Stolpersteine Konstanzer Straße 3

Hauseingang Konstanzer Str. 3

Hauseingang Konstanzer Str. 3

Der Stolperstein für Regina Deutsch wurde am 21.10.2004 verlegt.

Der Stolperstein für Amalie Ritterband wurde am 07.06.2011 verlegt.

Die Stolpersteine für Elise und Richard Moses wurden am 17.05.2017 verlegt.

Im Haus Konstanzer Straße 3 waren am Stichtag der Volkszählung am 17. Mai 1939 noch 16 jüdische Bewohner/innen gemeldet, die zwischen 1941 und 1943 deportiert und ermordet worden sind. Die älteste von ihnen war 1865 geboren, der jüngste 1938.

Stolperstein Regina Deutsch, 06.04.2012

Stolperstein Regina Deutsch, 06.04.2012

HIER WOHNTE
REGINA DEUTSCH
GEB. WAGNER
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET SEPT.1942
IN TREBLINKA

Regina Deutsch geb. Wagner wurde am 26. Dezember 1872 in Frankenstein in Schlesien geboren. Sie war mit Gerson Deutsch verheiratet, der in Berlin ein Sackverleihgeschäft hatte und in den 1920er Jahren gestorben ist. Sie hatte keine Kinder und führte nach dem Tod ihres Mannes die einträgliche Sackhandlung. Im Adressbuch blieb sie zunächst in Mitte in der Schmidstraße 5 registriert, unterschiedlich als „Eigentümerin“ oder als „Geschäftsinhaberin“. Seit Anfang 1939 war sie Besitzerin der Konstanzer Straße 3 in Wilmersdorf und auch hier gemeldet, wo sie im 2. Stock links des Vorderhauses wohnte.

Die Wohnung in dem mit Fahrstuhl ausgestatteten Haus an der Konstanzer Straße hatte fünf Zimmer und einen Balkon sowie eine – wie es zu jener Zeit hieß – „Mädchenkammer“. Untermieterinnen bei Regina Deutsch waren in je einem Zimmer Paula Cohn, die 75 Reichsmark Miete zahlte, und Clara Wedel, die „mit Waschgelegenheit“ 45 RM bezahlte – beide „Küchenbenutzung und Bedienung inclusive“, schrieb die Vermieterin in ihrer „Vermögenserklärung“, die sie 1942 in der Sammelstelle für zur Deportation vorgesehene Jüdinnen und Juden abliefern musste. „Die Untermieter gehören der jüdischen Raße an“, fügte sie hinzu, wobei sie „Raße“ mit ß schrieb.

Regina Deutsch muss einigermaßen wohlhabend gewesen sein. Sie überwies monatlich einen „außerordentlichen Beitrag“ an die Jüdische Kulturvereinigung in Höhe von 255 Reichsmark und zusätzliche Spendenbeträge.

Die am 19. September 1894 geborene Hausangestellte Ida Neumann (die vermutlich in der „Mädchenkammer“ logierte) sei seit 1915 „bei mir in Stellung und meine Hausgenossin“, schrieb Regina Deutsch in einem „Sicherungsübereigungsvertrag“, den sie 1939 im Büro des Rechtsanwalts Hans-J. Teusner in der Rankestraße 36 aufsetzen ließ und den dessen Vertreter Alfons Roth unterschrieb.

Insgesamt hatte Regina Deutsch demnach von ihrer Haushälterin Darlehen von 5 400 Reichsmark für das Haus, einen neuen Heizkessel und für ihre „Zahlungen als Jüdin“ aufgenommen, wie der Anwalt darlegte. Beim Oberfinanzpräsidenten legte Ida Neumann, die offensichtlich keine Jüdin war, eine Beschwerde über einen „schroff auftretenden“ Beamten ein, der die Rückzahlung „irrtümlich und unberechtigt“ verweigert habe. Die Reichsfinanzverwaltung schätzte die reichhaltige Einrichtung und den Hausrat auf 2 300 RM. Alles wurde „im Falle meiner Auswanderung“ als „Sicherung“ an Ida Neumann übertragen.

