Drucksache - 0920/4  

 
 
Betreff: Nichtständiger Ausschuss "Kolonie Oeynhausen" - Abschlussbericht
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD/Grüne/CDU/Piraten 
Verfasser:Wuttig/Dr.Vandrey/Wapler/Klose/Pabst 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
22.05.2014 
32. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
29.01.2015 
41. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Antrag neu
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme
Minderheitenvotum der Piraten-Fraktion

Die BVV möge beschließen:

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

I. Einleitung                                                                                                                                                                        2

II. Aufgabenstellung                                                                                                                                                          2

III. Tätigkeitsbericht und einleitende Erläuterung                                                                                    4

1. Überblick über die Ausschussarbeit                                                                                                                4

2. Chronologischer Ablauf des Verfahrens                                                                                                  5

3. Die Vermerke Stadt III E                                                                                                                                            5

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse der jeweiligen Anhörungen                                                        6

1. Anhörung von Frau BzStR'in König (3. Sitzung des Ausschusses, 04.07.2014)                            6

2. Anhörung von Herrn BzBm Naumann (4. Sitzung des Ausschusses, 26.08.2014)              7

3. Anhörung von Herrn Klaus-Dieter Gröhler, MdB

    (6. Sitzung des Ausschusses, 15.09.2014)                                                                                                  8

4. Anhörung von Herrn BzStR Schulte

    (5. und 8. Sitzung des Ausschusses, 12.09.2014 und 07.10.2014)                                          9

V. Wesentliches Ergebnis der Ausschussbefragungen und -ermittlungen                                             12

VI. Votum des Ausschusses                                                                                                                              13

VII. Schlussbemerkung                                                                                                                                            15

 

 

 

 

 

I. Einleitung

Die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf hat in ihrer 32. Sitzung am 22.05.2014 zur Drucksache Nr. 920/4 die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses „Kolonie Oeynhausen“ beschlossen:

„Zur Untersuchung der von verschiedener Seite im Zusammenhang mit der Prozessführung des Bezirksamtes vor dem Verwaltungsgericht Berlin zum Bürgerentscheid und der damit verbundenen Kostenschätzung in den Raum gestellten Behauptungen wird gem. § 29 Abs. 2 S. 2 GO BVV ein nichtständiger Ausschuss mit neun Mitgliedern im Verhältnis 3:3:2:1 eingerichtet.

Der BVV ist bis zum 30.11.2014 ein Abschlussbericht vorzulegen.“

 

Als Ausschussmitglieder an der Bearbeitung der Aufgabenstellung der BVV waren Herr Arne Herz, Frau Susanne Klose, Herr Stefan Häntsch, Herr Bassem Al Abed, Frau Heike Schmitt-Schmelz, Herr Holger Wuttig, Herr Ansgar Gusy, Herr Christoph Wapler und Herr Siegfried Schlosser beteiligt. In seiner ersten öffentlichen Sitzung am 12.06.2014 hat der Ausschuss Herrn Al Abed als Vorsitzenden und Herrn Stefan Häntsch als seinen Stellvertreter gewählt.

Dem Ausschuss Rede und Antwort gestanden haben Frau BzStR'in König, Herr BzBm Naumann, Herr BzStR Schulte und Herr Gröhler (MdB). Ihnen und den Mitarbeitern, die sie zu den Sitzungen begleitet haben, dankt der Ausschuss für ihre Auskunftsbereitschaft und ihre Unterstützung der Ausschussarbeit.

 

II. Aufgabenstellung

Die Aufgabenstellung des Ausschusses ergibt sich eindeutig aus dem voranstehend zitierten Beschluss der BVV vom 22.05.2014. Damit steht auch fest, dass es nicht Sache des Ausschusses ist, sämtliche Vorgänge rund um die Kleingartenkolonie „Oeynhausen“ und die Politik des Bezirksamtes im Hinblick auf selbige zu bewerten.

 

Der Ausschuss hatte sich einzig und allein mit dem Rechtsstreit zu befassen, den die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens „Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ gegen das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, zum Aktenzeichen 2 K 50.13 vor dem Verwaltungsgericht Berlin geführt haben und der Frage, ob dem Bezirksamt im Rahmen dieses Rechtsstreits Versäumnisse vorzuwerfen sind.

 

Die allgemein gehaltene Aufgabenstellung, nach Versäumnissen des Bezirksamtes in dem vorgenannten Rechtsstreit zu suchen, hatte einen konkreten Hintergrund, namentlich den von verschiedenen Seiten in den Raum gestellten Vorwurf, das Bezirksamt habe dem Verwaltungsgericht für die Entscheidungsfindung wesentliche Informationen vorenthalten. Obwohl in einem Rechtsstreit viele verschiedene Versäumnisse denkbar wären, die einer Partei unterlaufen können – hier wäre an Fristversäumnisse, falsche Anträge, etc. zu denken – hat sich der Ausschuss im Wesentlichen mit der Frage befasst, ob das Bezirksamt dem Verwaltungsgericht Informationen oder Unterlagen nicht vorgelegt hat, zu deren Vorlage es eigentlich verpflichtet war.

 

Anders als in einem zivilrechtlichen, kontradiktorischen Verfahren, in dem die Parteien - in den Grenzen des Strafrechts bzw. des nach der ZPO rechtlich Zulässigen - frei darin sind, zu entscheiden, welche Informationen und Dokumente sie dem erkennenden Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits zur Verfügung stellen (sogenannter Beibringungsgrundsatz) und es oftmals für den Prozessführenden sogar geboten ist, die eigene Rechtsposition schwächende Belege nicht vorzulegen, ist eine Behörde in einer Verwaltungsstreitsache verpflichtet, dem erkennenden Verwaltungsgericht alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen, auch wenn diese der Rechtsauffassung der Behörde widersprechen.

