Anmerkungen der Senatsverwaltung für Finanzen zum „Zeit Online“-Beitrag „Die Hauptstadt ist kaputt“

Unter der Überschrift „Die Hauptstadt ist kaputt“ berichtet die Zeit in ihrer Online-Ausgabe über die Berliner Steuerverwaltung. Im Folgenden einige Anmerkungen der Senatsverwaltung für Finanzen zu diesem Text.

„Zeit online“ schreibt:

„Eines von vielen Beispielen aus der Zeit ist die Umstellung auf die elektronische Lohnsteuerkarte durch direkten Datenabgleich zwischen Arbeitgebern und Finanzämtern. Die Einführung des neuen Programms (ELStAM) führte direkt ins Chaos, weil es nicht funktionierte. Monatelang konnten keine Bescheide ergehen.“

Fakt ist:

Die in den Finanzverwaltungen der Länder angewandte Software wird im Rahmen des Konsens-Verbundes von einzelnen Bundesländern für alle übrigen Länder entwickelt. Probleme bei der Einführung von ELStAM im Jahr 2013 sind daher kein berlinspezifisches Phänomen, sondern in allen Bundesländern gleichermaßen aufgetreten. Zu Verzögerungen bei der Bearbeitung von Steuerbescheiden haben die bei der Einführung von ELStAM aufgetretenen Probleme in Berlin nicht geführt.

Das Thema ELStAM hat die Autorin in der Recherche gegenüber der Finanzverwaltung nicht angesprochen, sodass wir keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

„Zeit online“ schreibt:

„Internet am Arbeitsplatz gibt es in den Finanzämtern de facto nicht – zu langsam.“

Fakt ist:

Grundsätzlich verfügt jeder Arbeitsplatzrechner in den Finanzämtern über einen Internetzugang. Die zentralen Steuerprogramme zur Festsetzung und Erhebung der Steuern werden jedoch aus Gründen der IT-Sicherheit, des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses in einem gekapselten Netz ohne Verbindung zum Internet betrieben. In der Regel ist für die Bearbeitung von Steuererklärungen und die Erstellung von Steuerbescheiden ein Internetzugang nicht notwendig. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen wird für die Kommunikation in der Regel die ElSter-Plattform genutzt und nicht die gängigen E-Mail-Programme.

Das Thema „Internet am Arbeitsplatz“ hat die Autorin im Zuge der Recherche gegenüber der Senatsverwaltung für Finanzen nicht angesprochen, sodass wir keine Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen.

„Zeit online“ schreibt:

„Aber ist das sinnvoll, dass Steuerprogramme von den Finanzbeamten selbst, statt von professionellen IT-Spezialisten geschrieben werden?“

Fakt ist:

Im Zuge der Recherche fragte uns die Autorin, ob es stimme, dass die Finanzamts-Software in Berlin von „Hobby-Programmierern in ihrer Freizeit“ entwickelt wird, wie sie in ihren anonymen Gesprächen gehört habe.

Dazu lautete unsere Auskunft: „Die IT-Betreuung und Software-Entwicklung in der Berliner Steuerverwaltung wird selbstverständlich von dafür qualifizierten Fachkräften wahrgenommen. Dafür werden in Berlin – wie in den meisten anderen Bundesländern auch – Steuerbeamten die nötigen Kenntnisse für die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung der Programme im Zuge von Fortbildungsmaßnahmen vermittelt. Das ist auch sinnvoll, denn es ist in der Regel leichter, Steuerbeamten in Fort- und Weiterbildungen die nötigen Programmierkenntnisse zu vermitteln als ausgebildete Informatiker anzuwerben und sie mit den spezifischen und ausgesprochen komplexen Anforderungen der Finanzämter und mit dem nicht gerade einfachen deutschen Steuerrecht vertraut zu machen.“

Auf Nachfrage zur Dauer der Ausbildung teilten wir Folgendes mit, was möglicherweise wegen der knapp gesetzten Antwortfrist der Anfrage nicht mehr in den Text einfließen konnte:
„Wegen der hoch spezialisierten Einsatzbereiche (zum Beispiel Server-Betrieb, PC-Support, Software-Entwicklung etc,) hängt die Dauer solcher Fortbildungen immer vom künftigen Aufgabengebiet ab. Die Fortbildung zu den einzelnen Spezialgebieten erfolgt grundsätzlich modular bei externen Anbietern; sie kann mehrere Monate in Anspruch nehmen, in Einzelfällen aber auch länger dauern. Grundsätzlich gilt, dass aufgrund der stetigen Weiterentwicklung von Hard- und Software kontinuierlich Fortbildung betrieben wird.“

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für die Festsetzung und Erhebung von Steuern eine bundesweit einheitliche Software einschließlich ELSTER verwandt wird.

„Zeit online“ schreibt:

„Es könnte jedenfalls erklären, warum dem Land Berlin jährlich 500 Millionen Euro Steuereinnahmen entgehen (so Berechnungen des Personalrats von 2010).“

Fakt ist:

Diese Schätzung ist aus Sicht der Senatsverwaltung reine Spekulation und nicht nachvollziehbar.

