Drucksache - 0536/5  

 
 
Betreff: Bei Bauprojekten rechtzeitig an die Bäume denken
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Grüne/SPD 
Verfasser:Dr. Vandrey/Wapler/Wieland/Röder 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
14.12.2017 
15. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
02.03.2018 
28. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
22.03.2018 
18. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vertagt   
19.04.2018 
18-1. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Beitritt: SPD-Fraktion

 

 

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hat in ihrer Sitzung am 18.05.2017 beschlossen:

 

"Das Bezirksamt wird gebeten, auf seiner eigenen Internetseite einen Hinweis für Bauherren zum Umgang mit Bäumen an prominenter Stelle zu veröffentlichen. Dabei sollte sich an dem folgenden Textbeispiel orientiert werden:

 

Das Stadtbild Berlins wird ganz entscheidend von seinen öffentlichen Grünanlagen und den Straßenbäumen mitgeprägt. Insbesondere der Straßenbaumbestand verleiht dem öffentlichen Raum einen besonderen Charakter und ist für viele Menschen ein wichtiges Element der Wohn- und Lebenszufriedenheit im Kiez. Daher ist es besonders wichtig, dass sich Bauherren bereits bei den ersten Planungsüberlegungen auch über den Baumbestand außerhalb des Baugrundstückes Gedanken machen. Es soll nicht erst nach oder unmittelbar vor der Erteilung einer Baugenehmigung oder Teilbaugenehmigung festgestellt werden, dass Baugruben, Gehwegüberfahrten, Balkonauskragungen oder Feuerwehraufstell-/-anleiterflächen mit dem vorhandenen Baumbestand auf der Straße oder in einer angrenzenden Grünanlage kollidieren. Auf Grund der geltenden Rechtslage (keine Konzentrationswirkung der Baugenehmigung) müssen Bauherren bzw. Architekten wissen, dass andere Rechtskreise einer erteilten Baugenehmigung im Wege stehen könnten. Im ungünstigsten Fall kann eine Baugenehmigung nicht oder nicht ohne erhebliche zeitliche Verzögerung/Umplanung in Anspruch genommen werden.

 

Darum empfehlen wir, bereits vor Beantragung einer Baugenehmigung mögliche Kollisionspunkte planerisch durchzuarbeiten und Alternativen/Varianten zu prüfen. Wenn dies erfolgt ist und ein Konflikt mit dem vorhandenen Baumbestand nicht gelöst werden konnte, ist uns dies als dem zuständigen Straßen- und Grünflächenamt (als Eigentümer der Bäume) sowie ggf. dem Umwelt- und Naturschutzamt (bei geschütztem Baumbestand) mitzuteilen und zu erläutern, damit seitens dieser Ämter geprüft werden kann, ob dennoch eine Zustimmung zu diesem Bauentwurf erteilt werden kann. Das Umwelt- und Naturschutzamt verlangt vor einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung mit dem Antrag die schriftliche Zustimmung des Baumeigentümers, also des Straßen- und Grünflächenamtes.

 

Wenn Sie diese Empfehlungen beachten, sollte eine deutlich zügigere Bearbeitung des Bauantrages möglich sein und vor allem eine sofort umsetzbare Baugenehmigung, da alle Probleme mit dem vorhandenen Baumbestand im Vorfeld geklärt worden sind.“

 

Das Bezirksamt wird ferner gebeten, Stadtplanungsamt und Bauaufsicht zu verpflichten, Bauvorbescheide, Baugenehmigungen oder Teilbaugenehmigungen erst nach erfolgter Klärung möglicher Kollisionen des Bauvorhabens mit dem Baumbestand zu erteilen. Dabei hat der Erhalt des Baumbestands oberste Priorität.

 

Der BVV ist bis zum 30.6.2017 zu berichten."

 

 

Bei Bauprojekten rechtzeitig an die Bäume denken [0536/5]

 

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hat in ihrer Sitzung am 19.04.2018 beschlossen:

 

" Das Bezirksamt wird gebeten, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass die BAUORDNUNG Berlin dahingehend geändert wird, dass Grünflächenämter und Umweltämter frühzeitig hinsichtlich beantragter Baumfällungen zu beteiligen sind.

 

Der BVV ist bis zum 30.06.2018 zu berichten.

 

Das Bezirksamt teilt dazu Folgendes mit:

 

Zur Verwirklichung eines stärkeren Baumschutzes im Sinne der BVV-Beschlüsse wurde zwischen den beteiligten Ämtern (Stadtentwicklung, Straßen und Grünflächen, Umwelt und Naturschutz) ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt und in Form einer Dienstanweisung vom 15.12.2021 festgehalten.

 

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Klimaschutz und Klimaanpassung soll der Erhalt des Baumbestandes mit den bekannten Wohlfahrtswirkungen (CO2-Bindung, Kühlung etc.) eine bessere Berücksichtigung erfahren. Durch zu späte oder ungenügende Berücksichtigung des Baumschutzes mussten immer wieder wertvolle Bäume zur Fällung freigegeben werden, weil durch den Vorrang des Baurechtes (§ 5 Abs. 1, Nr. 2 i. V. mit § 5 Abs. 4 der Baumschutz-VO, dazu ergangene Rechtsprechung, u. a. Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 20.11.2020) erhaltenswerte Bäume nicht in der Planung (ausreichend) Berücksichtigung fanden.