 

Dies ergibt sich aus dem im Verwaltungsgerichtsverfahren maßgeblichen Amtsermittlungsgrundsatz, § 86 Abs. 1 VwGO, sowie weiteren aus diesem Grundsatz abgeleiteten Regelungen. § 99 Abs. 1 VwGO konkretisiert den Amtsermittlungsgrundsatz im Hinblick auf die Vorlagepflicht der Behörden:

 

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

 

In einem zivilrechtlichen Verfahren begegnen sich die Parteien auf Augenhöhe. Es gibt kein Über- oder Unterordnungsverhältnis. Es streiten sich hier zwei Private und rufen den Staat bzw. seine Gerichtsbarkeit hier quasi als „Schiedsrichter“ an. In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren begegnen sich, nicht immer, aber in der Regel und auch in dem vom Ausschuss zu bewertenden Rechtsstreit, der Bürger und der hoheitlich handelnde Staat im Rahmen eines Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses. Es gilt daher gem. § 86 Abs. 1 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; die Effektivität des Rechtsschutzes des Bürgers darf nicht davon abhängen, wie geschickt die Behörde mit den Informationen spielt und im Prozess taktiert. Die Behörde muss dem Gericht daher das „ganze Bild“ zeigen. § 99 Abs. 1 VwGO ist damit eine Ausprägung des Prinzips des effektiven Rechtsschutzes, das sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ergibt. Das Bundesverfassungsgericht hält dazu fest:

 

2. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließt ein, dass die Verwaltungsvorgänge, welche die für das Verwaltungsverfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen Erwägungen dokumentieren, dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und der geltend gemachten Rechtsverletzung von Bedeutung sein können.

 

a) Wie das Bundesverfassungsgericht stets betont hat, verlangt der Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen im Hinblick auf die Wahrung oder die Durchsetzung seiner subjektiven öffentlichen Rechte gewährt, eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 84, 34 <49>; stRspr). Die Gewährleistung schließt einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Verletzungen der Individualrechtssphäre durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt ein (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; stRspr). Ein solcher Rechtsschutz ist von besonderer Bedeutung, wenn es um die Abwehr von Grundrechtsverletzungen oder um die Durchsetzung verfassungsrechtlicher Gewährleistungen zugunsten des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt geht (vgl. BVerfGE 60, 253 <266>).

Zur Effektivität des Rechtsschutzes gegenüber der öffentlichen Gewalt gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um drohende Rechtsverletzungen abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben (vgl. BVerfGE 61, 82 <111>; stRspr). Das schließt grundsätzlich eine Bindung des Gerichts an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen aus (vgl. BVerfGE 15, 275 <282>; 84, 34 <49>). Das Gericht muss die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen.

 

Soweit die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, die zu der angegriffenen Entscheidung geführt haben, wird auch die Kenntnisnahme durch das Gericht von dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG umschlossen. Andernfalls wäre ihm die Gewährung eines umfassenden Rechtsschutzes unmöglich. Es müsste überall dort, wo keine anderen Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, von den Darlegungen der Behörden ausgehen und könnte allenfalls prüfen, ob die Entscheidungen auf der Grundlage der als zutreffend zu unterstellenden Behauptungen rechtmäßig sind.

 

b) Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen gewährleistet, bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (vgl. BVerfGE 60, 253 <268 f., 294>).

 

Im Regelungszusammenhang der Verwaltungsgerichtsordnung trägt § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 GG an die umfassende gerichtliche Nachprüfbarkeit des Verwaltungshandelns Rechnung, indem er alle Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Die Vorschrift dient dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung (vgl. BTDrucks I/4278, S. 44, zu § 100 VwGO), der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht sowie der Kenntnis der Beteiligten von den maßgeblichen Vorgängen (vgl. BVerwGE 14, 31 <32>; 15, 132 <132 f.>) und bildet insofern eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

 

Da hier keine nationalen Interessen oder sonstige Gemeinwohlinteressen eine Geheimhaltung von Informationen gebieten, dürfte als Ausgangspunkt festzuhalten sein, dass das Bezirksamt in dem fraglichen Rechtsstreit verpflichtet war, das Verwaltungsgericht umfassend über die Sache, über die es zu befinden hatte, zu informieren.

 

Gegenstand des Rechtsstreits war die Validität und die Rechtmäßigkeit der Kosteneinschätzung, die das Bezirksamt gem. § 45 Abs. Abs. 4 S. 2 BezVG3 für den Fall der Verwirklichung des mit dem Bürgerbegehren verfolgten Anliegens zu treffen hatte. Der Klageantrag lautete dementsprechend, „den Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 3. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das am 13. November 2012 angezeigte Bürgerbegehren „Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ für zulässig zu erklären mit der Bindungswirkung eines entsprechenden Bürgerentscheids als Ersuchen und einer Kosteneinschätzung bis zur Höhe von maximal 2,3 Millionen Euro, hilfsweise, den Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 3. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2013 hinsichtlich der Kosteneinschätzung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einschätzung der Kosten auf maximal 2,3 Millionen Euro vorzunehmen.“

 

Von verschiedenen Seiten wurde die Auffassung vertreten, und dies hat auch zur Einsetzung dieses nichtständigen Ausschusses geführt, dass das Bezirksamt die voranstehend herausgearbeitete Pflicht zur Vorlage von allen relevanten Belegen bzw. der Zurverfügungstellung aller relevanten Informationen für das Verwaltungsgericht in dem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht wegen des Bürgerbegehrens „Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ verletzt und des dem Verwaltungsgericht so nicht ermöglicht habe, die Rechtmäßigkeit der Kostenschätzung umfassend zu prüfen. Die Begründetheit dieses Vorwurfs aufzuklären war wesentlicher Gegenstand der Ausschussarbeit.