Die Verwalterin Gertrud Sy, Rönnestraße 15, deren Mann Armand Sy dort eine Drogerie hatte, beantragte 1942 für „die abgewanderte Jüdin Regina Sara Deutsch“ sowie für weitere „Judenwohnungen“ (Lein, Hirschfeld, Aronheim) 309 RM Mietausfall. Regina Deutsch sei „nach Theresienstadt evakuiert worden. Ihr Vermögen wurde wegen Volks- und Staatsfeindlichkeit eingezogen“, stand in einem Vermerk der Geheimen Staatspolizei vom 11.8.1943 (Unterschrift: i.A. Bange).

Deportiert wurde Regina Deutsch zunächst vom Anhalter Bahnhof am 9. September 1942 mit 100 Menschen nach Theresienstadt und ins Ghetto gesperrt. Von dort wurde sie 20 Tage später, am 29. September 1942, nach Treblinka ins Vernichtungslager weitertransportiert und dort wie alle der 2001 Insassen, von denen niemand überlebte, kurz vor ihrem 70. Geburtstag ermordet.

Von Paula Cohn sind keine Lebens- und Todesdaten bekannt. Clara Wedel, geboren am 8. Mai 1898 in Berlin, wurde am 29. Januar 1943 in Auschwitz umgebracht.
Die Wohnung wurde von dem Nazi-treuen Staatsbeamten Oberregierungsrat Gerhard Ady übernommen, der beim „Reichskommissariat für die besetzten niederländischen Gebiete“ im Generalreferat tätig war. Das Haus sei „nunmehr Eigentum des Reiches geworden“, vermerkte er und erkundigte sich am 15.9.1943 in einem Brief beim Oberfinanzpräsidium, wohin er die Miete überweisen solle.

Recherche/Text: Helmut Lölhöffel.
Quellen: Bundesarchiv, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Berliner Adressbuch, Theresienstadt-Archiv.

Stolperstein Amalie Ritterband, 06.04.2012

Stolperstein Amalie Ritterband, 06.04.2012

HIER WOHNTE
AMALIE RITTERBAND
GEB. KAMNITZER
JG. 1877
DEPORTIERT 11.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 11.6.1944

Amalie Ritterband geb. Kamnitzer wurde am 16. Januar 1877 in Gilgenburg in Ostpreußen geboren. Ihre Eltern hießen Joseph Kamnitzer und Paula geb. Becker. Die Familie wohnte in Osterode in Ostpreußen. Verheiratet war sie mit Dr. Samuel Ritterband, der 1940 gestorben ist. Sie hatten eine Tochter Susanne, die nach Palästina flüchten konnte. Nach der Emigration der Tochter und dem Tod ihres Mannes stand sie allein und musste ihre Wohnung zwangsweise verlassen und in die Jenaer Straße 22 ziehen.

Am 11. August 1942 ist sie vom Anhalter Bahnhof mit 100 Menschen nach Theresienstadt deportiert worden, wo sie noch fast zwei Jahre unter grauenvollen Bedingungen aushalten musste. Am 11. Juni 1944 ist Amalie Ritterband ums Leben gebracht worden.

1973 haben die Tochter Susanne Crohn geb. Ritterband und später die Enkelin Reza Bekher im Holocaust-Memorial Yad Vashem Gedenkblätter an ihre Mutter und Großmutter Amalie Ritterband hinterlassen.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.
Quellen: Bundesarchiv, Archiv Theresienstadt, Zentralarchiv Yad Vashem.

Stolperstein Elise Moses

HIER WOHNTE
ELISE MOSES
GEB. PORTHEIM
JG. 1873
DEPORTIERT 29.1.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Elise Portheim kam am 2. August 1873 in Fürstenberg/Mecklenburg als die jüngste von drei Töchtern des Kaufmanns Louis Portheim (1839–1918) und seiner Ehefrau Rikchen (Friederike) geb. Liebenthal (1847–1920) auf die Welt. Die beiden Schwestern Rosa und Agnes waren 1869 und 1870 geboren worden. – Fürstenberg, das heute zu Brandenburg gehört, liegt an der Mecklenburgische Seenplatte. (Während der NS-Diktatur befand sich dort das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.) Die Familie der Mutter von Elise Portheim gehörte zu den alten jüdischen Familien der Stadt. Ihre Eltern lebten – seit wann bleibt unklar – in der Kleinstadt Friedland, ebenfalls in Mecklenburg.

