Stolpersteine Goethestraße 49

Hausansicht Goethestr. 49

Diese Stolpersteine wurden am 20. November 2021 verlegt.

Stolperstein Paul Max Eisner

HIER WOHNTE
PAUL MAX EISNER
JG. 1894
FLUCHT 1938
ARGENTINIEN

Paul Max Eisner wurde am 3. Januar 1894 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Isaak Eisner und Auguste Emilie geb. Labitzke. Er war Fleischermeister und besaß eine Großschlächterei für koscheres Fleisch.

Am 4. September 1909 heiratete er in der Synagoge an der Fasanenstraße in Berlin Gertrud Cohn. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat und wurde durch einen Kopfschuss verwundet. Dafür gestand man ihm eine Rente von 25 RM und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (M.d.E) in Höhe von 30% zu. Wegen dieser Kriegsverletzung konnte er seine Fleischfabrik nicht mehr weiter betreiben. Stattdessen arbeitete er als Vertreter für die Fleischfabrik EFHA in Berlin-Neukölln. Das Ehepaar wohnte in der Goethestraße 49. 1920 wurde die Tochter Doris und 1930 die zweite Tochter Eva geboren.

Am 13. Juni 1938 wurde Paul Max Eisner im Rahmen der sog. „Juni-Aktion Arbeitsscheu Reich“ von der Gestapo willkürlich verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Am 20. Juli 1938 wurde er entlassen mit der Auflage, Deutschland innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Aus Buchenwald kam er als körperlich und seelisch zerstörter Mensch zurück.

Karteikarte Buchenwald.

Karteikarte Buchenwald.

Er floh einen Tag nach seiner Entlassung mit seiner Tochter Doris nach Frankreich und wartete dort auf die Ankunft seiner Frau Gertrud mit Tochter Eva. Seine Frau löste vor ihrer Flucht die Wohnung in Berlin auf und kam mit Eva bei Verwandten unter, bevor sie drei Monate später nach Frankreich flüchten konnten.

Paul Max Eisner konnte für sich und seine Familie Visa für Paraguay bekommen. Mit einem Schiff von Cherbourg rettete sich die Familie über Uruguay nach Paraguay. Dort arbeitete er unter sehr schlechten Bedingungen im Innern des Landes auf einem Wochenmarkt als Fleischer. Da die Familie dort unmöglich weiterleben konnte, reisten sie nach acht Monate nach Argentinien und lebten dort als Illegale ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, aber immerhin etwas besser als vorher.

1949 erlitt Paul Max Eisner einen Gehirnschlag und konnte nicht mehr arbeiten. Er war Invalide. Er stellte in Deutschland einen Antrag auf Entschädigung für sich und seine Familie. U.a. beantragte er die Erhöhung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (M.d.E), sowie eine Erhöhung der Kriegsopferrente. Die Ärzte in Argentinien plädierten zwar auf 100% M.d.E, aber es wurden ihm nur 5% zugestanden – und das auch erst nach einem Widerspruch der Jewish Claims Conference. Das wirkte sich auf seine Rente nicht aus. Zudem zog sich die Bearbeitung dieser Anträge über Jahre hin, sodass er den Abschluss der Verfahren nicht mehr erlebte. 1958 erkrankte er nochmals schwer und verstarb am 17. Juli 1958 in Buenos Aires.

Max Paul Eisner.

Max Paul Eisner.

Die Regierung Adenauer hatte nach dem Zweiten Weltkrieg viele Naziverbrecher wieder in die Gesellschaft integriert, statt sie vor Gericht zu stellen und zu verurteilen. So kam es, dass Nazis, die vorher die „Entjudung“ Deutschlands betrieben hatten, nach dem Krieg für die sog. „Wiedergutmachung“ in den Entschädigungsämtern zuständig waren. Wenn man sich heute die Entschädigungsakten von damals ansieht, was übrigens jeder machen kann, dann bekommt man graue Haare. Da sind Randvermerke und Kommentare, wie „die wollen doch nur abstauben“, „so schlimm war es für die Juden doch nicht“ usw.