Die Finanzverwaltung wurde im Zuge der Recherche nicht mit dieser Zahl konfrontiert und konnte daher nicht dazu Stellung nehmen.

„Zeit online“ schreibt:

„,Auch das eine Begleiterscheinung des Personalverschleißes‘, so die Diagnose des Finanzwirts.“

Fakt ist:

Es ist unklar, was der Begriff „Personalverschleiß“ konkret bedeuten soll. Im Zuge der Recherche konfrontierte die Autorin die Finanzverwaltung mit der anonymen Aussage, die Beschäftigten in den Finanzämtern litten unter den Folgen des fortgesetzten Personalabbaus in der Finanzverwaltung.

„Zeit online“ haben wir mitgeteilt: „Mindestens seit dem Jahr 2010 hat es in der Berliner Steuerverwaltung keinen Personalabbau gegeben.“

„Zeit online“ schreibt:

„Dass Kunden drei bis vier Jahre auf Entscheidungen warten müssen, ist keine Seltenheit.“

Fakt ist:

Dafür gibt es keinerlei Beleg.

Die Autorin hat uns im Zuge ihrer Recherchen nicht mit einer solchen Aussage konfrontiert, sodass wir keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

„Zeit online“ schreibt:

„,Da resigniert man innerlich‘”, so der Finanzbeamte. Bittet er Kollegen um Hilfe, wollen oder können die ihm seine Fragen auch oft nicht beantworten. Wenn er dann bis zum Mittag nicht zur Lösung kommt, ist der Tag für ihn gelaufen. Unumwunden gibt er zu: ,Dann mache ich nichts mehr.‘ Dadurch bleibt noch mehr Arbeit liegen, die noch mehr Menschen in die ,innere Kündigung‘ treibt, die dauerkrank werden oder die Arbeit verweigern.“

Fakt ist:

Anonyme Aussagen eines einzelnen oder einiger weniger Mitarbeiter als Beleg für die allgemeine Situation in der gesamten Berliner Finanzverwaltung mit ihren weit über 6000 Beschäftigten heranzuziehen, halten wir nicht für angemessen.

Wir haben „Zeit online“ Folgendes mitgeteilt: „Der in Ihrer Anfrage skizzierte Eindruck, die Belegschaft insgesamt sei überfordert und demotiviert, hält einer genauen Betrachtung nicht Stand. Vielmehr sprechen die stetig besser werdenden Leistungsdaten der Berliner Finanzämter klar gegen die Annahme, dass es sich hier um ein generelles Phänomen handelt. Auch deuten die Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen sowie der immer wieder durchgeführten ,Kundenmonitorings´ zur Arbeit der Finanzämter darauf hin, dass in den Finanzämtern insgesamt eine hohe Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit und mit den Arbeitsbedingungen sowie eine hohe Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gegeben ist.“

Bei bundesweiten Leistungsvergleichen, die auf Grundlage von einheitlichen Benchmarks erstellt werden, liegt die Berliner Steuerverwaltung mittlerweile regelmäßig im vorderen Drittel der Länder. Bei der durchschnittlichen Bearbeitungszeit von Steuererklärungen ist die Berliner Finanzverwaltung besser als der bundesweite Durchschnitt.

„Zeit online“ schreibt:

„In der Senatsverwaltung für Finanzen weiß man weder von Problemen mit der Software noch von überforderten Mitarbeitern.“

Fakt ist:

Wir haben der Autorin zur Frage der Software-Probleme Folgendes mitgeteilt: „Dass es im Zuge von Software-Umstellungen hier und da Schwierigkeiten gibt, ist nicht erfreulich, aber auch nichts Außergewöhnliches. Dass die Personalvertretungen und die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solche Schwierigkeiten kritisieren, ist ebenso wenig außergewöhnlich. An der Beseitigung verbleibender Probleme wird kontinuierlich gearbeitet. Gravierende und vor allem dauerhafte Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit in den Berliner Finanzämtern sind nicht bekannt.“

Diese Auskunft zeigt: Anders als die Autorin unterstellt, ist der Senatsverwaltung für Finanzen sehr wohl bekannt, dass es zu umstellungsbedingten Schwierigkeiten gekommen ist. Der Hinweis darauf, dass wir es mit Umstellungsproblemen zu tun haben, ist in der Wiedergabe unseres Zitats jedoch (zufällig?) weggefallen. Auch der Gesamtpersonalrat hat in seiner von der Autorin zitierten Mitteilung übrigens ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass die Schwierigkeiten auf eine Software-Umstellung zurückzuführen sind und Schritt für Schritt abgearbeitet werden bzw. bereits abgearbeitet sind. Davon findet sich im Text kein Wort.

