Thema des Monats März 2019

Wie können wir die wirtschaftliche Zukunft von Charlottenburg-Wilmersdorf gestalten?

Wie sieht die Wirtschaftsentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf in den nächsten
Jahren aus? Sollen Start-ups, Einzelhandel und große Konzerne hier eine Zukunft
haben? Die Fraktionen in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nehmen in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Für die SPD ist es wichtig, im Bezirk die Mischung aus Wohnen, Geschäften und Industrie zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die wohnortnahe Versorgung durch lebendige Geschäftsstraßen steht dabei genauso im Fokus, wie die gezielte Ansiedlung von Start-ups, Kreativwirtschaft und modernen Industriearbeitsplätzen. Dabei muss der Wohnungsbau mit einer intelligenten Weiterentwicklung von Gewerbegebieten einhergehen. An Standorte wie dem Reemtsma-Gelände können in den nächsten Jahren neue und zukunftsorientierte Jobs entstehen. Schon heute ist die City-West ein starker Wirtschaftsstandort, mit einer engen und erfolgreichen Kooperation zwischen Wissenschaft, Unternehmen, Initiativen und bezirklicher Wirtschaftsförderung. Deren Verortung direkt bei Bezirksbürgermeister Naumann ist für uns dabei ein wichtiger Baustein: Die aufgebaute gute Vernetzung, die zielgerichtete Unterstützung und der direkte und kontinuierliche Austausch eröffnen gerade für innovative kleine und mittlere Unternehmen neue Möglichkeiten. Deutlich wird dies auch im Umfeld des „Campus Charlottenburg“ rund um den Ernst-Reuter-Platz, der zu einem wichtigen Wirtschafts- und Innovationsmotor geworden ist. Solche Kooperationen wollen wir noch stärker fördern.
Alexander Sempf

CDU-Fraktion

Start-ups, mittlere Unternehmen und Einzelhandel– in allen Bereichen steckt in unserem Bezirk viel Potenzial. Wir brauchen nicht nur Platz für neue Wohnungen und soziale Infrastruktur, sondern auch für das Gewerbe. Als CDU-Fraktion fordern wir ein zweites CHIC, mit dem Schwerpunkt Smart-City, von welchem der Bezirk selbst immens profitieren würde. Auch die Spreestadt und der „Block 68“ müssen, nach dem Vorbild des ehemaligen Reemtsma-Geländes, endlich für mittelständische Unternehmen weiterentwickelt werden. Der Einzelhandel ist nicht nur wirtschaftlich gesehen wichtig, sondern auch im Kiez eine fest verankerte Institution. Beim Kampf gegen die Online-Giganten sind die Einzelhändler auf sich gestellt. Für diesen Bereich muss es eine viel intensivere Unterstützung geben. Hier setzt der Bezirk jedoch personell falsche Prioritäten: Eine Stelle für die Wirtschaftsförderung ist definitiv zu wenig. Im Zusammenhang mit dem Personalzuwachs für die wachsende Stadt muss die Wirtschaftsförderung berücksichtigt werden. Und zu guter Letzt wird es Zeit für eine wirtschaftsfreundliche Zählgemeinschaft, die nicht bei Investitionen von Google aufschreit und jeden Investor als feindlichen Kapitalisten betrachtet.
Simon Hertel

B‘90/Grünen-Fraktion

Charlottenburg-Wilmersdorf ist mit seinen Geschäftsstraßen, den zwei Universitäten, zahlreichen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen ein Bezirk mit großer Vielfalt und urbaner Lebensqualität. Die bezirkliche Wirtschaftsförderung nennt 28.000 ansässige Unternehmen, im Vergleich zu anderen Bezirken ist das Spitze. Das Charlottenburger Innovationszentrum (CHIC) bietet Gründern Starthilfe mit Beratung und preiswerten Mieten. Seit 2018 ist es komplett ausgebucht. Die professionelle Unterstützung kann über
die Probleme, auch für Start-ups, nicht hinweg täuschen: auch die Gewerbemieten steigen immer weiter. Das stellt kleine Gewerbetreibende und den Mittelstand sowie Start-ups vor große Probleme. Neue, in der Nutzung variable Räumlichkeiten werden gebraucht, vor allem auch für junge Unternehmen. Zurzeit ziehen die jungen Unternehmen vermehrt weiter nach Brandenburg. Vielleicht ist eine Anmietung eines weiteren Start-up-Standorts am Ernst-Reuter-Platz möglich. Hier ist der Senat gefordert. Die Mieten müssen ebenfalls variabel gestaltet werden, je nach Finanzkraft der einzelnen Unternehmen. Um die Vielfalt zu erhalten, setzt sich der Berliner Senat für einen Milieuschutz für Gewerbemieten ein. Spekulativer Leerstand muss auch bei Gewerbe bekämpft werden.
Dagmar Kempf

