Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Einbürgerungsfeier am Mittwoch, dem 26.2.2003, 19.00 Uhr im Rathaus Wilmersdorf

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

zur Einbürgerungsfeier am Mittwoch,

dem 26.2.2003, 19.00 Uhr im Rathaus Wilmersdorf

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen im Rathaus Wilmersdorf und herzlich willkommen als deutsche Bürgerinnen und Bürger im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Ich freue mich, dass Sie sich dafür entschieden haben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Sie gerne in unserem Land leben, dass Sie sich in Berlin und wie ich hoffe auch in unserem Bezirk wohl fühlen, und darauf bin ich auch ein wenig stolz.

Denn Sie zeigen uns, dass es ganz attraktiv ist, deutsche Staatsbürgerin oder deutscher Staatsbürger zu sein, etwas, was wir als geborene Deutsche oft gar nicht mehr bemerken.

Aber ich freue mich auch deshalb über Ihre Entscheidung, weil Sie natürlich ein Gewinn für uns sind. Berlin hat einen großen Teil seiner erfolgreichen Entwicklung den Ausländerinnen und Ausländern zu verdanken, die sich hier angesiedelt haben, die sich integriert haben, die unsere Stadt mit geprägt haben. Die ersten Bewohner Charlottenburgs waren die Kammertürken Ali und Hassan. Sie haben die ersten Häuser gebaut in der Stadt, die vor bald 300 Jahren von König Friedrich I. gegründet wurde.

Charlottenburg-Wilmersdorf ist ein internationaler Bezirk. Hier leben Menschen aus mehr als 100 Nationen. Wir freuen uns, dass sie bei uns leben, und wir zeigen das jedes Jahr neu mit unserem großen Bezirksfest, dem Fest der Nationen. Aber wir freuen uns ganz besonders, wenn sie sich entschließen, Deutsche zu werden, wenn aus Ausländern Inländer werden.

Mein Kollege, Herr Krüger, hat auf die Rechte und Pflichten aufmerksam gemacht, die mit der deutschen Staatsbürgerschaft verbunden sind. Und er hat Ihnen Angebote des Bezirksamtes genannt, wenn Sie Ihre Rechte wahrnehmen möchten oder wenn Sie sich engagieren möchten.

Für unsere Gesellschaft besonders wichtig ist es, dass Sie sich als Staatsbürgerinnnen und Staatsbürger aktiv in Ihrem Land, in Ihrer Stadt, in Ihrem Bezirk zu Wort melden, dass Sie Ihre Interessen vertreten, dass Sie damit unsere Demokratie mit gestalten. Dazu gehört, dass Sie sich an den politischen Wahlen beteiligen, dass Sie Ihre Stimme abgeben und damit mit bestimmen, wer politische Macht ausüben darf.

Aber dazu gehört auch, dass Sie sich in die politische Diskussion einmischen, dass Sie Ihre Meinung sagen.

Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Unsere Geschichte hat uns diese Lehre sehr schmerzhaft erteilt: Die Weimarer Republik ist gescheitert, weil zu wenige Demokraten sich aktiv für sie eingesetzt haben. Hitler konnte die Macht nur deshalb erringen, weil zu viele Menschen in Deutschland die Demokratie aufgegeben hatten, weil sie nicht mehr an die Demokratie geglaubt hatten.

Wir haben aus der Katastrophe des Nationalsozialismus gelernt, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Wir müssen wachsam sein, und unsere Demokratie verteidigen, wenn sie in Gefahr zu geraten droht. Deshalb haben wir immer klar Position bezogen gegen Rechtsextremismus, gegen Ausländerfeindlichkeit und gegen Antisemitismus. Ich hoffe, dass wir Sie als Verbündete gewinnen in diesem wachsamen Engagement für unsere Demokratie.

Demokratie ist kein Zustand, der ein für allemal fest steht, sondern die Demokratie verändert sich. Neue Formen der Kommunikation bringen neue Möglichkeiten bürgerlicher Beteiligung mit sich. Deshalb bieten wir Ihnen beispielsweise auch im Internet an, sich über unseren Bezirk zu informieren und sich dort zu bezirklichen Themen zu äußern.