Zum Thema Arbeitsbelastung haben wir der Autorin mitgeteilt: „Die Senatsverwaltung für Finanzen steht in regelmäßigem Dialog sowohl mit den Vorsteherinnen und Vorstehern der Finanzämter als auch mit den Beschäftigtenvertretungen. In den Gesprächen mit den Personalvertretungen wird natürlich auch Kritik geübt – auch an einer objektiv vorhandenen oder auch nur subjektiv empfundenen Arbeitsverdichtung. Grundsätzlich gilt: Eine öffentliche Verwaltung sollte im Interesse der Steuerzahler gut und zuverlässig und zugleich effizient arbeiten. Hier das richtige Maß zu finden, ist sicher nicht ganz einfach, in Berlin aber gewährleistet.“

„Zeit online“ schreibt:

„Das deckt sich mit den Erklärungsansätzen des Verwaltungswissenschaftlers Jochen Franzke von der Universität Potsdam. Seiner Meinung nach führt die Verwaltung in Berlin ,ein Eigenleben, gleicht einem Archipel mit vielen Inseln, die vor allem ihr Territorium verteidigen.‘ Aus seiner Sicht müssen sich zwei Dinge grundsätzlich ändern: Die Arbeitsteilung zwischen dem Senat und den Bezirken sowie die Kooperationskultur innerhalb des Senats zwischen den verschiedenen Verwaltungen.“

Fakt ist:

Ein Bezug dieser Aussage zur allein auf Landesebene angesiedelten Steuerverwaltung ist nicht erkennbar. Die Festsetzung und Erhebung von Steuern ist Aufgabe der Berliner Finanzämter und nicht der Bezirke. Welche Bedeutung das Verhältnis zwischen Hauptverwaltung und Bezirken für die Arbeit der Finanzverwaltung haben soll, ist rätselhaft.

Die Senatsverwaltung für Finanzen wurde im Zuge der Recherche nicht mit dieser Aussage konfrontiert und hatte daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme.

„Zeit online“ schreibt:

„Das größte Problem ist nach Franzke, dass die Verwaltung weder funktionsfähig noch bürgernah sei. Der Personalabbau habe damit wenig zu tun – im Gegenteil.“

Fakt ist:

Die Argumentation ist widersprüchlich: Zunächst wird zu Beginn des Textes der Personalabbau oder wenigstens „-verschleiß“ beklagt, obwohl es in der Finanzverwaltung Berlins mindestens seit dem Jahr 2010 – siehe oben – gar keinen Personalabbau gegeben hat. Dann wird gegen Ende des Textes klargestellt, dass nach Auffassung eines Experten der Personalabbau – den es in dem hier betrachteten Bereich der Steuerverwaltung gar nicht gegeben hat – kein Problem sei.

„Zeit online“ schreibt:

„Seit Anfang der 1990er Jahre sind die Beschäftigtenzahlen des Landes Berlin im Öffentlichen Dienst nahezu halbiert worden: von fast 350.000 auf knapp über 190.000 Stellen im Jahr 2014.“

Fakt ist:

Die Beschäftigtenzahlen im unmittelbaren Landesdienst sind unseren Statistiken zufolge von etwa 200.000 zu Beginn der 1990er-Jahre auf etwa 104.400 zu Beginn des Jahres 2014 reduziert worden. Zu Beginn des Jahres 2015 lagen sie bei 105.500 und werden bis zum Jahr 2017 auf rund 109.000 ansteigen (jeweils in sogenannten Vollzeitäquivalenten). Die in „Zeit online“ genannten Zahlen sind nicht nachvollziehbar.

Die allgemeine Entwicklung der Personalzahlen im Land Berlin war nicht Gegenstand der Anfrage der Autorin an die Senatsverwaltung für Finanzen; wir hatten daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme.

„Zeit online“ schreibt:

„Als Beispiel nennt er das Chaos in Bürgerämtern. Seit einiger Zeit ist es geradezu unmöglich, sich in Berlin als Bürgerin an geltendes Recht zu halten. Egal ob die Ummeldung, ein neuer Personalausweis oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis, für einen Termin muss man einige Monate Vorlauf einkalkulieren und so gesetzliche Fristen überschreiten. Franzke meint, dass hier sofort investiert werden müsste, in bessere technische Ausstattung und nun auch wieder in mehr Personal.“

Fakt ist:

Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, welcher Bezug zwischen den Bürgerämtern der Bezirke und den im Mittelpunkt des Beitrags stehenden, auf Landesebene organisierten Finanzämtern besteht: Seit Ende 2014 sind für die Bezirke 92 zusätzliche Stellen für Aufgaben der Bürgerämter zur Verfügung gestellt worden. Gleichzeitig sollen in einer Organisationsuntersuchung Möglichkeiten zur Verbesserung von Organisation, Abläufen und Technik identifiziert werden. Ergebnisse dieser Untersuchung, an der sich vier Bezirke auf freiwilliger Basis beteiligen, sollen im Frühjahr vorliegen.

(vgl. dazu aktuell die Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Finanzen vom 16.12.2015)

Auch die Situation in den Bürgerämtern und die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation dort waren in der Anfrage der Autorin an die Senatsverwaltung für Finanzen kein Thema, sodass wir keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme hatten.