Erinnerungen an Berlin

Es ist mir jedes Mal eine große Freude, Ihr aktuell zu erhalten. Es erinnert mich mit Wehmut an meine Kinder- und Jugendjahre, die mir bis heute, ich bin 94 Jahre alt, unvergesslich geblieben sind.

Mein Vater, Arthur Segall, diente im 1. Weltkrieg und fühlte sich als Deutscher, der von einer Auswanderung nichts wissen und seine Heimat nicht verlassen wollte.

Als 19-jährige wanderte ich im Juni 1939 allein mit einem Dienstmädchenpermit nach England aus.

Nach meiner Auswanderung wurde die Villa meiner Eltern in Berlin- Wilmersdorf, Konstanzer Straße 23, enteignet, und sie mussten in eine kleine Wohnung, Konstanzer Straße 2, übersiedeln, wo sie sich im Oktober 1941, einen Tag vor ihrer Überführung in ein Konzentrationslager, das Leben nahmen.

Im September 1945 heiratete ich in London Jindrich Steindler, und im November 1946 wanderten wir nach Brasilien aus, wo ich heute noch als Witwe lebe. Ich habe zwei Söhne und drei Enkeltöchter.

Trotz allem Geschehenen werde ich nie vergessen, dass nichtjüdische Freunde von meinen Eltern und mir ihr Leben unter den Nazis aufs Spiel setzten, um uns zu helfen.

Als ich 1962 das erste Mal nach Berlin kam, erwartete mich ein Klassentreffen meiner ehemaligen Mitschülerinnen des Hohenzollern- Oberlyzeums. Ich war dreimal in Berlin, das ich immer geliebt habe, und ich muss gestehen, dass mir jedes Mal beim Abfahren die Tränen gekommen sind.

Heute habe ich niemanden mehr in Berlin, den ich kenne. Mein einziger Kontakt sind aktuell und der wunderschöne Kalender, für die ich Ihnen innigst dankbar bin.

_Traute Steindler_
Chiffre 142202