Hierzu ein Zitat von Fritz Bauer: „… noch Ende der 60er Jahre war die NSDAP mit über 70% im Bundestag vertreten“. Gemeint waren damit Mitglieder des Deutschen Bundestages unterschiedlicher Parteien, die immer noch der nationalsozialistischen Ideologie anhingen.

Recherche und Text: Helmuth Pohren-Hartmann, Stolperstein-Initiative Stierstraße, Berlin-Friedenau
Quellen: – Bundesarchiv – ITS Arolsen – Entschädigungsbehörde Berlin – Tagebuch von Eva Eisner (ins Deutsche übersetzt von ihrer Tochter Noemi Wertheimer)

Stolperstein Gertrud Eisner

HIER WOHNTE
GERTRUD EISNER
GEB. COHN
JG. 1894
FLUCHT 1938
ARGENTINIEN

Gertrud Eisner wurde am 10. Juli 1894 in Bromberg (heute Bydgoszcz, Polen) als Tochter des Bürobeamten Julius Cohn und seiner Frau Cäcilie geb. Fuchs geboren. Sie heiratete am 14. September 1919 den Fleischermeister Paul Max Eisner und hatte mit ihm zwei Töchter, Doris und Eva. Die Familie wohnte in der Goethestraße 49.

Bereits nach dem Tod von Gertruds Mutter im April 1937, begann die Familie ihre Flucht aus Deutschland zu betreiben. Paul Eisner wurde im Juni 1938 verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Sechs Wochen später wurde er als gebrochener und körperlich erheblich geschädigter Mann entlassen mit der Auflage, Deutschland binnen 72 Stunden zu verlassen. Er floh mit der älteren Tochter Doris Ende Juli 1938 nach Frankreich. Gertrud Eisner löste sie die Wohnung in der Goethestr. 49 auf und zog mit der Tochter Eva zu ihrem Cousin Horst Wolfsohn und dessen Frau Else in die Kantstraße 143.

Gertrud Eisner.

Gertrud Eisner.

Am 24. Oktober 1938 folgte Gertrud mit Eva ihrem Mann Paul und Tochter Doris nach Paris, wo die Familie wieder vereint wurde. Ihm war es gelungen, beim Konsulat Paraguays in Marseille Visa für die ganze Familie zu erlangen. Mit dem britischen Passagierschiff der Royal Mail Line „Asturias“ gelangte Familie Eisner vom Hafen Cherbourg aus nach Südamerika – zunächst nach Paraguay. Dort wurden sie in einem Ort weit ab von jeder Zivilisation angesiedelt, wo es ihnen sehr schlecht ging. Sie zogen sich Tropenkrankheiten zu und beschlossen im Juli 1939, nach Argentinien auszuwandern. Sie lebten illegal in Buenos Aires und arbeiteten zunächst ohne Arbeitserlaubnis und unter schlechten Bedingungen. Erst Jahre später wurde der Erlass aus dem Jahr 1938 aufgehoben, der jüdischen Menschen verbot, nach Argentinien einzuwandern.

Gertrud Eisner starb am 31. Mai 1962 in Buenos Aires.

Recherche und Text: Helmuth Pohren-Hartmann, Stolperstein-Initiative Stierstraße, Berlin-Friedenau
Quellen: – Bundesarchiv – Entschädigungsbehörde Berlin – Tagebuch von Eva Eisner (ins Deutsche übersetzt von ihrer Tochter Noemi Wertheimer)

Stolperstein Doris Eisner

HIER WOHNTE
DORIS EISNER
VERH. KOHN
JG. 1920
FLUCHT 1938
ARGENTINIEN

Doris Eisner wurde am 31. Mai 1920 als erste Tochter von Paul Max Eisner und seiner Frau Gertrud geb. Cohn in Berlin geboren. Sie hatte eine zehn Jahre jüngere Schwester Eva, die am 20. Januar 1930 geboren wurde.