 

III. Tätigkeitsbericht und einleitende Erläuterung

 

1. Überblick über die Ausschussarbeit

 

Der Ausschuss hat wie folgt getagt:

12.06.2014: 1. Sitzung               Konstituierung

30.06.2014: 2. Sitzung               Inhaltliche Planung der Ausschussarbeit

04.07.2014: 3. Sitzung               Anhörung von Frau BzStR'in König

26.08.2014: 4. Sitzung               Anhörung von Herrn BzBm Naumann

12.09.2014: 5. Sitzung               Anhörung von Herrn BzStR Schulte

15.09.2014: 6. Sitzung               Anhörung von Herrn Gröhler, MdB

30.09.2014: 7. Sitzung               Inhaltliche Planung der weiteren Ausschussarbeit

07.10.2014: 8. Sitzung               Anhörung von Herrn BzStR Schulte

03.11.2014: 9. Sitzung               Besprechung des ersten Entwurfs des Abschlussberichts

17.11.2014: 10. Sitzung               Bearbeitung des Abschlussberichts

24.11.2014: 11. Sitzung               Bearbeitung des Abschlussberichts

08.12.2014: 12. Sitzung               Bearbeitung des Abschlussberichts

12.01.2015: 13. Sitzung               Beschlussfassung über die Endfassung des Abschlussberichts

 

 

 

 

2. Chronologischer Ablauf des Verfahrens

 

13.11.2012: schriftliche Anzeige des Bürgerbegehrens an das Bezirksamt; das Verfahren wird bei der Abteilung Bürgerdienste (Wahlamt) geführt.

04.12.2012: Vorlage der Abteilung Bürgerdienste in der Bezirksamtssitzung zum Bürgerbegehren mit Kostenschätzung auf Vorschlag der Abteilung Stadtentwicklung, Beschluss über dessen Zulässigkeit.

03.01.2013: Bescheid vom Bezirksamts, mit dem die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt wird, zugleich Feststellung, dass,  „[s]ollte es zur bauplanungsrechtlichen Festsetzung der Fläche als Dauerkleingärten kommen, können Entschädigungszahlungen bis zu einer Höhe von 25 Millionen Euro an die Grundstückseigentümerin fällig werden, für die im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliegt.“

11.01.2013: Widerspruch der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens gegen die Kostenschätzung und die Aussage, dass für das Kostenrisiko im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliege.

22.02.2013: Beschluss des Bezirksamtes über den Widerspruch nach Vorlage der Abteilung Bürgerdienste.

05.02.2013: Widerspruchsbescheid des Bezirksamtes; Teilabhilfe: Die Formulierung „für die im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliegt“ wurde gestrichen, bei der Benennung eines Höchstbetrages von 25 Mio. EUR für das Kostenrisiko blieb es.

07.03.2013: Klage der Vertrauenspersonen gegen das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vor dem Verwaltungsgericht.

22.03.2013: Anforderung des Verwaltungsvorgangs von der Abteilung Bürgerdienste durch das Rechtsamt und Bitte um Erläuterung der Kostenschätzung durch das Rechtsamt bei BzStR Schulte.

12.04.2013: Beantwortung der Anfrage des Rechtsamts vom 22.03.2013 über BzStR Schulte; Übermittlung des Vermerks „Stadt III E 1“ (Erläuterung siehe unten) vom 29.09.2011 in der Anlage zum Antwortschreiben.

26.04.2013: Klageerwiderung mit Begründung der Kostenschätzung und Beifügung des Verwaltungsvorgangs der Abteilung Bürgerdienste; Anregung zur Beiziehung der Gerichtsakten aus dem Parallelverfahren 19 K 177.12.

29.08.2013: Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (Geschäftszeichen 2 K 50.13); Klageabweisung.

 

3. Die Vermerke Stadt III E

 

In den Befragungen kommt die Sprache immer wieder auf die Vermerke Stadt III E. Daher sei der kurze erläuternde und ein Teilergebnis der Ausschussarbeit vorwegnehmende Einschub zur besseren Verständlichkeit erlaubt:

 

Es gibt drei Vermerke, die ein Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes (Stadt III E), am 29.09.2011, am 19.12.2011 und am 06.02.2012 angefertigt hat. Der Vermerk vom 29.09.2011 enthält drei verschiedene Szenarien zum potentiellen, für den Bezirk bei Festsetzung der Fläche der Kleingartenkolonie Oeynhausen als Grün- bzw. Kleingartenfläche bestehenden finanziellen Risiko, die sich in einem Rahmen von ca. 870.000,00 EUR über 1,6 Mio. EUR bis zu 25 Mio. EUR bewegen.

 

„In Fortsetzung des Arbeitsauftrages vom 29.09.2011“ revidiert der betreffende Mitarbeiter mit seinen Vermerken vom 19.12.2011 und vom 06.02.2012 das Szenario mit dem hohen Entschädigungsrisiko von 26 Mio. EUR, wie es im ursprünglichen Vermerk vom 29.09.2011 noch dargestellt wurde, zugunsten eines möglichen Übernahmeanspruchs bei einem Marktwert von ca. 870.000,00 EUR. Diese Vermerke werden im Folgenden als „Stadt III E Folgevermerke“ oder „Stadt III E 2“ womit der Vermerk vom 19.12.2011 gemeint ist, und „Stadt III E 3“, womit der Vermerk vom 06.02.2012 gemeint ist, bezeichnet.

 

Unstreitig befand sich der Vermerk vom 29.09.2011 in der B-Plan-Akte zum B-Plan-Verfahren IX/205a, die das Verwaltungsgericht beigezogen hat. Die beiden anderen Vermerke befanden sich hingegen in einer Gutachten-Akte, einer zur B-Plan-Akte gehörenden Nebenakte, in der das B-Plan-Verfahren betreffende Rechts- und Wertgutachten geführt werden.

