Sello: DDR-Gefängnis in der Keibelstraße zum öffentlich zugänglichen Erinnerungsort entwickeln

Pressemitteilung vom 02.11.2021

Machbarkeitsstudie zeigt Entwicklungspotenzial auf

Berlin, 2. November 2021 – Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte (BAB) Tom Sello fordert die künftige Bundesregierung und den künftigen Berliner Senat auf, das DDR-Gefängnis in der Keibelstraße gemeinsam zu einem Erinnerungsort weiterzuentwickeln. Eine gerade fertiggestellte Machbarkeitsstudie zeige, dass die Räume im Innenhof des früheren Präsidiums der Volkspolizei zu einem authentischen und zeitgemäßen Ort der Vermittlung entwickelt werden können.

Sello: Künftige Koalitionen in Land und Bund müssen notwendige Mittel bereitstellen

„Es bietet sich die einmalige Chance, die Keibelstraße zu einem zentralen, wirkmächtigen Ort der Aufklärung und Wissensvermittlung in der Stadtmitte Berlins, unmittelbar am Alexanderplatz, nutzbar zu machen“, zitiert der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte aus dem Gutachten. „Die neuen Koalitionen in Land und Bund müssen in der kommenden Legislaturperiode die dafür notwendigen Mittel bereitstellen.“ Mit der Umsetzung soll die Gedenkstätte Hohenschönhausen beauftragt werden.

Volkspolizei und DDR-Justiz waren Machtstützen der SED-Diktatur

Gegenwärtig wird ausschließlich das 1. OG des Polizeigefängnisses als Lernort genutzt. Aus Sicht Sellos ist der weitgehend leerstehende Hafttrakt als Erinnerungsort prädestiniert – schon wegen der zentralen Lage und der guten Anbindung an den ÖPNV. „Die kollektive Erinnerung an die Diktatur in der DDR ist heute meist auf die Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit eingeengt“, erklärt der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte. „Die SED-Diktatur stützte sich aber nicht nur auf die Stasi, sondern auch auf die Volkspolizei, die Justiz und das Haftsystem.“ Das Wirken der Volkspolizei als Machtstütze der SED sowie die Haftbedingungen in der DDR jenseits der Stasi-Gefängnisse seien weiße Flecken in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, beklagt Sello.

SED-Opferbeauftragte Zupke: Die Keibelstraße ist ein Ort von nationaler Bedeutung

Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Evelyn Zupke, unterstützt Sellos Anliegen: „Die Keibelstraße zeigt eindrücklich, wie nicht nur die Staatssicherheit, sondern auch die Volkspolizei und die Justiz Instrumente der SED waren. Ich wünsche mir, dass die Keibelstraße der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.“

Hintergrund

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat den Senat im November 2017 aufgefordert, das ehemalige DDR-Polizeigefängnis in der Keibelstraße zu sanieren und öffentlich zugänglich zu machen.

Ein erster Schritt erfolgte im Februar 2019 mit der Eröffnung des Lernorts im 1. Obergeschoss des Hafttrakts. Betreiberin ist die Agentur für Bildung – Geschichte, Politik und Medien e.V. Das pädagogische Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 3. Klasse. Die Kinder und Jugendlichen erfahren, aus welchen Gründen Menschen in der Untersuchungshaftanstalt einsaßen, wie sich der alltägliche Ablauf im Gefängnis gestaltete und welche Haftbedingungen herrschten. Auf diese Weise können sie wichtige Einblicke in das Rechts- und Herrschaftssystem der DDR bekommen. Zusätzlich werden öffentliche Führungen angeboten. Die Teilnehmerzahl ist wegen der geringen räumlichen Kapazitäten beschränkt.

Ein vom Senat berufenes, unabhängiges Gremium empfahl im Juni 2019, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Diese sollte erkunden, welche baulichen Veränderungen für einen Erinnerungsort in der Keibelstraße notwendig sind, um dort eine moderne, zeitgemäße Ausstellung einzurichten und den ganzen Hafttrakt für größere Besucherzahlen öffentlich zugänglich zu machen. Die Machbarkeitsstudie liegt nun vor. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ließ sie vom Architekturbüro merz merz erarbeiten.

Dokumente zum Download

  • Machbarkeitsstudie Erinnerungsort Keibelstraße

    PDF-Dokument (9.3 MB)

  • Senatsmitteilung zur Keibelstraße

    PDF-Dokument (41.8 kB)

  • Empfehlungen des unabhängigen Gremiums zur Keibelstraße

    PDF-Dokument (640.5 kB)