Kunden stehen am wiedereröffneten Kiosk am Savignyplatz in Berlin. Der fast 100-jährige unter Denkmalschutrz stehende Kiosk, der 1943 stark beschädigt worden war, ist wieder Anziehungspunkt für Touristen.
Blick auf das Theater des Westens am Abend in der Kantstraße 10-12 in Berlin-Charlottenburg.
Wohl keine andere Straße in Berlin vereint so viele verschiedene Nationen wie die Kantstraße in Berlin Charlottenburg. Auf knappen 2,5 Kilometern macht die Straße im Berliner Westen mehrere Transformationen durch: vom edlen Shopping-Boulevard zum panasiatischen Schmelztiegel bis zum gut-bürgerlichen Ende am Amtsgerichtsplatz.
Ganz Berlin auf einer Straße
Die Kantstraße, benannt nach Immanuel Kant, wurde schon immer stiefmütterlich behandelt, liegt sie doch neben dem berühmten Kurfürstendamm. Dabei hat kein anderer Boulevard so viel internationales Flair, Kiez-Gefühl und edles Design gleichzeitig zu bieten. Wer sich einmal auf die Straße einlässt, erliegt schnell ihrem ganz besonderem Charme.
Ausgehend von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, treffen Fußgänger schnell auf das berühmte Stage Theater des Westens, ein außen wie innen kunstvoll verziertes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Hier begeistern Musicals das Publikum.
Stilwerk in der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg
Kantstraße als Design-Meile
Einen paar Schritte weiter erreichen Fußgänger einen Straßenabschnitt der Kantstraße, den man getrost als Design-Mekka für gut verdienende Berliner und Besucher bezeichnen kann. Zahlreiche internationale Interieur-Geschäfte, allen voran das Stilwerk Berlin, haben sich auf dem Abschnitt zwischen Uhlandstraße und Savignyplatz angesiedelt. Allein das Flaggschiff Stilwerk bietet auf 20.000 Quadratmetern Designermöbel und Wohnaccessoires weltweit renommierter Marken. Wer sich an Design noch nicht satt gesehen hat, kann in den umliegenden Geschäften seine Einrichtung gedanklich oder praktisch komplettieren – vom Designer-Kühlschrank bis zur edlen Lampe.
Legenden aus dem geteilten Berlin
Mindestens genauso edel und inspiriert ist die Paris Bar schräg gegenüber des Stilwerks. Das legendäre Restaurant war und ist nicht nur für seine gute französische Küche bekannt, sondern auch für wilde Partys der Kunst- und Filmszene. An den Wänden hängen die Kunstwerke dicht an dicht. Echte Kunstwerke in Form hochwertiger Fotografien hängen auch in der Galerie Camera Work, die sich gegenüber des Stilwerks auf einem Hinterhof befindet. Eine weitere Institution West-Berlins ist das Schwarze Café. Hier kann fast rund um die Uhr sieben Tage die Woche gefrühstückt werden.
Ein Stückchen weiter, rund um den Savignyplatz, befinden sich zahlreiche Restaurants, Boutiquen und zwei echte Berliner Institutionen: Die Fachbuchhandlung Bücherbogen in den Viaduktbögen der S-Bahn ist seit 1980 erste Anlaufstelle für Bücher rund um Kunst, Design, Architektur und Fotografie. Noch viel länger hält das Geschäft C. Adolph Eisenwaren die Stellung. Im Jahre 1898 gegründet, bietet die Eisenwarenhandlung mit Originaleinrichtung aus der Gründungszeit noch heute alles, was das Handwerkerherz begehrt – inklusive einzelner Schrauben.
Asiameile Kantstraße
Hinter dem Savignyplatz beginnt eine andere Welt. Ab hier beginnt das Reich der Mitte in Berlin, ein panasitischer Schmelztiegel. Ob chinesisch, japanisch, thailändisch, kantonesisch, vietnamesisch – eine schier endlose Auswahl hervorragender, guter und manchmal mittelmäßiger asiatischer Restaurants und Imbisse pflastert die Kantstraße auf beiden Seiten. Das Good Friends ist stets gut besucht und bietet beste kantonesische Küche, direkt daneben hat sich das Kuchi Kant mit bester japanischer Küche etabliert. Das Minakami bietet seinen Gästen nicht nur leckere japanische Fusion-Küche, sondern auch Robatayaki, die japanische Art des Barbecues. Für wen die Kombination Burger und asiatische Küche vielversprechend klingt, sollte einen Stopp bei Shiso Burger wagen. Aber auch Türkisch, zum Beispiel bei Mezem oder Italienisch hat die Kantstraße zu bieten. Diese Aufzählung könnte fast endlos fortgesetzt werden. Wer überfordert von der Auswahl ist, dem hilft nur eins: immer der Nase nach.
Futter für das Hirn
Genug gegessen. Wer nun nicht mehr seinen Magen sondern sein Hirn versorgen möchte, dem sein das Kant Kino empfohlen. Das Programmkino wurde noch vor dem Beginn des ersten Weltkriegs eröffnet und ist eines der ältesten Kinos Berlins. Gezeigt werden Independent-Filme, europäische Arthouse-Produktionen und sehenswerte Kinderfilme und Dokus. Ein weiteres wichtiges Programmkino findet sich am Anfang der Kantstraße am Bahnhof Zoo: das Delphi. Das Kino in einem prunkvollen Theaterbau gehört seit Jahrzehnten zu den Gastgebern der Berlinale.
Charlottengrad
Charlottenburg und insgebesondere die Kantstraße war schon immer Magnet für in Berlin lebende Russen. Und so ist es noch heute. Russische Lebensmittelgeschäfte, Pelmeni und Borschtsch, Bücher, Kultur - in der Höhe des Stuttgarter Platzes haben viele russischstämmige Berliner ihre Heimat und Arbeit gefunden.
Kleinkram und Nippes in großem Stil
Ein Stück weiter in Richtung Westen verändert die Kantstraße ihr Bild merklich. Die kleinen und großen Läden für Kleinkram und Nippes, die sich schon vorher immer wieder zwischen die Geschäfte, Wohnhäuser und Restaurants geschummelt haben, werden fühlbar mehr. Winkekatzen, 50 Sorten Sojasoße, 1000 Essstäbchen oder manchmal einfach nur Ramsch, auf diesem Teil der Kantstraße ist das Angebot von verschiedensten Billigläden dicht.
Licht am Ende der Kantstraße
Doch da ist Licht am Ende der Kantstraße. Kurz bevor sie in die Neue Kantstraße übergeht, befindet sich im Gebäude des früheren Gerichtsgebäudes und Grundbuchamtes der Showroom der Designfirma Bocci 79. Die kanadische Firma zeigt hier ihre Lichtanlagen und Möbeldesign in beeindruckenden Installationen. Die Gegend kann man guten Gewissens gut-bürgerlich nennen.
Am Amtsgerichtsplatz geht die Kantstraße in die Neue Kantstraße über und der Lietzensee lockt mit Ruhe und Romantik mitten in der Stadt. Wen aber schnell wieder die Sehnsucht nach gelebter Vielfalt und Abwechslung packt, dreht sich einfach wieder um und entdeckt garantiert noch etwas Neues in der Kantstraße in Berlin.