 

Die „Stadt III E Folgevermerke“ wurden, zusammen mit anderen Unterlagen, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt am 01.03.2012 übermittelt.

 

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse der jeweiligen Anhörungen

 

Die Befragung der im Ausschuss zur Auskunftserteilung erschienen Personen war sehr intensiv und in die Tiefe gehend. Die Sitzungen wurden aufgezeichnet und anschließend, sprachlich etwas geglättet, in umfangreichen Protokollen verschriftlicht.

 

Nicht immer standen die Redebeiträge in direktem Zusammenhang mit der Aufgabenstellung des Ausschusses. Die Debatte um die Erhaltung der Kleingartenkolonie Oeynhausen hat mittlerweile zu zwei Verwaltungsgerichtsverfahren, zwei Strafanzeigen, einer Fülle von Gutachten, zwei Sondersitzungen der BVV, einer Vielzahl von Anträgen und Anfragen in nahezu jeder regulären Sitzung der BVV geführt. Diese komplexe und zum Teil auch emotionsgeladene Debatte klang auch immer wieder in den Sitzungen des Ausschusses durch, es ging teilweise um „Was-wäre-wenn-Szenarien“, die Frage der Validität der Einschätzung des Entschädigungsrisikos, um verschiedene Möglichkeiten des Erhalts der Kleingärten, die bestanden haben und vielleicht noch bestehen, die Frage, wie mit dem Erschließungsangebot des Investors aus Februar 2011 umgegangen worden ist, um die Verhandlungen über die Teilbebauung, etc. So sind weit mehr als 60 Seiten Sitzungsniederschriften alleine für die Anhörungen der Dezernenten angefallen.

 

Die nachfolgende Zusammenfassung kann und soll insofern nicht die Niederschriften der Ausschusssitzungen ersetzen, sondern vielmehr die für die dem Ausschuss gegebene Aufgabenstellung relevanten Aussagen in geraffter Form darstellen.

 

1. Anhörung von Frau BzStR'in König (3. Sitzung des Ausschusses, 04.07.2014)

 

Festzuhalten ist vorab, dass Frau BzStR'in König ihr Amt in der Nachfolge von Herrn Klaus-Dieter Gröhler erst nach ihrer Wahl in der 25. Sitzung der BVV am 21.11.2013 und damit zu einem Zeitpunkt, als der hier gegenständliche Verwaltungsrechtsstreit bereits beendet war, übernommen hat. Alle getroffenen Äußerungen mussten daher auf Zuarbeiten und eigener Aktenrecherche beruhen, da Frau BzStR'in König an den Vorgängen im Bezirksamt nicht beteiligt war und insofern nicht aus eigener Anschauung bzw. eigenem Erleben berichten konnte.

 

Frau BzStR'in König wird als für das Wahlamt, bei dem wiederum die fachliche Zuständigkeit für die Durchführung des Bürgerbegehrens lag, zuständige Dezernentin angehört.

 

Frau BzStR'in König hat bekundet, dass nach Zustellung der Klage vom 07.03.2013 das Rechtsamt beim Wahlamt den gesamten dortigen Vorgang angefordert habe. Man habe daraufhin sämtliche das Bürgerbegehren betreffenden, beim Wahlamt vorhandenen Aktenstücke dem Rechtsamt, das den Prozess für das Bezirksamt geführt bzw. das Bezirksamt vor dem Verwaltungsgericht vertreten habe, übermittelt.

 

Nach Lage der Akten sei die vom Rechtsamt gefertigte Klageerwiderung nicht vor ihrem Versand an das Verwaltungsgericht mit dem Wahlamt abgestimmt worden.

 

Zum dem Rechtsstreit vorangegangenen Verwaltungsverfahren befragt, erklärte Frau BzStR'in König, dass die Abteilung Stadtentwicklung im Vorfeld eine Kostenschätzung übermittelt habe. Es habe im Bezirksamt unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob tatsächlich die Summe bzw. eine Höchstsumme für das finanzielle Risiko von 25. Mio. EUR zu benennen gewesen sei, gegeben. Dem Wahlamt habe es naturgemäß an der fachlichen Kompetenz zur Überprüfung der von der Abteilung Stadtentwicklung vorgenommenen Kostenschätzung gefehlt. Angesichts der vielen verschiedenen im Raum stehenden Szenarien wäre es nach im Wahlamt herrschender Auffassung besser gewesen, überhaupt keine Summe zu benennen, sondern die Frage des finanziellen Risikos für den Bezirk durch eine Formulierung wie etwa „in derzeit nicht bezifferbarer Höhe“ offen zu lassen.

Die Entscheidung des Bezirksamtes, den Formulierungsvorschlag des Wahlamtes für den Widerspruchsbescheid teilweise zu verwerfen und weiterhin für das Entschädigungsrisiko eine Höchstsumme von 25. Mio. EUR zu benennen, sei in einer Sitzung des Bezirksamtes im Januar 2013, in welcher das Widerspruchsverfahren auf der Tagesordnung gestanden habe, gefallen. Danach habe sich das Wahlamt zu richten gehabt.

