So konnten am 9. Oktober 1989 die vielleicht wichtigsten Aufnahmen in Leipzig entstehen : Mit den Bildern der Demonstration von über 100.000 Menschen, die der Friedlichen Revolution den Durchbruch in der DDR verschafften. Heimlich und mutig von Siegbert Schefke und Aram Radomski von einem Kirchturm herab gefilmt, gelangte die Kassette über den SPIEGEL-Mann Ulrich Schwarz zu uns in den Sender und die beeindruckenden Bilder der Leipziger Demonstranten konnten so weltweit verbreitet werden. Es waren viele daran beteiligt, aber ohne Jürgen Engert, der mir und anderen in der Redaktion den nötigen Freiraum bei der Arbeit ließ, hätte all das nicht stattfinden können.
Manchmal musste man auch mit ihm kämpfen, das kennen wohl alle Journalisten von ihren Chefredakteuren. Engert war wenig taktierend, mit Kritik geradeheraus. Damit macht man sich nicht nur Freunde. Man wusste aber, woran man mit ihm war. Und er war professionell genug, auch wenn es Stress gab: Selbst wenn die Sendung bereits angefangen hatte und ein aktueller Beitrag noch gar nicht fertig, sondern noch im Schnitt, passte er die Moderation einfach souverän an. Die schrieb er übrigens noch ganz old-school-mäßig: Auf einem Steno-Block mit der Hand oder er diktierte sie auf Kassette.
Großer Respekt für DDR-Oppositionelle
Nach dem Fall der Mauer wurde er Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios. Engert wollte stets aufklären und Demokratie fördern, sein Herz schlug für KONTRASTE, vielleicht auch noch für aktuelle Brennpunkte und Sondersendungen.
Uns verband sein großer Respekt vor den Oppositionellen in der DDR, seine Achtung auch der Ausreiseantragsteller. Selbst eine inoffizielle Mitarbeiterin, die ihre Freundinnen, darunter Bärbel Bohley und Ulrike Poppe, verraten hatte, imponierte ihm mit ihrem Geständnis und dem Versuch, ihr Handeln zu erklären.