Doris Eisner besuchte bis zur Untertertia das Fürstin Bismarck-Gymnasium – heute Ricarda Huch-Schule – in Charlottenburg und wechselte danach auf die Handelsschule in Tiergarten, denn als Jüdin war es ihr nicht erlaubt, bis zum Abitur auf dem Gymnasium zu bleiben. Nach der Handelsschule arbeitete sie als Kontoristin in einer Weinhandlung in Moabit.

Am 21. Juli 1938 flüchtete sie mit ihrem Vater, der mit der Auflage, Deutschland binnen 72 Stunden zu verlassen, aus der Haft im Konzentrationslager Buchenwald entlassen worden war, nach Frankreich.

  • Eisner, Paul und Doris Abmeldung

    PDF-Dokument (671.8 kB)
    Dokument: Entschädigungsakte, Landesarchiv Berlin

Die Mutter folgte mit der jüngeren Schwester Eva drei Monate später. Die Familie erhielt Visa für Südamerika und konnte sich noch in demselben Jahr über Frankreich und Uruguay nach Paraguay retten.

Vom Hafen Cherbourg aus reiste Familie Eisner mit dem britischen Passagierschiff „RML Asturias“ über viele Zwischenstationen nach Montevideo, Uruguay, wo sie nicht bleiben konnte, da die Visa für Paraguay galten. Von Uruguay wurden sie per Schiff weiter abgeschoben und erreichten über Argentinien schließlich Asunción, die Hauptstadt von Paraguay. Dort lebten die Eisners fern der Zivilisation unter unsäglichen Umständen und zogen sich Tropenkrankheiten zu. Deshalb emigrierten sie nach einiger Zeit weiter nach Argentinien, wo sie als „Illegale“ leben mussten. Ein Erlass von 1938 verbot es jüdischen Menschen, nach Argentinien einzuwandern. Die Familie ließ sich in Buenos Aires nieder und Doris arbeitete dort in einer Schokoladenfabrik.

Am 3. November 1940 heiratete Doris Eisner Johannes Kohn. Die Ehe blieb kinderlos. Johannes Kohn war ebenfalls aus Berlin geflohen. Einige seiner sieben Geschwister konnten ebenfalls fliehen. Für seine Eltern Isidor und Elise Kohn geb. Wohl, die am 3. Oktober 1942 mit dem sog. „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet wurden, liegen Stolpersteine in Berlin-Kreuzberg, Bergfriedstraße 6.Stolpersteine in Berlin | Orte & Biografien der Stolpersteine in Berlin Und auch an seine Nichte Gisela Kohn, die als neunjähriges Kind in Auschwitz ermordet wurde, wird mit einem Stolperstein erinnert. Stolpersteine in Berlin | Orte & Biografien der Stolpersteine in Berlin (stolpersteine-berlin.de)

Doris Kohn geb. Eisner, starb am 30. Januar 2003 in Buenos Aires.

Recherche und Text: Helmuth Pohren-Hartmann, Stolperstein-Initiative Stierstraße, Berlin-Friedenau
Quellen: – Bundesarchiv – Entschädigungsbehörde Berlin – Tagebuch von Eva Eisner (ins Deutsche übersetzt von ihrer Tochter Noemi Wertheimer)

Stolperstein Eva Eisner

HIER WOHNTE
EVA EISNER
VERH. WERTHEIMER
JG. 1930
FLUCHT 1938
ARGENTINIEN

Eva Eisner wurde geboren am 20. Januar 1930 als zweite Tochter von Paul Max Eisner und seiner Frau Gertrud geb. Cohn. Ihre Schwester Doris war zehn Jahre älter. Familie Eisner wohnte bis zu ihrer Flucht aus Deutschland 1938 in der Goethestraße 49 in Berlin-Charlottenburg.