 

2. Anhörung von Herrn BzBm Naumann (4. Sitzung des Ausschusses, 26.08.2014)

 

Herr BzBm Naumann ist als das für das Rechtsamt zuständige Bezirksamtsmitglied vom Untersuchungsgegenstand des Ausschusses betroffen. Der BzBm hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem Ausschuss deutlich gemacht, dass das Rechtsamt eine Art „Servicestelle“ für alle Abteilungen des Bezirksamtes sei, auf dessen Expertise ggf. zugegriffen werde. Das Rechtsamt sei an allen Sitzungen des Bezirksamtes beteiligt, eine Sitzung finde nie ohne rechtliche Expertise statt. In der Wahrnehmung seiner Aufgaben, vor allem in der Prozessführung handele das Rechtsamt weitestgehend eigenverantwortlich, eine fachlich-politische Begleitung eines Rechtsstreits, z.B. durch Wahrnehmung eines Gerichtstermins durch den zuständigen Stadtrat oder den Bezirksbürgermeister komme sehr selten vor und sei auch im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

 

Noch einmal auf den Gedanken der rechtskundigen Servicestelle zurückkommend hielt Herr BzBm Naumann fest, dass das Rechtsamt hier nicht federführend gewesen sei, sondern lediglich als Servicestelle für das fachlich zuständige Wahlamt fungiert und den Rechtsstreit für dieses geführt habe. Eine fachliche Teilzuständigkeit habe auch bei der Abteilung Stadtentwicklung gelegen, von der auf direktem Wege Zuarbeiten abgefordert worden seien.

 

Auf Nachfrage des Rechtsamts vom 22.03.2013 zum Zustandekommen der Kostenschätzung sei diesem vom Stadtplanungsamt mit Schreiben vom 12.04.2013 über das Büro des BzStR Schulte eine kurze Erläuterung hierzu nebst dem Vermerk Stadt III E vom 29.09.2011 übermittelt worden. Die „Stadt III E Folgevermerke“ vom 19.12.2011 und vom 06.02.2012 seien bis zum Verfahren über eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn BzStR Schulte im Februar 2014 weder dem Herrn BzBm, noch dem Rechtsamt bekannt gewesen. Sie hätten mithin mangels Kenntnis hiervon im Rahmen des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht auch nicht vorgelegt werden können. Grundlage für die Prozessführung des Bezirksamtes sei insofern der Vermerk vom 29.09.2011 gewesen.

 

Ihm sei aber zugleich zur Kenntnis gelangt, dass die „Stadt III E Folgevermerke“ bereits im Jahr 2012 durch die fachlich zuständige Stelle als nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechend verworfen worden seien, was aus seiner Sicht, so Herr BzBm Naumann, nachvollziehbar und dienstrechtlich nicht zu beanstanden sei. Insofern habe es keine Veranlassung gegeben, diese in die Erörterungen im Bezirksamt einfließen zu lassen.

 

Bezüglich der Erörterungen im Bezirksamt und dessen Arbeit insgesamt hat Herr BzBm Naumann außerdem verdeutlicht, dass es nicht der Arbeitsweise des Bezirksamtes entspreche, einzelne Vermerke zu diskutieren. Es berichtet vielmehr der jeweils zuständige Dezernent über den Sachstand einer in seinem Verantwortungsbereich geführten Angelegenheit.

 

Herr BzBm Naumann vertrat im Ausschuss die Auffassung, dass es überhaupt nicht zulässig sei, sich stets und ständig auf längst von der zuständigen Fachabteilung verworfene Sachstände zu beziehen. Der Leiter des Rechtsamts ergänzte, dass die „Stadt III E Folgevermerke“ nicht Bestandteil der Akte gewesen seien, die dem Verwaltungsgericht in diesem Rechtsstreit vorzulegen war. In dem hier gegenständlichen Rechtsstreit sei es alleine um die Frage gegangen, ob sich die Kostenschätzung, die das Bezirksamt in seiner Sitzung im Dezember 2012 als Kollegialorgan vorgenommen habe, in den Akten der für das Verwaltungsverfahren zuständigen Abteilung Bürgerdienste wiederfinde. Und dies sei der Fall gewesen.

 

Der von der Abteilung Stadtentwicklung übermittelte Ausgangsvermerk vom 29.09.2011 habe sich in der B-Plan-Akte, die, so der Leiter des Rechtsamts weiter, bereits wegen eines anderen Rechtsstreits dem Verwaltungsgericht vorlag, befunden. Es sei insofern schriftsätzlich darauf hingewiesen worden, dass der Vermerk vom 29.09.2011 Grundlage der Kostenschätzung des Bezirksamtes sei und die Beiziehung der B-Plan-Akte angeregt worden; das Verwaltungsgericht ist der Anregung gefolgt, die B-Plan-Akte ist damit auch Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden. Wären die beiden „Stadt III E FolgevermerkUnbenannt 3rke“ ebenfalls Bestandteil der B-Plan-Hauptakte - die Gutachtenakte lag dem Verwaltungsgericht nicht vor - gewesen, so wäre schriftsätzlich darauf hingewiesen worden, dass diese nicht mehr den aktuellen Meinungsstand des Bezirksamtes wiedergeben.

 

Auf das dem Rechtsstreit vorausgehende Verwaltungsverfahren und die Beschlussfassung des Bezirksamts angesprochen, ist der Herr BzBm Naumann der Darstellung von Frau BzStR'in König, dass die Benennung einer Summe von 25 Mio. EUR im Bezirksamt umstritten gewesen sei, entgegengetreten. In dem vom damals noch zuständigen Bezirksamtsmitglied Klaus-Dieter Gröhler vorgelegten Beschlussentwurf zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens habe es unter Nr. 5 (Punkt „Haushaltsmäßige Auswirkungen“) sinngemäß geheißen, dass es ein Entschädigungsrisiko von bis zu 25 Mio. EUR gebe, für das im bezirklichen Haushalt keine ausreichende Deckung vorhanden sei. Nur der letzte Halbsatz - „für die im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliegt“ - sei kontrovers diskutiert und letztendlich Gegenstand einer Mehrheitsentscheidung gewesen. Die Nennung der Summe von bis zu 25 Mio. EUR habe, auch auf Anraten des Rechtsamtes hingegen nie zur Debatte gestanden.

