTE
CARL STANISLAUS
JG. 1873
DEPORTIERT 24.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 19.11.1942

Stolperstein Meta Stanislaus, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Stolperstein Meta Stanislaus, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

HIER WOHNTE
META STANISLAUS
GEB. FISCHER
JG. 1879
DEPORTIERT 5.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.10.1944
AUSCHWITZ

Stolperstein Clara Löwenberg, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

Stolperstein Clara Löwenberg, Foto: A. Bukschat & C. Flegel, 25.03.2012

HIER WOHNTE
CLARA LÖWENBERG
GEB. HAMM
JG. 1860
DEPORTIERT 14.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 19.9.1942
TREBLINKA

Carl und Meta Stanislaus waren noch verheiratet, als sie in der Trautenaustraße 14 lebten. Jedoch ließen sie sich im Sommer 1941 scheiden und gaben ihre gemeinsame Wohnung auf. Er zog in die Helmstedter Straße 23, als Untermieter für 135 Reichsmark (RM) zu Cohn, wobei es sich vermutlich um Meta oder Elisabeth Cohn handelte, die beide 1942 deportiert und ermordet worden sind.
Carl Stanislaus, der am 25. November 1872 in Aachen geboren ist, gab in seiner Vermögenserklärung als Religion „evangelisch“ an und wurde als „Geltungsjude“ eingeordnet. So hießen im Nazi-Jargon „Mischlinge“ oder „Halbjuden“, die Nachkommen von mindestens zwei jüdischen Großeltern waren und genauso diskriminiert wurden wie „Volljuden“.
Stanislaus bezog eine Pension der Reichsbahn, wo er Regierungs- und Baurat gewesen war, von 311,22 RM. Im Aktendeckel der beim Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam über ihn vorhandenen Unterlagen wurde am 31.8.1946, also nach dem Zweiten Weltkrieg, handschriftlich eingetragen: „angefallenes Vermögen 25.084,35 RM“ und „Ausgabe: Sterbekasse 169,35 RM“. Wer diesen Vermerk anbrachte und zu welchem Zweck, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise wurde er angelegt, als der Sohn Karl-Heinz Stanislaus, der nach Holland geflüchtet war, Rückerstattungsansprüche stellte.
Die „Rückerstattungssache“ bezog sich auf eine Wohnung in der Konstanzer Straße 11, wo Meta Stanislaus, geb. Fischer, geboren am 28. Juli 1879 in Amsterdam, etwa ein Jahr lang nach der Scheidung bis zu ihrer Deportation untergekommen war. Ob ihr diese Wohnung gehörte, die am 2.10.1942 „geräumt“ wurde und in der sich Gegenstände befanden, die einen „Verkaufserlös von 320,60 RM“ erzielten, ist allerdings fraglich.
Aus der Vermögenserklärung von Carl Stanislaus, die er am Tag vor seiner Deportation ausfüllen musste, lässt sich entnehmen, dass er Schulden hatte und Hypotheken aufgenommen hatte. Inventar aus seinem gemieteten Zimmer sei „nicht vorhanden“. Am 24. Juli 1942 ist er mit dem „29. Alterstransport“ in einem regulären Zug vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert worden.
Zwischen diesem Tag und seinem Tod, der am 19. November 1942 in Theresienstadt registriert ist, begann ein Amtsbriefwechsel mehrerer Behörden und der Deutschen Bank, in dem es um zwei Monate Pensionszahlungen ging. Dieser von Nazi-Bürokraten in grausamer Sprache formulierte Zank um Geld ist im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam dokumentiert, wo die Vermögensakten von Carl und Meta Stanislaus lagern.