Demokratische Institutionen gibt es auf drei Ebenen: Ganz oben auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland, in der Mitte auf der Ebene der einzelnen Bundesländer und unten auf der kommunalen Ebene der Städte und Gemeinden. In Berlin ist bekanntlich alles etwas komplizierter, Berlin ist gleichzeitig ein Bundesland und eine Stadt, aber es gibt in Berlin eben auch die Bezirke als kommunale Ebene.

Seit einiger Zeit gibt es in Berlin Tendenzen, diese kommunale Ebene der Demokratie in den Bezirken einzuschränken oder sogar ganz abzuschaffen. Angeblich kann man Steuergelder einsparen, indem man die bezirklichen Selbstverwaltungsrechte abschafft. Sie können sich vorstellen, dass wir in den Bezirken nicht dieser Meinung sind. Im Gegenteil: Wir meinen, dass viele Entscheidungen hier vor Ort in den Bezirken besser getroffen werden können als in der Senatsverwaltung.

Die Bezirksverordneten wurden von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt, um ihre Interessen auf der kommunalen Ebene des Bezirks zu vertreten. Sie kennen sich aus in ihrem Bezirk, und sie behalten den Kontakt zu den Menschen, die hier leben. Deshalb wissen sie am besten, was im Bezirk geschehen muss. In der Bezirksverordnetenversammlung wird oft um den richtigen Weg gestritten, aber alle sind sich darin einig, dass sie das Beste für unseren Bezirk wollen.

Wir kämpfen gegenüber der Senatsverwaltung um unsere kommunalpolitischen Rechte. Wir halten nichts von weiteren Zentralisierungen, da wir in den vergangenen Jahren mit neuen zentralen Ämtern immer nur schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Ich hoffe, Sie auch in diesem Kampf um die Rechte der Bezirke als Verbündete zu gewinnen. Ich meine, es sollte den Bürgerinnen und Bürgern nicht gleichgültig sein, wo entschieden wird über Kindertagesstätten, Schulen, Bibliotheken, Parks, öffentliche Plätze, Straßen, Bürgerämter, Spielplätze oder die Bebauung von freien Flächen. Es sollte ihnen vor allem deshalb nicht gleichgültig sein, weil sie nur im Bezirk dabei mitreden können, wie diese Entscheidungen getroffen werden.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will sie nicht auffordern, mit uns auf die Barrikaden zu gehen und die Charlottenburg-Wilmersdorfer Fahne zu schwenken, obwohl ich manchmal ein wenig Lust dazu hätte. Aber ich will Sie doch ermuntern, sich für Ihren Bezirk zu interessieren und zu engagieren.

Sie können dies auf vielfältige Weise tun. Ein Angebot von unserer Seite sind die Kiezspaziergänge, die wir an jedem zweiten Sonnabend im Monat von 14 bis 16 Uhr durchführen. Bei diesen Spaziergängen stellen wir jeweils einen kleinen Kiez vor mit seiner Geschichte, seinen Besonderheiten, seinen Schönheiten und Problemen. Zum nächsten Kiezspaziergang lade ich ein am Sonnabend, dem 8. März. Treffpunkt ist um 14.00 Uhr vor dem Rathaus Charlottenburg, und es wird am Internationalen Tag der Frau dabei vor allem um bedeutende Frauen gehen, die in Charlottenburg gelebt haben.

Im darauf folgenden Monat, am Sonnabend, dem 12. April, wird Herr Krüger gemeinsam mit dem zuständigen Förster einen Teil des Grunewaldes vorstellen. Treffpunkt ist dann der Bahnhof Grunewald – wie immer um 14.00 Uhr.

Aber wie gesagt: Es gibt viele Möglichkeiten, unseren Bezirk kennen zu lernen und auf seine Gestaltung Einfluss zu nehmen. Die nächste Möglichkeit haben Sie gleich im Anschluss: Ich würde mich freuen, im Gespräch mit Ihnen etwas darüber zu erfahren, was Ihnen gefällt und was anders werden muss in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Herr Krüger und ich und die anwesenden Bezirksstadträte und Bezirksverordneten stehen Ihnen gerne zur Verfügung, und ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Anregungen aufnehmen werden.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch einen schönen Abend und Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft als Deutsche.

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