 

3. Anhörung von Herrn Klaus-Dieter Gröhler, MdB (6. Sitzung des Ausschusses, 15.09.2014)

 

Herr Klaus-Dieter Gröhler anzuhören war ein Anliegen des Ausschusses, weil er sowohl als vormals zuständiger Baustadtrat, als auch als früherer für das Wahlamt zuständiger Stadtrat von dem Untersuchungsgegenstand dieses Ausschusses betroffen ist. Herr Klaus-Dieter Gröhler hat bis zur konstituierenden Sitzung der BVV am 27.10.2011 und der in dieser Sitzung erfolgten Neuwahl des Bezirksamtes das Bauressort, danach das Ressort Bürgerdienste, zu dem das Wahlamt gehört, verantwortet. Er ist mit seiner Wahl in den Deutschen Bundestag aus dem Bezirksamtskollegium im Oktober 2013 ausgeschieden.

 

Herr Gröhler bekundete zu dem Verwaltungsverfahren, das nach der Anzeige des Bürgerbegehrens mit Schreiben vom 13.11.2012 in Gang kam, dass es über den Textvorschlag Gesprächsrunden zwischen der Abteilung Bürgerdienste, Rechtsamt und der Abteilung Stadtentwicklung gegeben habe. Er als für das Wahlamt zuständiger Dezernent habe sich aber auf die Expertise der Abteilung seines das Bauressort verantwortenden Kollegen BzStR Schulte verlassen müssen, da es beim Wahlamt weder eine Fachkompetenz für die Erstellung einer Kostenschätzung, noch für die Überprüfung einer solchen gegeben habe. Die von der Abteilung Stadtentwicklung übermittelte Kostenschätzung, nach der ein Entschädigungsrisiko von bis zu 25 Mio. EUR bestanden habe, sei daher im Vertrauen auf deren Richtigkeit ungeprüft übernommen und dem Wahlamt nach seiner, Herrn Gröhlers, Erinnerung auch erläutert worden.

 

Zum Widerspruchsverfahren trägt Herr Gröhler im Gegensatz zu den von Herrn BzBm Naumann und Herrn BzStR Schulte getätigten Ausführungen vor, dass er im Widerspruchsverfahren große Bedenken gegen die Nennung der Höchstsumme von 25 Mio. EUR gehabt habe, in der Abstimmung im Bezirksamt aber unterlegen sei. Er selbst habe für eine vollständige Abhilfe des Widerspruchs, also das Unterlassen der Nennung eines Entschädigungshöchstbetrages vom 25 Mio. EUR, plädiert. In diesem Fall wäre es nicht zur Klage gekommen.

Nach der Kenntnis der „Stadt III E Folgevermerke“ bzw. der „Stadt III E Vermerke“ insgesamt im Bezirksamt befragt, bestätigte Herr Gröhler hingegen die Aussage des Herrn BzBm Naumann: Die „Stadt III E Folgevermerke“ seien ihm, Herrn Gröhler, nicht bekannt gewesen. Man dürfe sich eine Bezirksamtssitzung nicht so vorstellen, dass hier einzelne Vermerke diskutiert würden, sondern der jeweils verantwortliche Dezernent informiere über Sachstände momentan anstehender Vorgänge. Insofern verneinte Herr Gröhler die Kenntnis des Kollegialorgans Bezirksamt von den einzelnen „Stadt III E Vermerken“ bejahte aber zugleich, dass Herr BzStR Schulte über das, was in seiner Abteilung als Entschädigungsrisiko diskutiert worden sei, am Tisch des Bezirksamtes informiert habe. Auf Grund dessen sei seine eigene Abteilung stets davon ausgegangen, dass ein nicht abgesichertes Risiko von bis zu 25 Mio. EUR bestehen könnte.

 

Danach befragt, wo aus seiner Sicht die „Stadt III E Folgevermerke“, die sich in der Gutachten-Akte und nicht in der B-Plan-Akte befunden haben, hingehört hätten, vertrat Herr Gröhler die Auffassung, dass die Vermerke spätestens dann, wenn sie dem Vorgesetzten von Stadt III E, dem Leiter des Stadtplanungsamtes vorgelegen hätten, auch in die B-Plan-Akte hätten aufgenommen werden müssen.

 

Dazu, ob es einen festsetzungsfähigen B-Plan zur Einbringung in das Bezirksamt gegeben habe befragt teilte Herr Gröhler mit, dass ihm hiervon nichts bekannt sei.

 

Der Vermerk vom 19.12.2012 ist vom Leiter des Stadtplanungsamtes abgezeichnet. Der Vermerk vom 06.02.2012 ist, zumindest auf der den Ausschussmitgliedern vorliegenden Kopie, nicht abgezeichnet. Herr Gröhler vertrat hierzu die Auffassung, dass dieser Vermerk ebenfalls über den Tisch des Leiters des Stadtplanungsamtes gegangen sein müsse, weil die Vermerke der Senatsverwaltung übermittelt worden seien, wozu in eigener Kompetenz zu entscheiden Stadt III E nicht befugt sei.

 

Herr Gröhler merkte im weiteren Verlauf der Befragung ferner an, dass er es für vorteilhaft gehalten hätte, die „Stadt III E Folgevermerke“ zur B-Plan-Akte zu nehmen, schon deshalb, um sich nach einer eventuellen B-Plan-Festsetzung gegen Vorwürfe, ein bestehendes Entschädigungsrisiko „kleingerechnet“ zu haben, abzusichern. Er könne den Umstand, dass dies letzten Endes nicht erfolgt ist, aber auch nicht abschließend bewerten, weil er nicht wisse, wer die Akte letztendlich geführt habe und wessen Entscheidung es gewesen sei, die „Stadt III E Folgevermerke“ in der Gutachten-Akte abzulegen.

