Thema des Monats September 2004

Haus Cumberland: Braucht Berlin ein weiteres Fünf-Sterne-Hotel?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Das Haus Cumberland, Kurfürstendamm 193/194, ist ein kommunalpolitischer Dauerbrenner. Anfang des 20. Jahrhunderts als Hotel gebaut, hat es bisher dieser Bestimmung nie längere Zeit entsprochen. Über viele Jahre als Sitz unterschiedlicher Verwaltungen genutzt, steht es nun seit mehreren Jahren leer: Kein schöner Anblick in der City-West. Verkaufsabsichten des Eigentümers (Oberfinanzdirektion Berlin) scheiterten bereits mehrfach. Nun hat sich ein neuer Investor gefunden, auch die BVV hat sich im Mai 2004 mit der Angelegenheit befasst; ein Antrag der FDP-Fraktion, eine gleichrangige und ergebnisoffene Prüfung zur Einzelhandels- oder Hotelnutzung durch das Bezirksamt wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt. Das Thema beschäftigt die Kommunalpolitik weiterhin.

SPD-Fraktion

Ja, warum nicht, wenn ein Bauherr an diese Zukunft glaubt! Dieses Haus jedenfalls und der Standort am westlichen Kurfürstendamm sind prädestiniert für ein modernes Hotel in einem traditionellen Gewand. Ein “Boarding-Palast” sollte es nach den Plänen des Adlon-Architekten Leibnitz 1912 werden mit einer Angebotspalette “für den längeren Aufenthalt” vom Einzelzimmer bis zum Luxusappartement mit zentralen Serviceeinrichtungen und aufwändigen Gesellschaftsräumen. Gediegener Luxus in Stein und Form, selten zu finden in Berlin; nur wenige Hotelneubauten vermitteln eine Atmosphäre, wie sie hier versteckt, aber wieder auffindbar ist. Also: Ja, bitte!
Das einzige bisher sichtbare Konkurrenzangebot “großflächiger Einzelhandel” hat uns nicht überzeugt: Einkaufen im Hochpreissegment, alles an einem Ort, ein Gegengewicht zum KaDeWe. Wer das Gebäude beträte (mit dem Auto von auswärts in die Garage käme), müsste keine Außentür mehr benutzen: Exklusives Shopping, exklusives Wohnen, exklusive Dienstleistungen, garniert mit exklusivem Design. Kaum ein Anlass, neugierig in die Stadt zu kommen! Alles “exklusiv”.
Nein, wir wollen “inklusiv”. Raus auf den Kudamm, draußen sitzen, flanieren, dort die vielfältigen Geschäfte und Restaurants nutzen, die Seitenstraßen und Kultur entdecken, die Stadt riechen und schmecken. Das ist der Kurfürstendamm; ein Hotel “Haus Cumberland” ist gewünscht!
Klar
Monica Schümer-Strucksberg

CDU-Fraktion

Nach Auffassung der CDU-Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf sollte sich die anstehende Nutzung des “Haus Cumberland” an der historisch geprägten und von dem Architekten auch gewollten Nutzung anlehnen. Danach ist das Haus als Hotel konzipiert worden, was sich auch heute noch an den vorhandenen Raumstrukturen sowie der aufwendig gestalteten Lobby im Erdgeschossbereich erkennen lässt.
Darüber hinaus wäre gerade in diesem Bereich des Kurfürstendamms eine Hotelnutzung im oberen Luxussegment eine absolute Bereicherung für den Wirtschaftsstandort “Ku-Damm Boulevard”.
Als einzige Alternative lässt sich derzeit nur die von einer Minderheit in die Diskussion gebrachte Etablierung eines weiteren “Shoppingtempels” erkennen. Dazu wäre es allerdings notwendig, das Haus bis auf die unter anderem denkmalgeschützte Fassade abzutragen. Damit ginge, nach dem Kranzlereck, ein weiterer Bau aus der Berliner Gründerzeit und damit ein gutes Stück Berliner Geschichte unwiederbringlich verloren.
Auch aus wirtschaftspolitischer Sicht erscheint die Nutzung des “Haus Cumberland” als Hotel als die sinnvollere Alternative, auch wenn Kritiker nach dem Rückzug der “Four Seasons Gruppe” aus Berlin bereits ein Hotelsterben prognostizieren. In den letzten Jahren wurde von Fachleuten nicht umsonst eine Aufwertung des Hotelstandortes im Bereich des Kurfürstendamms gefordert, was sich nicht zuletzt mit der Nähe zur Messe Berlin und dem sanierten Olympiastadion begründet wurde. Weiterhin ist entsprechend der neuesten statistischen Erhebungen die Anzahl der Übernachtungen in der City-West weiter steigend.
Der Bau eines zusätzlichen ebenso uniformen wie auswechselbaren “Shoppingtempels” mit dem immer gleichen Branchenmix allseits bekannter Filialisten würde sich eher negativ auf den in diesem Gebiet bereits ansässigen Einzelhandel auswirken. Schon in der Vergangenheit beklagten sich die dortigen Gewerbetreibenden über die für sie negative Sogwirkung der bereits vorhandenen Einkaufszentren und dem damit verbundenen Umsatzrückgang. Die CDU-Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nimmt die in regelmäßigen Abständen an sie herangetragenen Probleme des Mittelstandes sehr ernst und wird sich daher nachdrücklich für die Nutzung des “Haus Cumberland” als Hotel einsetzen.
Stefan Häntsch, Bodo Schmitt