Elise Portheim war mit dem Kaufmann Richard Moses verheiratet, geboren 1872 in Altenwedel, einem Dorf in der Provinz Pommern. Altenwedel (heute Sicko/Polen) liegt ungefähr 60 km von Stettin (heute Szczecin/Polen) entfernt im Kreis Saatzig. Dort und in dem nahen Dorf Ball (heute Biała/Polen) lebten nur sehr wenige Juden. Zu ihnen gehörte die Familie Moses.

Richard und Elise Moses hatten keine Kinder. Bis ungefähr 1914 besaß das Ehepaar ein Manufakturwarengeschäft in Guben an der Neiße, heute als Guben in Brandenburg und Gubin in Polen eine Grenzstadt. Dann zogen sie in das nicht weit entfernte Crossen an der Oder (heute Krosno Odrzańskie/Polen), wo sie bis zum Herbst 1938 in der Glogauerstraße 5 lebten.

Elise Moses (oder das Ehepaar, dies bleibt unklar) war die Besitzerin von Grundstück und Haus und außerdem Inhaberin eines Textilgeschäftes mit dem Namen „Modebazar“. Der Großneffe Klaus Peter Wagner (Enkel ihrer Schwester Agnes) erinnerte sich später an ein Geschäft im Erdgeschoss des Hauses und an Wohnungen in zwei oder drei Etagen. In einer der Wohnungen lebte das Ehepaar Moses, die anderen waren vermietet. Die Geschäfte gingen gut.

Die Schwestern heirateten ebenfalls: Rosa Portheim lebte später mit ihrem Ehemann Emil Jacob und drei Kindern im nicht weit entfernten Stavenhagen. Sie starb 1928. Die Schwester Agnes blieb in Friedland und heiratete den Kaufmann Siegfried Schlawanski. Sie bekam 1895 ihr einziges Kind, die Tochter Lotte. Ihr Ehemann besaß ein Geschäft für Accessoires wie Hüte und Gürtel. Nach seinem Tod im Dezember 1927 führte Agnes Schlawanski das Geschäft allein weiter. Ihre Tochter Lotte, die den Kaufmann Waldemar Wagner geheiratet hatte, lebte in der Giesebrechtstraße 15 in Berlin.

In Crossen lief das Geschäft von Richard und Elise Moses nach 1933 immer schlechter und wurde (nur noch?) als Etagengeschäft geführt. Während des Pogroms im November 1938 wurde der Laden schließlich zerstört und das Warenlager geplündert. Ehemann Richard Moses, der Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Crossen war, wurde schwer misshandelt.

Elise und Richard Moses schlossen das Geschäft und flohen nach Berlin. Ähnlich erging es Elises Schwester Agnes Schlawanski: Sie hatte ihr Geschäft in Friedland bereits 1933 geschlossen und war in Berlin bei ihrer Tochter Lotte, als 1938 ihre Wohnung in Friedland zerstört und geplündert wurde. Daraufhin verkaufte sie ihren Besitz und zog ganz zur Familie der Tochter in die Giesebrechtstraße.

Nach der Erinnerung des Großneffen wohnte das Ehepaar Moses vom September 1938 bis zur Deportation 1942 in der Konstanzer Straße 3 in Berlin-Wilmersdorf in einer 3-Zimmer-Wohnung im 2. Stock des Gartenhauses. Allerdings wird in der Volkszählung vom Mai 1939 das Dorf Ball als Wohnsitz des Ehepaares angegeben. Hier wohnten Ida Moses, verheiratete/verwitwete Pless und bis 1938 die Geschäftsinhaberin Clara Moses. Das Haus in der Konstanzer Straße 3 in Berlin gehörte Regina Deutsch, einer Schwester von Waldemar Wagner, dem Ehemann der Nichte Lotte. Sie wohnte im 2. Stock des Vorderhauses. –
In dem Haus lebten zuletzt auch Ida Pless und die im Jahr 1900 in Ball geborene Lilly Pless. So blieb die Familie beieinander.

Im frühen Herbst 1942 begann die Deportation der Familienmitglieder: Die Schwägerin Agnes Schlawanski wurde am 2. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, eine Woche später folgte ihr Regina Deutsch und am 14. September 1942 Ida Pless. Alle drei wurden ermordet. Die Nichte Lotte Wagner, ihr Ehemann Waldemar und ihre Tochter Lissy wie auch Lilly Pless starben 1943 in Auschwitz. Es überlebte allein Klaus Peter Wagner (1923–2019), der von seinen Eltern mit einem Kindertransport nach Großbritannien geschickt worden war. Er konnte später vom Leben der Familie berichten.

