Dämmstoffe in der Kreislaufwirtschaft

Das vorliegende Informationsdossier dient der Unterstützung öffentlicher Bauherrinnen und Bauherrn, Planerinnen und Planern sowie der interessierten Fachöffentlichkeit bei der Formulierung von Konzepten und Anforderungen an die Zirkularität des Dämmstoffeinsatzes. Bei der Verwendung ist darauf zu achten, dass kein CE-gekennzeichneter Dämmstoff direkt als Produkt durch die Formulierung von Anforderungen ausgeschlossen wird, da ein solcher Ausschluss im Konflikt mit der Europäischen Bauproduktenverordnung steht. Folglich erscheint es ratsam – wo sinnvoll und möglich – bereits bei der Planung Befestigungs-, Auf- und Einbauweisen vorzusehen, die eine spätere Wiederverwendung bzw. ein stoffliches Recycling ermöglichen.

Wärmedämmung (Baustelle)

Ein Schwerpunkt des Berliner Senats ist der Aufbau einer modernen und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. So hat das Berliner Abgeordnetenhaus im Juni 2021 das ambitionierte Abfallwirtschaftskonzept (AWK) für 2030 unter dem Leitbild Zero Waste beschlossen. Dieses Konzept fordert den konsequenten Ausbau von Wiederverwendung und Recycling von Stoffströmen, um einerseits ökologische Stoffkreisläufe zu schließen und andererseits die derzeitige enorme Ressourcenverschwendung deutlich zu reduzieren. So sollen gemäß dem AWK durch den Einsatz gütegesicherter Recyclingbaustoffe zusätzliche Ressourceneinsparungen an Primärrohstoffen in Höhe von rund 1.400.000 Mg/a erreicht werden.

In Deutschland fallen jährlich rund 200.000 Tonnen Dämmstoffe als Abfall an. Nach dem Ausbau der Dämmmaterialien werden diese derzeit in aller Regel deponiert oder verbrannt. Damit handelt es sich hierbei nicht nur um einen mengenmäßig nennenswerten Stoffstrom, sondern auch um einen ökonomisch und ökologisch relevanten. Dämmstoffe sind damit ein vielversprechender Ansatzpunkt für den Umweltschutz und die Schonung natürlicher Ressourcen – auch mit Blick auf die mittelfristige Versorgungssicherheit und die Preise von Rohstoffen auf den betroffenen Märkten.

Bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen kommt den öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen des Lands Berlin eine Vorbildfunktion gemäß § 23 KrWG / AbfG BIn zu. Vor diesem Hintergrund hat das Land Berlin frühzeitig entsprechende Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge formuliert, in denen auch Dämmstoffe adressiert werden. So sind von der Anwendungspflicht betroffene Vergabestellen aufgrund der Regelungen der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) ab den im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) geregelten Wertgrenzen dazu verpflichtet, ökologische Anforderungen an beschaffte Leistungen zu stellen.

Im Sinne einer ganzheitlichen, den gesamten Lebenszyklus von Produkten betrachtenden Kreislaufwirtschaft, setzen die ökologischen Anforderungen der Vergabegesetzgebung sowohl bei der Beauftragung von Neubauten und Komplettmodernisierungen an sowie auch beim Rückbau von Gebäuden. Denn nur wenn die Wiederverwendung und das Recycling verschiedener Gebäudebestandteile und Materialen von Beginn an mitgedacht wird, können am Ende der Lebensdauer des Gebäudes Materialien hochwertig zurückgewonnen werden.