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Schon im Mai 2003 hatten wir den Wunsch ans Bezirksamt gerichtet, man möge sich dafür einsetzen, das Haus Cumberland in eine neue Nutzung zu überführen, die diesem Bauwerk als geschichtlichem Zeugnis gerecht wird. Schon damals gab es Interessensbekundungen potentieller Investoren, die sich für diese attraktive Ku’-Damm-Adresse interessierten.
Im letzten Grand Hotel Berlins hat sogar ein Teil der Original-Innenausstattung des durch den Architekten Rudolf Leibnitz erbauten Hauses die Zeiten überdauert. Daher teilen Bündnis 90/Die Grünen die Auffassung des Landesdenkmalamtes, dass es sich beim Haus Cumberland um einen außerordentlichen Gebäudekomplex mit Denkmalwert handelt.
Vielleicht muss es nicht gleich ein Fünf-Sterne-Hotel werden, denn die umliegenden Geschäfte würden auch durch Gäste eines Hotels der gehobenen Mittelklasse profitieren. Die Festlegung auf die entsprechende Hotel-Kategorie können wir daher getrost dem Investor überlassen. Eine weitere Einkaufs-Mall à la Rathaus Steglitz braucht man an dieser Stelle aber bestimmt nicht; gerade auch mit Rücksicht auf die Einzelhandels-Betreiber, die den Ku’-Damm liebenswert machen.
Sibylle Centgraf

FDP-Fraktion

Am Kurfürstendamm Nr. 193/194 steht ein vornehmes, altes Gebäude. Seit die Oberfinanzdirektion auszog, ist es leer: das Haus Cumberland. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wurde es als Hotel errichtet. Seinem Zweck entsprechend ist es nie genutzt worden. Jeder Raum dort ist anders. Die Innenhöfe haben selbst im derzeit ungepflegten Zustand ihren Charme. Was tun? Die meisten Politiker im Bezirk sind für ein Fünf-Sterne-Hotel. Allein die FDP hat anderes vor: Ein Geschäftszentrum mit Läden, Restaurants, auch kleineren Hotels. Vom KaDeWe bis zum Cumberland: Gelegenheit zum Flanieren, das ist die Vision der FDP für die Weststadt. Die Gegner dieses Konzeptes schieben Denkmalschutz und Baurecht vor. Die sind aber nicht vom lieben Gott. Der Bezirk kann die Voraussetzungen schaffen, dass hier Handel und Wandel herkommen und ein Hotelgebäude nicht weiter leer steht, denn Fünf-Sterne-Hotels hat Berlin offensichtlich genug.
Prof. Dr. Jürgen Dittberner

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Wirft man einen Blick auf den 2004 veröffentlichten Sozialstruktur-Atlas, gehört Charlottenburg-Wilmersdorf nicht mehr unbedingt zu den Berliner Elite-Bezirken. Wirft man einen Blick auf Berliner Nacht-Aktivitäten, nicht einmal mehr zur Szene…
Das schmerzt! Vor dem Mauerfall waren Kudamm, Savigny-Platz und Zoo der Nabel der westlichen Welt im Osten. Und heute? Kein Kranzler mehr, kein Café Möhring und Kinosterben am Kurfürstendamm. Rund um die ehemalige Prachtmeile der City-West ist einiges ins Ungleichgewicht geraten.
Dem soll nun ein Fünf-Sterne-Hotel im so genannten Designer-Viertel Abhilfe schaffen. Dort zwischen Knesebeckstraße und Olivaer Platz gibt es ihn noch, den exklusiven Kurfürstendamm – beziehungsweise gibt es ihn wieder. Das Haus Cumberland gehört dazu und soll demnächst diejenigen beherbergen, die es sich leisten können, auf diesem Teil des Kudamms ihr Geld auszugeben.
Doch ist fraglich, ob so ein Luxushotel in Berlin überhaupt noch gebraucht wird. In Mitte müssen die ersten Nobelherbergen bereits wieder schließen. Bereits Ende des Jahres 2003 hatte Charlottenburg-Wilmersdorf fast schon so viele Hotel- und Pensionsbetten wie Spitzenreiter Mitte. Dennoch wird fröhlich weiter an neuen Übernachtungsbetrieben geplant. Darunter werden vor allem traditionelle kleine Pensionen leiden.
Beim Haus Cumberland kommt zudem die Vermutung auf, es handle sich um ein Prestigeobjekt im Kampf mit dem Ostteil der Stadt. Was Mitte kann, können wir schon lange… Nur hilft das dem Bezirk?
Benjamin Apeloig, Jürgen Hornig