Zum Tod von Carlo Jordan (1951 - 2023)

Carlo Jordan beim ersten öffentlichen Auftritt von Roland Jahn als BStU-Chef in der Gedenkstätte Hohenschönhausen bei einer VA der RHG "Gesichter der friedlichen Revolution" Ausstellungseröffnung und Buchvorstellung

Carlo Jordan 2011 in der Gedenkstätte Hohenschönhausen

Ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, Umwelt- und Friedensaktivist im Alter von 72 Jahren verstorben

Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte trauert um Carlo Jordan, der am 13. Dezember 2023 im Alter von 72 Jahren gestorben ist. Jordan, Mitbegründer der Grünen Partei in der DDR, gehörte zu den prägendsten Figuren der Umweltbewegung in der DDR.

Carlo Jordan kam als Sohn eines Bäckers und einer Verkäuferin am 5. Februar 1951 in Berlin zur Welt. Nach seiner Schulzeit erlernte er zunächst den Beruf des Zimmerers und studierte anschließend Bauingenieurwesen. Das Studium schloss er 1972 ab. Bereits während seiner Studentenzeit lehnte sich Jordan gegen das SED-Regime auf: Er nahm an konspirativen Zirkeln teil, organisierte kulturoppositionelle Veranstaltungen in Studentenclubs und baute alternative Landhausprojekte in der Uckermark auf. Seit dieser Zeit hatte ihn die Stasi im Visier. 1976 wurde Jordan festgenommen, weil er mit anderen mittels einer schriftlichen Eingabe an Erich Honecker gegen die staatliche Diffamierung des Pfarrers Otto Brüsewitz nach dessen Selbstverbrennung protestierte. Er beteiligte sich außerdem an den Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns.

1978 begann Jordan ein Fernstudium der Philosophie und Geschichte. Weil er sich weigerte, gegen die polnische Gewerkschaft Solidarność Stellung zu beziehen, wurde er 1982 „wegen ungenügender gesellschaftlicher Einbindung“ exmatrikuliert. Arbeit fand er seit den 1980er-Jahren in kirchlichen Einrichtungen als Bauleiter und Dozent für Literatur und Philosophie.

Seit den achtziger Jahren engagierte sich Jordan in der DDR-Umweltbewegung und war beim Aufbau von Strukturen an vorderster Stelle dabei. Er arbeitete in diversen ökologischen Kreisen mit und war Mitorganisator der Berliner Ökoseminare. 1986 gehörte er, u. a. inspiriert von den sogenannten fliegenden Universitäten in Polen, zu den Mitbegründern der Berliner Umweltbibliothek (UB) und schrieb Artikel für die im Keller der UB gedruckten „Umweltblätter“. Von 1987 bis 1990 wirkte er als DDR-Koordinator im osteuropäischen Netzwerk Greenway. 1988 verließ Jordan die Umweltbibliothek und gründete mit anderen das Grün-ökologische Netzwerk Arche, das eine Vernetzung der DDR-Umweltgruppen anstrebte. Das Netzwerk gab u. a. die Samisdat-Zeitschrift Arche Nova heraus und drehte Filme wie „Bitteres aus Bitterfeld“, um auf die katastrophale Umweltsituation in der DDR aufmerksam zu machen.

Im November 1989 gehörte er zu den Mitinitiatoren der Grünen Partei in der DDR. Als einer ihrer Sprecher saß Jordan im Zuge der Friedlichen Revolution von Dezember 1989 bis März 1990 am Zentralen Runden Tisch und von Mai bis Dezember 1990 als Abgeordneter im ersten frei gewählten Ost-Berliner Stadtparlament. Im Januar 1990 war er an der Erstürmung der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg beteiligt. Er gehörte auch zu den Initiatoren des Vereins „Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße e. V.“ (ASTAK). 1994/95 zog Jordan für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (AL) ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Im Jahr 2000 promovierte er mit einer Arbeit zur Humboldt-Universität zu Berlin als Kaderschmiede in der DDR. 2019 wurde Jordan mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Carlo Jordan (rechts) mit Fahrrad vor seinem Haus im Prenzlauer Berg, Oktober 2022

Carlo Jordan (rechts) mit Fahrrad vor seinem Haus im Prenzlauer Berg, Oktober 2022

Carlo Jordan blieb dem Thema Umwelt und vor allem dem Prenzlauer Berg immer eng verbunden. Seit 1982 wohnte er in einer Wohnung in der Fehrbelliner Straße 7 und galt den Bewohnern, zu denen mehrere Mitglieder der Berliner Umweltbibliothek gehörten, als Mentor. Noch vor gut einem Jahr stieß er vor seinem Haus in der Fehrbelliner Straße 7 spontan zu einer Kiez-Führung des damaligen Berliner Aufarbeitungsbeauftragten Tom Sello und erzählte vom Leben im Haus, den erhaltenen Bäumen im Innenhof und den der Staatsmacht unbekannten Schlupflöchern.

„Carlo war immer offen, interessiert und umtriebig“, erinnert sich der Aufarbeitungsbeauftragte Frank Ebert. „Carlo und sein Fahrrad – ein Bild, das uns im Prenzlauer Berg fehlen wird. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen.“