Elise Moses wurde am 29. Januar 1943 mit ihrem Ehemann nach Theresienstadt deportiert. Richard Moses starb am 11. Januar 1944 in Theresienstadt. Elise Moses wurde am 16. Mai 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Quellen:
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Deutsches Reichs-Adressbuch für Industrie, Gewerbe und Handel, 1902-1903, 1. Band, Provinz Pommern
Norbert Francke / Bärbel Krieger,: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
Norbert Francke/Bärbel Krieger: Schutzjuden in Mecklenburg, Schwerin 2002
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
Daten/Grabsteine der Familie Portheim/Wagner in Friedland

Dr. Dietlinde Peters, Vorrecherchen Nachlass von Wolfgang Knoll
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin

Stolperstein Richard Moses

HIER WOHNTE
RICHARD MOSES
JG. 1872
DEPORTIERT 29.1.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 11.1.1944

Richard Moses wurde am 13. November 1872 in Altenwedel, einem Dorf in der Provinz Pommern, geboren. Altenwedel (heute Sicko/Polen) liegt ungefähr 60 km südöstlich von Stettin (heute Szczecin/Polen) im Kreis Saatzig. Dort und in dem nahen Dorf Ball (heute Biała/Polen) lebten nur sehr wenige Juden. 1871, kurz vor seiner Geburt, hatte das Dorf 612 Einwohner, die allermeisten waren evangelisch, es gab nur acht Katholiken und sechs Juden. (1925 gab es in Altenwedel nur noch einen einzigen Juden, in Ball drei.)

Zu den meist als Kaufleute auf dem Dorf lebenden Juden des Landkreises gehörte die Familie Moses. Ihr Zentrum scheint Hermann Moses gewesen zu sein, der mit Pauline Rubinstein verheiratet war und in Ball als Kaufmann lebte. Anfang des 20. Jahrhunderts verkaufte er dort „Gemischte Waren“, d.h. Lebensmittel, Haushaltswaren u.ä. – alles, was die Landbevölkerung brauchte und nicht selbst herstellen konnte. 1913 hatte Hermann Moses sich vergrößert: Er besaß eine Brennmaterialhandlung, eine Spezerei- und Drogenhandlung, eine Häute- und Fellhandlung und eine „Restauration“ – das Dorfgasthaus?

Seine Kinder kamen in Altenwedel auf die Welt und wohnten – wenn sie in der Heimat blieben – in Ball. 1871 wurde in Altenwedel Ida Moses geboren, die als Witwe Ida Pless noch 1939 in Ball wohnte und 1942 von Berlin aus deportiert und ermordet wurde. 1877 kam die Tochter Clara auf die Welt, die als Geschäftsfrau bis zuletzt in Ball blieb, aber 1938 in Berlin im Jüdischen Krankenhaus starb. 1882 wurde Hedwig geboren, die 1904 in (Berlin)-Charlottenburg den evangelischen Christen Heinrich Wesenack heiratete. 1888 wurde schließlich der Sohn Siegmund geboren, der ebenfalls nicht in Ball blieb.– Richard Moses scheint ein weiterer Sohn von Hermann Moses gewesen zu sein.

Verheiratet war Richard Moses mit der 1873 in Fürstenberg/Mecklenburg geborenen Elise Portheim. Sie war die jüngste von drei Töchtern des Kaufmanns Louis Portheim (1839–1918) und seiner Ehefrau Rikchen (Friederike) geb. Liebenthal (1847–1920), ihre beiden Schwestern Rosa und Agnes wurden 1869 und 1870 geboren.

Richard und Elise Moses hatten keine Kinder. Bis ungefähr 1914 besaßen die Eheleute ein Geschäft in Guben an der Neiße, heute als Guben in Brandenburg und Gubin in Polen eine Grenzstadt. Dann zogen sie in das nicht weit entfernte Crossen an der Oder (heute Krosno Odrzańskie/Polen), wo sie bis zum Herbst 1938 in der Glogauerstraße 5 lebten. Elise Moses (oder das Ehepaar, dies bleibt unklar) war die Besitzerin von Grundstück und Haus und außerdem die Inhaberin eines Textilgeschäftes mit dem Namen „Modebazar“. Der Großneffe Klaus Peter Wagner (der Enkel seiner Schwägerin Agnes) erinnerte sich später an ein Geschäft im Erdgeschoss des Hauses und an Wohnungen in zwei oder drei Etagen. In einer der Wohnungen lebte das Ehepaar Moses, die anderen waren vermietet. Die Geschäfte gingen gut.