Am 4.11.1942 schrieb das Reichsbahn-Zentralamt Berlin an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg: „Da St bereits am 24.7.1942 nach Theresienstadt amtlich abgemeldet worden ist, bitten wir Sie zu veranlassen, dass der für die Monate August und September 42 von uns an St noch zu zahlende Betrag von 2 × 311 RM 11 Rpf von der Deutschen Bank, Berlin-Wilmersdorf, Hohenzollerndamm 198, unserer Hauptkasse zurücküberwiesen wird.“ Da sich offenbar nichts tat, folgte am 15.1.1943 ein handschriftliches „Kanzleischreiben“ an die Deutsche Bank, in dem verlangt wurde, Auskunft über die Eingänge dieser Beträge zu geben. Das Finanzamt Wilmersdorf-Süd teilte daraufhin dem Oberfinanzpräsidium mit: „Der Jude Klar Stanislaus, früher wohnhaft gewesen Trautenaustraße 14, ist am 24.7.1942 nach Theresienstadt überführt worden. Es bestehen hier noch Reste an Vermögen und Kirchensteuer 1942 im Betrage von insgesamt 188,28 RM. Reichsfluchtsteuer ist noch nicht festgesetzt worden. Bei der Deutschen Bank sind als Sicherheit verpfändet 4.200 RM Deutsche Reichsschatzanweisungen. Ich bitte um Verwertung und Überweisung ….“
Kaum zu glauben, dass sich die Beamten, die für die Deportation von Stanislaus Vokabeln wie „amtlich abgemeldet“ und „überführt“ verwendeten, nicht gewusst haben, was wirklich mit ihm geschehen war. In einem Bericht der „Sterbekasse der höheren Beamten – Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“ vom 2.2.1943 hieß es verniedlichend unter Punkt 4: „Reg.- u. Baurat a.D. Carl Israel Stanislaus … ist lt. Mitteilung der Geheimen Staatspolizei nach Theresienstadt evakuiert.“ Und auch bei der Deutschen Bank muss jemand Bescheid gewusst haben, denn sie teilte am 2.3.1943 dem Oberfinanzpräsidenten mit: „… haben wir das Guthaben von 3.091,43 RM an die Oberfinanzkasse Berlin-Brandenburg … überwiesen.“
Meta Stanislaus hat in ihrer Vermögenserklärung vom 3. August 1942 angegeben, dass sie bei Henny Frankenschwerdt „1 Zimmer leer“ für 61 RM bewohnte. Henny Frankenschwerdt, geboren am 20. August 1899, ist am 29. November 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden.
Außerdem hat Meta Stanislaus ein Guthaben von 6000 RM auf einem Konto der Deutschen Bank eingetragen. Der Wert des Inventars ihres Zimmers wurde auf 443 RM geschätzt, der „Händlereinkaufspreis“ wurde von der dafür zuständigen Stelle mit dem voluminösen Namen „Wirtschaftsgruppe Einzelhandel, Zweckgemeinschaft Gebrauchtwarenhandel, Reichsgeschäftsstelle, Berlin W 35, Potsdamer Str. 74“ am 23.9.1942 „aufgrund der Schätzungsblätter“ auf 320,60 RM festgesetzt. Darunter befand sich „1 Eisbär (Kühlkasten)“, der auf 15 RM taxiert war. Eine Quittung, dass das Inventar von einem Vollziehungsbeamten (Name nicht lesbar) an den Einzelhändler Rudolf Sebik (oder Sedlik) übergeben wurde, datiert vom 2.10.1942.
Einige Zeit später – Meta Stanislaus war am 5. August 1942 mit dem so genannten „37. Alterstransport“ in einem Waggon mit 50 Menschen vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert und mittlerweile nach Auschwitz weitertransportiert worden, wo sie am 23. Oktober 1944 umgebracht wurde – gab es ein Nachspiel. Die Spedition von Hans Hoffmann in der Jahnstraße 7 wollte auf dem Rücken des Opfers noch ein Geschäft machen und stellte am 2.5.1943 eine Rechnung an die Vermögensverwaltungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg über 154 RM aus, zu deren Begründung es hieß: „Auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Berlin, … stelle ich Antrag auf Schadenersatz für die in der Wohnung der oben Genannten verbliebenen und nicht zurückerhaltenen Leihkoffer lt. Leihschein Nr. 137.“ Nach mehreren Erinnerungen und Mahnungen verweigerte der OFP aber mit Schreiben vom 21.10.1943 die Zahlung: Dem Antrag könne „nicht entsprochen werden“, denn „wem sie (die Leihkoffer) von der Jüdin weitergegeben worden sind, konnte nicht festgestellt werden“. Wie dieses peinliche Kapitel endete, ist nicht dokumentiert.
Zur Erinnerung an Carl und Meta Stanislaus sind, auch wenn sie am Ende ihres Lebens getrennte Wege gingen und einzeln in den Tod geschickt wurden, Stolpersteine an dem Ort gelegt worden, wo sie und ihr überlebender Sohn Karl-Heinz zusammen gewohnt hatten.