 

Ein Vermerk der bezirklichen Wertermittlungsstelle werde, so Herr Gröhler, durch ein Schreiben eines Staatssekretärs der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, in der angeraten wird, das Entschädigungsrisiko mit der Senatsfinanzverwaltung klären, nicht obsolet. Es sei aber das Recht des Abteilungsleiters, zu entscheiden, was seine Abteilung verlasse. Dass Vermerke in Nebenakten abgelegt werde, sei unschädlich solange die Akten aufeinander Bezug nähmen. Die Aktenführung in der Abteilung Stadtentwicklung sei stets sehr sorgfältig gewesen, sie lieg freilich nicht in den Händen des Abteilungsleiters. Wenn der Abteilungsleiter sich aber von seiner bisherigen Auffassung entferne, so Herr Gröhler, wäre es aus seiner Sicht vorteilhaft, wenn dies unter Nennung der Beweggründe durch einen Vermerk dokumentiert werde.

 

4. Anhörung von Herrn BzStR Schulte (5. und 8. Sitzung des Ausschusses, 12.09.2014 und 07.10.2014)

 

Zur Genese der Kostenschätzung, die letztendlich in den angegriffenen Ausgangsbescheid vom 03.01.2013 Eingang gefunden hat und die auch im Widerspruchsbescheid verblieben ist (abgeholfen wurde nur im Hinblick auf die Formulierung „für die [...] keine haushaltsmäßige Deckung vorliegt“) erläuterte Herr BzStR Schulte dem Ausschuss, dass auch er ursprünglich von einem Kostenrisiko in einer Größenordnung von 0,9 Mio. EUR ausgegangen sei. Die in den sogenannten „Stadt III E Folgevermerken“ niedergelegte Auffassung, dass das hohe Entschädigungsrisiko von bis zu 25 Mio. EUR, das nach der Übernahme des Amtes von Herrn Gröhler dem aktuellen Sachstand entsprochen habe, nach der Auswertung der fachkundigen Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Finkelnburg, den man damals mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt habe, nicht mehr aktuell sei, habe er damals gemeinsam mit der Abteilung, der er vorstehe, vertreten. Der Vermerk „Stadt III E 3“ vom 06.02.2012 sei insoweit als ein Vermerk zu einem Gespräch mit Prof. Dr. Finkelnburg, das in Auswertung und Ergänzung seines Gutachtens unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt geführt worden sei, zu verstehen und gebe die damalige Auffassung der Abteilung wieder.

 

Dennoch habe der B-Plan nur in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung festgesetzt werden können. Er habe daher, so Herr BzStR Schulte, die Senatsverwaltung mit Schreiben vom 01.03.2012 angeschrieben, auf das Prozessrisiko hingewiesen und unter Vorlage der B-Plan-Akte und der Gutachten-Akte, in der die beiden „Stadt III E Folgevermerke“ von Anfang an abgelegt gewesen seien, um Bestätigung der Rechtsauffassung des Bezirks und um Erklärung des Einverständnisses mit der Festsetzung des B-Plans gebeten. Auf diese Weise seien die Unterlagen zu den Akten der Senatsverwaltung gelangt.

 

Dieses Einverständnis sei aber nicht vorbehaltlos erteilt worden. Herr Staatssekretär Ephraim Gothe habe auf mehrfache Nachfrage in seinem Antwortschreiben vom 23.05.2012 zwar die Sicherung der Kleingärten gutgeheißen, eine zügige Festsetzung des Bebauungsplans empfohlen und eine begründete Hoffnung mitgeteilt, dass ein Entschädigungsanspruch in Höhe der Verkehrswertentschädigung für Wohnbauland abgewehrt werden könne, zugleich aber festgehalten, dass es nicht mit letzter Sicherheit vorhersehbar sei, ob das Kostenrisiko auf den Wert der bisher ausgeübten Nutzung der Fläche (also Kleingartenfläche) begrenzt sei oder ob der Investor nicht doch eine höhere Entschädigung auf der Grundlage von Baulandwert durchsetzen könne. Das Risiko für den Haushalt sollte, daher, so die damalige Empfehlung des Herrn Staatssekretärs Gothe, mit der Senatsverwaltung für Finanzen abgeklärt werden.

 

Mit dieser Einlassung habe für den Bezirk keine Sicherheit mehr bestanden. Für ihn, so Herr BzStR Schulte, habe festgestanden, dass nach Auffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt das Entschädigungsrisiko von 25 Mio. EUR, das auf den Baulandwert zurückgehe, nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Damit seien nach seiner Auffassung die „Stadt III E Folgevermerke“ hinfällig und im Hinblick auf ein B-Plan-Verfahren nicht mehr darstellbar gewesen. Der durch diese Vermerke revidierte Vermerk vom 29.09.2011, der alle Szenarien - die niedrige und die hohe Entschädigung - beinhalte, sei wieder maßgeblich geworden.

 

Gemäß der Empfehlung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt habe er sich dann mit Schreiben vom 07.06.2012 an die Senatsverwaltung für Finanzen gewandt. In diesem Schreiben habe er weiterhin die Auffassung vertreten, dass das Szenario mit dem geringen Kostenrisiko für den Bezirk in Höhe von 0,9 Mio. EUR, für das die Kleingärtner einzustehen bereits ihre Bereitschaft erklärt hätten, wahrscheinlich und ein höheres Risiko auf Grund der im Bezirk vorliegenden Fachgutachten als unwahrscheinlich einzuschätzen wäre. Dennoch habe er gemäß der Empfehlung von Herrn Staatssekretär Gothe um Abschirmung des hohen Risikos für den unwahrscheinlichen Fall von dessen Verwirklichung gebeten. Angesichts der unklaren rechtlichen Situation sei die Absicherung für die Festsetzung des B-Plans unabdingbar gewesen. Dies habe die Senatsverwaltung für Finanzen mit Schreiben vom 26.06.2012 abgelehnt.