Die verheiratete Schwägerin Rosa Portheim lebte später mit ihrer Familie im nicht weit entfernten Stavenhagen. Sie starb 1928. Die Schwägerin Agnes blieb in Friedland und heiratete den Kaufmann Siegfried Schlawanski. Sie bekam 1895 ihr einziges Kind, die Tochter Lotte. Nach dem Tod ihres Ehemannes im Dezember 1927 führte sie sein Geschäft weiter. Ihre Tochter Lotte, die den Kaufmann Waldemar Wagner geheiratet hatte, lebte in der Giesebrechtstraße 15 in Berlin.

In Crossen lief das Geschäft von Richard Moses nach 1933 immer schlechter und wurde (nur noch?) als Etagengeschäft geführt. Während des Pogroms im November 1938 wurde der Laden schließlich zerstört und das Warenlager geplündert. Der Rest der Waren musste „verschleudert“ werden.
Richard Moses, der Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Crossen war, wurde verhaftet und schwer misshandelt. Man (wer?) zwang ihn, den Platz, auf dem die in Brand gesteckte und vollständig zerstörte Synagoge gestanden hatte, der Stadt zu übereignen.

Richard und Elise Moses schlossen das Geschäft und flohen nach Berlin. Ähnlich erging es Richards Schwägerin Agnes Schlawanski, die ihr Geschäft in Friedland bereits 1933 geschlossen hatte: Sie war in Berlin bei ihrer Tochter Lotte, als ihre Wohnung in Friedland zerstört und geplündert wurde. Daraufhin verkaufte sie ihren Besitz und zog ganz zur Familie der Tochter.

Nach der Erinnerung des Großneffen wohnte das Ehepaar Moses vom September 1938 bis zur Deportation 1942 in der Konstanzer Straße 3 in Berlin-Wilmersdorf in einer 3-Zimmer-Wohnung im 2. Stock des Gartenhauses. Allerdings wird in der Volkszählung vom Mai 1939 das Dorf Ball als Wohnsitz des Ehepaares angegeben. Hier wohnten – noch immer? – die oben erwähnte Ida Moses verheiratete/verwitwete Pless und bis 1938 die Geschäftsinhaberin Clara Moses. Das Haus in der Konstanzer Straße 3 in Berlin gehörte Regina Deutsch, einer Schwester von Waldemar Wagner, dem Ehemann der Nichte Lotte. Sie wohnte im 2. Stock des Vorderhauses. –
In dem Haus lebten zuletzt auch Ida Pless und die im Jahr 1900 in Ball geborene Lilly Pless. So blieb die Familie beieinander.

Im frühen Herbst 1942 begann die Deportation der Familienmitglieder: Die Schwägerin Agnes Schlawanski wurde am 2. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, eine Woche später folgte ihr Regina Deutsch und am 14. September 1942 Ida Pless. Alle drei wurden ermordet. Die Nichte Lotte Wagner, ihr Ehemann Waldemar und ihre Tochter Lissy wie auch Lilly Pless starben 1943 in Auschwitz. Es überlebte allein Klaus Peter Wagner (1923–2019), der von seinen Eltern mit einem Kindertransport nach Großbritannien geschickt worden war. Er konnte später vom Leben der Familie berichten.

Richard Moses wurde am 29. Januar 1943 mit seiner Ehefrau Elise nach Theresienstadt deportiert. Er starb dort am 11. Januar 1944. Elise Moses wurde am 16. Mai 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Quellen:
Adressbuch aller Länder der Erde, der Kaufleute, Fabrikanten, Gutsbesitzer, Nürnberg 1913, nach Pommerndatenbank: Moses u.ä. In Ball, Kreis Saatzig
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Deutsches Reichs-Adressbuch für Industrie, Gewerbe und Handel, 1902-1903, 1. Band, Provinz Pommern
Norbert Francke / Bärbel Krieger: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
Norbert Francke/Bärbel Krieger: Schutzjuden in Mecklenburg, Schwerin 2002
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
Daten/Grabsteine der Familie Portheim/Wagner in Friedland

Dr. Dietlinde Peters, Vorrecherchen Nachlass von Wolfgang Knoll
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin