Thema des Monats Juli 2006

Parkraumbewirtschaftung contra Bürgerwillen?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Als hochfrequentierter Innenstadtbereich hat unser Bezirk den offenbaren Konflikt zwischen Angebot und Nachfrage an Parkplätzen kommunalpolitisch zu lösen. Das Bezirksamt wurde deshalb im August 2005 von der BVV aufgefordert, eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung zu prüfen. Ein beauftragtes Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Stellplät ze im untersuchten Bereich tagsüber von über 30 % dort berufstätiger Personen genutzt werden. In kontroverser Debatte hat die BVV nun im April 2006 entschieden, drei neue Parkzonen einzurichten. Über den erforderlichen Umfang der Einbeziehung der Anwohnerinnen/Anwohner und Gewerbetreibenden ist ein Streit entbrannt, der unter anderem zur Einleitung von zwei Bürgerbegehren geführt hat.

SPD-Fraktion

“Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner” heißt das Gesetz, das am 16. Juni 2005 vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde und die rechtlichen Grundlagen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Berliner Bezirken enthält. Die SPD hat dieses Vorhaben maßgeblich mit vorangetrieben und so – übrigens gegen den starken Widerstand der CDU – mit dazu beigetragen, das Berlin heute das beste Bürgerbeteiligungsgesetz hat, das jemals von einem Landesparlament beschlossen wurde. Die BVV hat nach langer und intensiver Diskussion am 27. April 2006 die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung in der City West beschlossen. Zu diesem Beschluss stehen wir und wir wollen, dass er auch umgesetzt wird. Gegen diesen Beschluss laufen derzeit zwei Bürgerbegehren. Kommt die erforderliche Stimmenzahl (3-% der Wahlberechtigten im Bezirk müssen unterschrieben haben) zustande, schließt sich ein Bürgerentscheidan: Es findet dann eine Abstimmung aller Wahlberechtigten in Charlottenburg-Wilmersdorf statt. Die BVV kann dann einen Alternativvorschlag zusätzlich zur Abstimmung stellen. Die SPD-Fraktion begrüßt, dass die neuen Beteiligungsrechte so intensiv genutzt werden, denn nur so können die neuen Elemente der direkten Demokratie mit Leben gefüllt werden.
Katrin Schäfer

CDU-Fraktion

Von der Einführung der neuen Parkraumbewirtschaftungszonen wären rund 42.000 Haushalte betroffen und das flächendeckend in reinen Wohngebieten. Aufgrund der Beschlusslage durch SPD, Grüne und PDS findet eine Bürgerbeteiligung nur zum Schein statt, da die Proteste der Anwohner in keiner Weise Berücksichtigung finden werden. Grade diese Parteien sind es immer wieder, die Bürgerbeteiligung predigen und wenn dann Ihre ideologischen Grundsätze betroffen sind abtauchen. Die CDU-Fraktion fordert daher an dieser Stelle eine ehrliche und einflussnehmende Bürgerbeteiligung, an deren Ende bei einer mehrheitlichen Ablehnung durch die betroffenen Anwohner auch eine Rücknahme des Beschlusses stehen muss. Die CDU-Charlottenburg-Wilmersdorf und der Bezirksverordnete und Abgeordnetenhaus Kandidat Karsten Sell (CDU) haben daher zusammen mit anderen Partnern aufgrund der Nichtbeteiligung der Bürger ein Bürgerbegehren gestartet. Wir wollen damit die geplante Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung stoppen.
Karsten Sell