 

Die städtebauliche Bauberatung soll im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens bei Anträgen auf Ausnahme für die Errichtung eines Baukörpers außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche) nach § 31 Abs. 1 Bau GB hinsichtlich des Baumschutzes qualifiziert werden. Die Erfahrung zeigt, dass bei frühzeitiger sensibler Planung häufig wertvoller Baumbestand erhalten werden könnte (z. B. durch entsprechende Anordnung der Baukörper, der Nebenanlagen, wie z. B. Tiefgaragen, Platzierung der Zufahrten etc.).

 

Dabei gilt der Grundsatz, dass je wertvoller der Baumbestand ist (u. a. Stammumfang, Habitus, Bedeutung für Mikroklima, Fauna, erreichbare Lebensdauer, Zustand, Prägung von Orts- und Landschaftsbild), desto höher das Gewicht in der Abwägung ist und desto eher den Bauherren/Architekten eine baumerhaltende Planung zugemutet werden kann. In die Prüfung ist ebenfalls die Frage einzubeziehen, ob ggf. bei nicht zu erhaltendem Baumbestand (z. B. Lage im Baukörper, Verschiebung nicht möglich) Ersatzpflanzungen auf dem Grundstück nicht möglich sind. Dies würde die Ermessensausübung zuungunsten einer Ausnahme nahelegen.

 

Bei Zweifelsfällen (z. B. wg. des Zustandes des Baumes) liegt die Nachweispflicht entsprechend bei den Bauherren, die einen bei der IHK zugelassenen Gutachter beauftragen können. Die Bauberatung in der Stadtplanung übersendet frühzeitig entsprechende Unterlagen zur Vorprüfung an den Bereich Baumschutz des Umwelt- und Naturschutzamtes bzw. fordert den/die Bauherrin auf, sich an das Umwelt- und Naturschutzamt zu wenden, um eine Klärung herbeizuführen. Eine Fällgenehmigung kann in der Regel nicht in Aussicht gestellt werden. Darauf ist in der Bauberatung hinzuweisen.

 

Die städtebauliche Bauberatung soll auch zum frühestmöglichen Zeitpunkt auf die Verpflichtung zur Berücksichtigung aller vor dem Grundstück befindlichen Straßenbäume hinweisen. Als Nachweis soll der schriftliche Nachweis einer Abstimmung mit FB Grün eingefordert werden. Die Einbeziehung der Straßenbäume in der frühen Planung dient dem maximalen Erhalt des Baumbestands nach sachlicher Prüfung aller Alternativen.

 

Hiermit soll verhindert werden, dass Umbaumaßnahmen für einen Baumerhalt nach Beginn der Ausführung aufgrund des Baufortschritts als unzumutbare Härte gewichtet werden.

 

Anpassungen in einer frühen Planungsphase führen in der Regel gegenüber Umplanungen bzw. Umbauten zu so geringen Kosten, dass die Zumutbarkeit gegeben ist. Ausnahmen finden sich bei Randbedingungen, die die Nutzung des Grundstücks bei Baumerhalt nicht mehr zulassen. Die Kontrolle des Baumschutzes auf Baustellen muss intensiviert werden, um Vergehen bereits frühzeitig anzuzeigen und weitere Schäden durch Unachtsamkeit/ Unwissenheit vorzubeugen. Ist die Fällung unumgänglich, so soll im privatrechtlichen Verfahren zusätzlich zum Wertersatz nach Methode Koch der Wert insbesondere alter Gehölze aus ökologischer Sicht und für das städtische Klima durch eine Zahlung anerkannt werden. Diese Zahlung ermöglicht die Pflanzung weiterer Bäume, deren Anzahl in Relation zum ökologischen Gegenwert des zu fällenden Baumes steht.

 

llgenehmigungen für Tiefgaragen-Zufahrten sind in der Regel nicht in Aussicht zu stellen und auf jeden Fall dem Abteilungsleiter vorzulegen.

 

Die frühzeitige Einbeziehung der Straßenbäume vor Bauausführung dient darüber hinaus einer abgestimmten Anordnung der Baustelleneinrichtungsflächen einschließlich der Kranstandorte. Schäden bei Bauvorhaben durch unachtsamen Umgang oder fehlenden Baumschutz führen zu bleibenden Mängeln an Straßenbäumen und verringern deutlich deren Standzeit. Hier ist zukünftig die Forderung eines Sicherheitseinbehalts explizit für Baumschäden in das Sondernutzungsverfahren zu integrieren.

 

Zur Bemessung des monetären Wertes eines Baumes hat sich im deutschsprachigen Raum die vom BGH anerkannte Methode Koch etabliert. Sie kommt insbesondere in Angelegenheiten des Schadenersatzes und der Entschädigung zum Tragen und stellt somit vorrangig eine rein ökonomisch orientierte Bewertung dar. Bei dieser Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren, wird zwar ganz bewusst die Funktion eines Baumes (im Sinne der spezifischen Bedeutung des Gehölzes für das Grundstück auf dem es sich befindet) berücksichtigt - sie ist sogar eine unabdingbare Voraussetzung zur korrekten Anwendung des Verfahrens - nicht aber dessen darüber hinaus reichenden, ökologischen Leistungen. Daher wird im Bezirk ab sofort der durch den Kronenumfang (Blattmasse) ermittelte CO2 Filtereffekt als Ausgleich gefordert. Diese Neuregelung wird das Bezirksamt zum Ende des Jahres evaluieren.

 

Das Bezirksamt bittet, die Beschlüsse damit als erledigt zu betrachten.

 

 

 

Kirstin Bauch Oliver Schruoffeneger

Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat

 


 

 
 

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