FDP-Fraktion

Neugewinnungen von Unternehmen im Bezirk erfolgen momentan hauptsächlich
durch Berlin-Partner. Der Bezirksbürgermeister bemüht sich hier kaum. Dem Ladensterben muss Einhalt geboten werden. Förderfibeln für Einzelhändler von der EU, Bund und Land könnten hier helfen. Der beunruhigende Händlerschwund auf den Wochenmärkten und in Einkaufsstraßen zeigt, dass allumfassend gedacht werden muss. Parkplätze dürfen nicht gänzlich der aktuellen Umgestaltung des Verkehrs geopfert werden, wie am Olivaer Platz: ansässige Dienstleister verlieren durch den Wegfall der Parkplätze Kunden und
Einnahmen.
Der Mangel an Büroflächen zeigt auf, wie wichtig Hochhäuser sind. Der Bezirk muss hier stärker aktiv werden, anstatt auf Senatorin Lompscher im Senat zu warten. Unter Rot-Rot-Grün fehlt die Antwort, wie unter der jetzigen Verhinderungspolitik ein tragfähiges Wirtschaftskonzept aussehen soll. Die ablehnende Haltung gegen den Flughafen Tegel schwächt den Tourismus- und Messestandort City-West. Mit der Messe Berlin geht es ebenfalls nicht voran. Lösungsansätze gehen im „Zuständigkeits-Ping-Pong“ zwischen Bezirk und Senat verloren. Rot-Rot-Grün muss zeigen, wie die Einnahmen und Arbeitsplätze für den propagierten werbefreien Bezirk kompensiert werden sollen. Ideologische Träumereien helfen jedenfalls niemandem.
Maximilian Rexrodt

AfD-Fraktion

Wir brauchen ein unternehmerfreundliches Klima im Bezirk sowohl für global operierende Unternehmen, heißen sie nun Siemens oder Google, als auch für kleine und mittelständische Unternehmen, Handwerksbetriebe und Händler, die mit Mut und Ausdauer Arbeitsplätze schaffen und die Bedürfnisse der Menschen decken.
Wir brauchen bindende Fristen bei behördlichen Genehmigungen, um unnötige Wartezeiten zu vermeiden und keine investitionsverteuernden Vorschriften und Gebühren. Genauso wie ein bewohnerfreundliches – brauchen wir ein wirtschaftsfreundliches Umfeld: Sicherheit des öffentlichen Raums, ein sauberes, gepflegtes Stadtbild ohne Ghettos und No-Go-Areas. Eine zweckmäßige Infrastruktur für den motorisierten Individual – und Lieferverkehr ist ebenso erforderlich wie zuverlässige öffentliche Verkehrsmittelund intakte Radwege.
Ideologische Vorurteile gegen Kapital, Unternehmertum und Profit, wie sie Links-Grün zelebrieren, brauchen wir nicht, sondern eine Politik, die unternehmerische und bezirkliche Schnittstellen optimal funktionieren lässt. Derzeit gibt es bei der bezirklichen Wirtschaftsförderung nur eine Mitarbeiterin, für die Integration von „Geflüchteten“ dagegen acht – ein krasses Missverhältnis, findet dieAfD-Fraktion.
Michael Seyfert

Linksfraktion

Eine wirtschaftliche Zukunft muss sich demokratisch gestalten, soll sie von den
Bürger*innen, die hier arbeiten und leben getragen werden. Die Diskussion um einen „Google-Campus“ verdeutlichte, wie Wirtschaftsförderung NICHT funktioniert. Während in Kreuzberg den Plänen für ein Berliner Silicon Valley eine klare Absage erteilt wurde, beschloss die BVV in Charlottenburg-Wilmersdorf mit Ausnahme von LINKEN und Grünen Google mit offenen Armen zu empfangen. Ausgerechnet jenem Großkonzern, der mit Steuervermeidungstricks allein 2016 unversteuerte Auslandsgewinne von 60 Mrd. US-Dollar erzielte und damit der öffentlichen Daseinsvorsorge dringend benötigte Gelder vorenthielt, wird nun Tür und Tor in die City West geöffnet. Das ist obszön! Wir lehnen diesen wirtschaftsfreundlichen Umgang mit dubiosen Konzernen auf Kosten verdrängungsbedrohter Wohn- und Gewerbemieter*innen
ab! Wir fordern eine grundsätzlich sozial-ökologische Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, die lokale Gewerbetreibende in den Vordergrund rückt. In öffentlichen Debatten entscheidet sich die (wirtschaftliche) Zukunft! So setzen wir uns für Transparenz und Mitsprache ein und gegen die Gewinnmaximierung von Google, Hertha, Deutsche Wohnen und Co.!
Annetta Juckel