Entsprechende Vorgaben sind in den Leistungsblättern 35. „Rückbau von Gebäuden“ und 26. „Neubau und Komplettmodernisierung von öffentlichen Gebäuden“ zu finden. So ist im Teilleistungsblatt 35.1, Abschnitt B.2, Punkt h. „Dämmstoffe“ in Bezug auf die Planung und Umsetzung des Rückbaus folgendes verpflichtend vorgegeben:

Teilleistungsblatt 35.1, Abschnitt B.2, Punkt h

„Getrennthaltung von brennbaren und nicht brennbaren Dämmstoffen. Bei Mineralwollen Getrennthaltung nach Glas- und Steinwolle. Ist Steinwolle im Gebäude verbaut, ist zu prüfen, ob eine stoffliche Verwertung (…) möglich ist.“

Für Neubauten und Komplettmodernisierungen von öffentlichen Gebäuden ist in Bezug auf Dämmstoffe im Leistungsblatt 26 folgendes verpflichtend vorgegeben:

Leistungsblatt 26

„Zur Gewährleistung eines umfassenden Recyclings im Rahmen der Kreislaufführung der Produkte und Materialien ist a) für Neubauten ein Recyclingkonzept zu entwickeln, das beschreibt, wie bei einem zukünftigen Rückbau des Gebäudes zu verfahren ist. Die Bauteilaufbauten sind in Schnittzeichnungen darzustellen, aus denen die Schichtenfolge und die eingebauten Materialien eindeutig hervorgehen. Es ist festzuhalten, wie das gedämmte Bauteil zurückgebaut werden kann, so dass aufgrund gegenwärtigem Stand der Technik unter Angabe mindestens eines gängigen Verfahrens eine sortenreine Trennung der Dämmstoffe beim Rückbau möglich ist. Für alle Bestandteile ist nach heutigem Stand der Technik ein mindestens ein gängiges Verfahren zur Wiederverwendung oder Verwertung zu beschreiben. Das Recyclingkonzept ist zu dokumentieren.“

Konzept zur Beschaffung und zum Einsatz von Gebäudedämmstoffen in der Kreislaufwirtschaft

Neben den bereits bestehenden Vorgaben hat die Senatsumweltverwaltung bereits im Jahr 2021 einen umfangreichen partizipatorischen Prozess angestoßen, mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft für Dämmstoffe in Berlin weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieses breit angelegten Diskussions- und Partizipationsprozesses konnten sich relevante Akteursgruppen sowie die interessierte Fachöffentlichkeit von 2021 bis 2023 mit ihrer Expertise und ihrem praktischen Anwendungswissen einbringen.

Ein erster sichtbarer Meilenstein war die Durchführung eines sehr erfolgreichen Expertenforums mit rund 300 Teilnehmenden, bei dem das Thema breitenwirksam auf die Agenda gesetzt wurde. Auf der Grundlage der damit verbundenen Ziele und der hier aufgeworfenen Fragen, wurden die Diskussionen mit der Branche und weiteren Akteuren fortgesetzt, mit dem Ansinnen, eine verpflichtende Anforderung an die öffentliche Beschaffung zu formulieren, die ausschließt, dass in öffentlichen Bauaufträgen künftig noch Dämmstoffe so eingebaut werden können, dass bereits beim Einbau klar ist, dass diese weder recycelt noch wiederverwendet werden können. Dabei wurden signifikante Fortschritte erreicht: Nicht nur konnte das Wissen über die erforderlichen Prozesse sowie zugrunde liegende technische, organisatorische, juristische und logistische Herausforderungen enorm erweitert werden. Die Unternehmen haben auch bereits begonnen, praktische Anwendungen zur Rückführung ausgebauter Dämmstoffe zu entwickeln und diese in ihre jeweiligen Produktlinien zu integrieren.

Diese Erfolge wurden bei einem Fachdialog im November 2022 mit rund 200 Teilnehmenden vorgestellt und diskutiert. Schlusspunkt bot nach Einarbeitung der beim Fachdialog gegebenen Hinweise ein Abschlussworkshop zum Stakeholderbeteiligungsprozess am 06.06.2023 in den Räumlichkeiten der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in Berlin.

Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden dazu genutzt, ein Anforderungskonzept zur Beschaffung und zum Einsatz von Gebäudedämmstoffen in der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Das Konzept ist dazu gedacht, öffentlichen Bauherrinnen und Bauherrn, Planerinnen und Planern sowie der interessierten Fachöffentlichkeit bei der Formulierung von Konzepten und Anforderungen an die Zirkularität des Dämmstoffeinsatzes zu helfen.