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Seit Jahren erreichen uns Bitten um Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung von Anwohnern des westlichen Kurfürstendamms. Sogar nach einer Umfrage des Wirtschaftstadtrats Skrodzki (FDP) würde in der Westfälischen Str. eine Bewirtschaftung Sinn machen. Bündnis 90/Die Grünen sind grundsätzlich Befürworter der Parkraumbewirtschaftung als verkehrslenkende Maßnahme, allerdings nicht als Selbstzweck. Deshalb haben wir zum Einen ein unabhängiges Gutachten gefordert, um zu erfahren, ob die Einführung verkehrlich Sinn macht. Zum Anderen sind wir der Meinung, dass man die Betroffenen mit ins Boot nehmen muss. Damit meinen wir, dass nicht die Minderheit der Autobesitzer über die Mehrheit von über 60% der Haushalte ohne Auto bestimmen darf. Man muss mit den Betroffenen reden, ihnen den Sinn und Zweck erläutern und versuchen sie zu überzeugen. Überall, wo dies gelungen ist, sind die Anwohner auch zufrieden. Als bestes Beispiel mag die zuletzt eingeführte Parkraumbewirtschaftungszone südlich des Hohenzollerndamms dienen. Deshalb fanden insgesamt vier Informationsveranstaltungen statt. Etwa 100 Personen, von insgesamt 42.000 Betroffenen, nahmen daran teil. Eine weitergehende Beteiligung, z. B. durch eine Umfrage, ist leider nicht finanzierbar.
Andreas Koska

FDP-Fraktion

Die von der Rot-Grünen Zählgemeinschaft beschlossene Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (Drs. 1911/2) ist nach Auffassung der FDP unsozial, unverhältnismäßig und bürgerfeindlich. Nicht nur, dass die City-West einen weiteren Standortnachteil erleidet, sondern es sind auch Wohngebiete – z.B. rund um den Lietzensee – betroffen, in denen die Parkprobleme durch dieses Instrument nicht gelöst werden. Die oftmals von der Rot-Grünen Zählgemeinschaft gepredigte Bürgerbeteiligung fand außerdem lediglich in Form von Informationsveranstaltungen nach Beschlussfassung für den Bürger statt. Ob die politische Mehrheit in der BVV damit nur ihr Gewissen beruhigen wollte? Denn echte Bürgerbeteiligung muss vor einer Beschlussfassung stattfinden. Die FDP-Fraktion dagegen legt großen Wert auf die Meinung von Anwohnern und Gewerbetreibenden, die ihr Wohnumfeld bzw. ihr Gewerbeeinzugsgebiet am besten kennen. Deshalb unterstützt die FDP auch das gestartete Bürgerbegehren gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung . Helfen Sie durch ihre Unterschrift mit, den getroffenen Beschluss zu kippen, ein Zeichen gegen die Abzocke zu setzen und den Verantwortlichen einen Denkzettel zu erteilen.
Corinna Holländer

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Parkraumbewirtschaftung ist Teil einer intelligenten Verkehrspolitik, die die Umweltproblematik und Mobilität im Sinne einer sozialen Stadt unter einen Hut bringt. Der vom Abgeordnetenhaus verabschiedete Stadtentwicklungsplan Verkehr hat den Anspruch, die Verkehrsplanung in den Lokalen-Agenda-21-Prozess einzubinden. Dazu gehört eben auch, dass man zahlt, wenn man mit dem Auto in die Innenstadt fährt, ob zum Einkaufen oder zum Feiern. Angesichts der zunehmenden Luftverschmutzung, insbesondere auch der Feinstaubproblematik, ist die Parkraumbewirtschaftung vernünftig. Auch wenn es dem einen oder der anderen nicht gefallen mag, sich künftig für das eigene Auto eine Vignette kaufen zu müssen, ist es die Aufgabe einer intelligenten Umweltpolitik, hier steuernd einzugreifen. Vielleicht bringt es gar Menschen zum Nachdenken, wie notwendig der eigene fahrbare Untersatz ist. Parkraum-Management heißt ja auch mehr, als nur am Automaten einen Schein zu ziehen. Es bedeutet Flächen für Ladezonen, breitere Gehwege und Fahrradstellplätze. Das sind Maßnahmen, die dem einen oder anderen sicherlich auch gefallen werden. Bürgerwillen ist nämlich in den seltensten Fällen einheitlich.
Benjamin Apeloig, Dr. Günther Bärwolff