Rosa Bohm , geb. Zachart, ist am 23. September 1870 geboren. Als die jüdische Berlinerin, die Rosi genannt wurde, 1942 im Alter von fast 72 Jahren ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, war sie verwitwet. Wegen einer schweren Erkrankung hatte sie ihre Wohnung in der Trautenaustraße 14, wo sie am Stichtag der Volkszählung, dem 17. Mai 1939, als Untermieterin bei Kasche gemeldet war, verlassen müssen und zog in die Sybelstraße 68 zu einer Frau Bromberg, die sie pflegte.
Am 11. September 1942 musste sie wie alle Juden den 16seitigen Vordruck einer „Vermögenserklärung“ abgeben. Mit Bleistift ist auf der ersten Seite dieses Formulars der Vermerk eingetragen: „Angaben der Frau Bohm ungenau, da krank.“ Rosa Bohm war bereits so schwach, dass sie auch nicht mehr selbst unterschreiben konnte, dies tat an ihrer Stelle ein Mann namens Fritz Israel Tichauer, dessen Wohnort ebensowenig bekannt ist wie das Datum seiner Deportation, der am 4. Dezember 1942 im polnischen Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden ist. Tichauer notierte neben seinem Namen: „Unterschrift kann nicht gegeben werden, da krank.“
Unter den im Brandenburgischen Landeshauptarchiv abgehefteten Unterlagen über Rosa Bohm befindet sich auch ein „Schätzungsblatt“ zur Bewertung ihrer Habe, worauf vermerkt ist: „Kein Inventar vorhanden“, was vom Beauftragten der „“Wirtschaftsgruppe Einzelhandel“ Erich Lübke mit Unterschrift bestätigt wurde. Obwohl die raffgierigen Nazis bei der einsamen, alten, armen und kranken Rosa Bohm also nichts holen konnten, fertigte der Gerichtsvollzieher Dewitz aus Weißensee am 17.2.1943 eine „Kostenrechnung“ aus, mit der er für einen „Schätzungswert ./.“, also null, „Gebühren, Schreibgebühr und Fahrkosten“ in Höhe von 2,50 Reichsmark erhob, die er bei der Behörde des Finanzpräsidenten Berlin-Brandenburg geltend machte. Hiermit war für die nationalsozialistischen Mörder die Akte Rosa Bohm abgeschlossen.
Mehr über ihr Leben ist aus den spärlichen Überbleibseln nicht zu entnehmen. Es endete mit dem Transport in den sicheren Tod am 14. September 1942. Etwa tausend Menschen, nach der Erinnerung einer Überlebenden „das ganze Altersheim Iranische Straße 3, das Taubstummen- und Blindenheim Weißensee und hunderte von Einzelpersonen“, saßen in eng gedrängt in diesem Zug, der vom Güterbahnhof Berlin-Moabit an der Putlitzstraße in das böhmische Ghetto Theresienstadt startete und dort am nächsten Tag ankam. Die Nazis nannten ihn „2. Großer Alterstransport“. Nach der qualvollen Fahrt hat Rosa Bohm ihren 72. Geburtstag wohl noch im Ghetto erlebt. Ihr Todestag war der 25. September 1942.