Ab April 1936 besuchte Eva – trotz des seit 1933 geltenden „Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ – die staatliche „2. Volksschule“ in der Pestalozzistraße, da ihr Vater im Ersten Weltkrieg für sein Vaterland gekämpft hatte und schwer verwundet war. Sie durfte aber wg. ihres jüdischen Glaubens weder an Ausflügen noch an besonderen Veranstaltungen teilnehmen und wurde an solchen Tagen einfach nach Hause geschickt.

Die Eltern hatten frühzeitig die Gefahr erkannt, die ihnen durch die immer stärker werdenden Repressionen und Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes drohten, und bereiteten frühzeitig die Flucht aus Deutschland vor – zunächst ohne Erfolg. Nachdem der Vater Paul ab Juni 1938 im KZ Buchenwald inhaftiert war und sechs Wochen später mit der Auflage entlassen wurde, Deutschland binnen 72 Stunden zu verlassen, flüchtete er mit der älteren Schwester Doris nach Frankreich. Die Mutter blieb mit Eva in Berlin, löste die Wohnung in der Goethestraße 49 auf und kam mit ihr bei einem Cousin in der Kantstraße 143 unter. Dort lebten sie einige Monate, die Eva später in gar nicht so schlechter Erinnerung hatte. Als Achtjährige empfand sie die Restriktionen noch nicht als so bedrohlich und freute sich, dass sie mit ihrem Cousin spielen konnte.

  • Eisner, Eva - Entlassung der Schule

    PDF-Dokument (238.5 kB)
    Dokument: Familienbesitz

Foto der Schwestern Eisner mit Ehemännern.

Foto der Schwestern Eisner mit Ehemännern.

Am 24. Oktober 1938 folgten Gertrud Eisner und Eva dem Vater und der Schwester Doris in die Emigration nach Paris. Im Hafen von Cherbourg erreichten sie das britische Passagierschiff „Asturias“, mit dem sie – gemeinsam mit vielen weiteren Flüchtlingen – nach langer Reise und vielen Zwischenstationen schließlich in Montevideo, Uruguay, ankamen. Auch dort konnten sie nicht bleiben, da ihre Visa für Paraguay ausgestellt waren. Von Uruguay wurden sie per Schiff weiter abgeschoben und erreichten über Argentinien schließlich Asunción, die Hauptstadt von Paraguay.

Familie Eisner wurde in Ipacaraí angesiedelt, einem Ort nicht weit von der Hauptstadt und doch fern aller Zivilisation. Dort lebten sie unter ärmlichsten Bedingungen, zogen sich Tropenkrankheiten zu und entschieden nach acht Monaten als „Illegale“ nach Argentinien zu gehen. Sie ließen sich in Buenos Aires nieder und mussten ohne Arbeitserlaubnis ihr Leben fristen, bis nach Jahren der Erlass aufgehoben wurde, der seit 1938 jüdischen Menschen verbot, nach Argentinien einzuwandern.

Eva Eisner heiratete am 31. Dezember 1952 Rolf Wertheimer. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor – die Tochter Noemi Cecilia, geb. 1954, und der Sohn Ruben Pablo, geb. 1958. Schwester Doris hatte 1940 in Buenos Aires Johannes Kohn geheiratet.

Noemi Wertheimer lebt seit 1980 in Deutschland, wo Eva sie sehr oft besuchte.
Sie beschrieb in den Anfängen ihrer Reisen ihre Gefühle, in etwa so: „Das Gefühl abgewiesen zu werden habe ich immer noch heute. Wenn ich ins Ausland verreise, meine ich, ich werde beim Einreisen abgeschoben, dabei habe ich immer kräftige Herzschläge. Und welch eine Ironie, ich besitze den deutschen Pass, damit komme ich überall hin, sozusagen freie Bahn.“

Eva Wertheimer geb. Eisner verstarb am 20. November 2007 in Buenos Aires.

Recherche und Text: Helmuth Pohren-Hartmann, Stolperstein-Initiative Stierstraße, Berlin-Friedenau
Quellen:
• Bundesarchiv
• Entschädigungsbehörde Berlin
• Tagebuch von Eva Eisner (ins Deutsche übersetzt von ihrer Tochter Noemi Wertheimer)