  • Anforderungskonzept zur Beschaffung und zum Einsatz von Gebäudedämmstoffen in der Kreislaufwirtschaft

    PDF-Dokument (439.6 kB)

Die Fachöffentlichkeit wurde bei der Erarbeitung des Anforderungskonzepts breit mittels diversen Gesprächs-, Diskussions- und Kommentierungsrunden sowie zwei großen öffentlichen Fachdialogen beteiligt. Insbesondere folgende Stakeholder haben sich daran aktiv beteiligt: Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt), Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Fachverband Einblasdämmung e. V. (FVED), Fachverband Mineralwolleindustrie e. V. (FMI), Fachvereinigung Extruderschaum e. V. (FPX), Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. (GD Holz), Industrieverband Hartschaum e. V. (IVH), Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e. V. (IVPU), ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH, Verband Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen e. V. (vdnr), Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e. V. (VDPM).

Kriterien für eine ökologisch vorteilhafte Verwertung von Dämmstoffen

Mit Unterstützung des ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH wurde in Abstimmung mit der SenMVKU zudem ein noch ambitionierterer, über das Konzept zur Beschaffung und zum Einsatz von Gebäudedämmstoffen in der Kreislaufwirtschaft hinausgehender Kriterienkatalog entwickelt, der aufzeigen soll, wie zukünftig die vorteilhafte Verwertung von Dämmstoffen aussehen könnte. Bei der Umsetzung dieser Kriterien bestehen jedoch z. T. noch offene organisatorische, rechtliche und ökonomische Fragen.

  • Kriterien für eine ökologisch vorteilhafte Verwertung von Dämmstoffen

    PDF-Dokument (835.2 kB)

Abfallrechtlicher Hinweis

Nach den zwischen den Bundesländern Brandenburg und Berlin abgestimmten Vollzugshinweise[n] zur Zuordnung von Abfällen zu den Abfallarten eines Spiegeleintrages in der Abfallverzeichnis-Verordnung (Stand: 18. November 2022) wird Dämmmaterial aus Vollzugserfahrung den gefährlichen Abfällen zugeordnet. Abfallerzeuger und -besitzer können jedoch Abfallanalyse beauftragen, die eventuell deren Ungefährlichkeit ergeben. Ist das der Fall kann z. B. Steinwolle einer Verwertung oder einer Vorbereitung zur Wiederverwendung zugeführt werden.

Außerhalb dessen sind Abfallerzeuger und -besitzer nach § 8 Abs. 1 GewAbfV dazu verpflichtet, die dort aufgelisteten Abfälle getrennt zu sammeln und der Vorbereitung zur Wiederverwendung oder dem Recycling zuzuführen. Dazu gehört auch Dämmmaterial (Abfallschlüssel 17 06 04) (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 GewAbfV). Eine Deponierung dieser Stoffe ist aktuell unter bestimmten Bedingungen möglich, muss aber dokumentiert werden. Wird der Verpflichtung nach § 8 Abs. 3 GewAbfV nicht nachgekommen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, welche mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden kann (§ 13 Abs. 2 GewAbfV i.V.m. § 69 Abs. 2 KrWG).

Ab dem 1. Januar 2024 ist es den Abfallerzeugern und -besitzern verboten, getrennt gesammelte Abfälle zu deponieren, die verwertet werden können. Die Regelung und Ausnahmen können Sie schon jetzt im Art. 2 Nr. 5 Buchst. c) der Verordnung zur Änderung der Abfallverzeichnis-Verordnung und der Deponieverordnung vom 30. Juni 2020 einsehen. Darüber hinaus hat jeder Abfallbesitzer die Abfallhierarchie nach § 6 KrWG zu beachten, wonach eine Verwertung der Deponierung vorzuziehen ist. Die voran genannte Regelung ab dem 1. Januar 2024 ist Bundesrecht.