Schule für Taubstumme in Wannsee

Von wegen Wannsee (mehrere Artikel in Ausgabe Nr. 79) wäre es auch berechtigt, zu erwähnen, dass es dort eine jüdische Schule für Taubstumme gab, die als eine der besten der Welt anerkannt war. Einer der Schüler war auch mein Vater, der Zeichner Hans Rudolf Growald. Meine Eltern, so wie auch die meisten anderen jüdischen Taubstummen, viele aus derselben Schule und in unserem Freundeskreis, konnten die drohende Gefahr, in der sie sich befanden, sehr gut erkennen. Der Beweis ist, dass mich meine Eltern per Kindertransport nach England schickten und mir dadurch das Leben gerettet haben. Aber sie erlitten ein doppeltes Unglück, einerseits die Verfolgung der Nazis, anderseits die enttäuschenden Ablehnungen sämtlicher Länder, einem Taubstummen ein Einreisevisum zu genehmigen! Meine sehr gut hörende Mutter, Edith Growald, geb. Baumgarten, hätte möglicherweise auswandern können, jedoch zog sie es vor, in treuer Liebe, an der Seite von ihrem Mann zu bleiben, bis beide zusammen ihrem grausamen Tod in Lodz begegneten. Hier muss ich erwähnen, dass die Eltern meiner Frau, Robert und Maria Kohn, geb. Glaser aus Wien, ihre Tochter Lilly, mit der ich schon über 60 Jahre glücklich verheiratet bin, ebenfalls per Kindertransport nach England geschickt haben und denselben grausamen Tod wie meine Eltern erlitten haben, in ihrem Fall in Minsk. So sind unsere drei Kinder die Enkel von vier ermordeten Großeltern! Es ist sehr zu befürchten, dass der größte Teil der Eltern, dessen Kinder per Kindertransport gerettet wurden, sich nie wieder mit ihren Kindern getroffen hat, weil die meisten Eltern ebenso umgebracht wurden.

Ich wünsche den heutigen Deutschen nichts schlechtes, nur – weder darf, noch kann dieser schreckliche Schandfleck in der Deutschen Geschichte jemals ausgewischt werden!


Ernest G. Growald
Chiffre 207201