 

Auf Grund dieser Gemengelage, so Herr BzStR Schulte, habe er nach sorgfältiger Prüfung entschieden, dass er, auch in Ansehung des seit Februar 2011 vorliegenden Erschließungsangebots,  dem hohen, mit ca. 25 Mio. EUR bezifferten Entschädigungsrisiko Beachtung schenken müsse, da dies nach der Rechtsauffassung der zuständigen Senatsverwaltung, dies habe sich aus dem Schreiben vom 23.05.2012 ergeben, anders als nach der vormaligen Auffassung des Bezirks, weiterhin bestanden habe. Deshalb habe diese Zahl, die im Vermerk „Stadt III E 1“ vom 29.09.2011 ermittelt worden sei, Eingang in den Bescheid an die Initiatoren des Bürgerbegehrens gefunden.

 

Herr BzStR Schulte legte in diesem Zusammenhang stets Wert darauf, dass er immer von einem Entschädigungsrisiko von bis zu 25 Mio. EUR gesprochen habe. Diese Formulierung lasse auch ein wesentlich niedrigeres Entschädigungsszenario offen. Er habe sich nie darauf festgelegt, dass ein Entschädigungsrisiko von 25 Mio. EUR bestehe.

 

Nach dem Eingang der Klage beim Rechtsamt habe ihn, so Herr Schulte, dessen Schreiben vom 22.03.2013 mit der Bitte um Erläuterung der Kostenschätzung von bis zu 25 Mio. EUR erreicht. Da die „Stadt III E Folgevermerke“ nicht mehr den aktuellen, von seiner Abteilung vertretenen Meinungsstand wiedergegeben hätten, sondern man wieder wegen der beschriebenen abweichenden Rechtsauffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auch das in dem Ursprungsvermerk vom 29.09.2011 enthaltene hohe Entschädigungsrisiko im Auge gehabt habe, wurde in der Anlage zum Antwortschreiben vom 12.04.2013 nur der Vermerk „Stadt III E 1“, der zu diesem Zeitpunkt (wieder) der Stand der Dinge gewesen sei, an das Rechtsamt zu Erläuterung der Kostenschätzung übermittelt. Man habe auch darauf hingewiesen, dass sich dieser Vermerk bei den B-Plan-Akten im Verfahren vor der 19. Kammer des Verwaltungsgerichts befinde. Das Rechtsamt habe nicht um Übermittlung der Akten gebeten.

 

Auf entsprechende Nachfrage erklärte Herr BzStR Schulte weiter, dass die B-Plan-Akte nicht durch ihn, sondern den zuständigen Mitarbeiter geführt worden sei, und noch werde, und er nicht darüber befunden habe, wo die beiden „Stadt III E Folgevermerke“ abgelegt werden sollten. Darüber habe allein der aktenführende Mitarbeiter befunden, der sie, da es sich bei den „Stadt III E Folgevermerken“ um Auswertungen des Gutachtens von Prof. Dr. Finkelnburg handele, zur Gutachtenakte (deren Anlage ebenfalls auf die Entscheidung des zuständigen Mitarbeiters zurückgehe) genommen habe, da sie seiner Einschätzung nach auf Grund des sachlichen Zusammenhangs eher dort hingehört hätten. Nach Auskunft seiner Mitarbeiter sei die Führung einer Gutachten-Akte als Bestandteil der B-Plan-Akte gängige Praxis. Herr BzStR Schulte macht deutlich, dass er nie die Anweisung gegeben habe, die Vermerke aus der B-Plan-Akte herauszunehmen bzw. sie an einem bestimmten Ort abzulegen. Sie hätten sich, so Herr BzStR Schulte, von Anfang an in der Gutachten-Akte befunden.

 

Diese Gutachtenakte, so ergibt sich auf weitere Nachfrage, lag dem Verwaltungsgericht weder in dem hier gegenständlichen Rechtsstreit, noch in dem Rechtsstreit um die Erteilung des Bauvorbescheides (Az. 19 K 177.12) vor.

 

Zur Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, den Meinungsumschwung innerhalb seiner Abteilung, der auf der fehlenden Rückendeckung der Senatsebene und der Anweisung „von oben“, auch das hohe Entschädigungsszenario im Auge zu behalten, beruhte, durch einen Vermerk, der die beiden „Stadt III E Folgevermerke“ revidiert, festzuhalten, teilte Herr BzStR Schulte mit, dass dies in der Tat zunächst nicht erfolgt sei. Er habe sich hierzu nicht veranlasst gesehen, da in der Akte ausreichend dokumentiert sei, dass die Verwaltung nunmehr von einem neuen Sachstand auszugehen habe. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Schreiben des Herrn Staatssekretär Gothe, aber auch aus seinem eigenen Schreiben an die Senatsverwaltung für Finanzen vom 07.06.2012. Formal revidiert worden seien die „Stadt III E Folgevermerke“ erst mit einem Vermerk vom 26.03.2014.

 

Auch dass die „Stadt III E Folgevermerke“ nicht in der B-Plan-Akte abgelegt worden seien, halte er für unproblematisch, da sich deren Inhalt, nämlich die zwischenzeitliche Annahme eines geringeren finanziellen Risikos von 0,9 Mio. EUR aus mehreren Stellen der B-Plan-Akte ergebe. So sei dieses in den „Stadt III E Folgevermerken“ propagierte Szenario in einem Vermerk des Leiters des Stadtplanungsamtes vom 24.02.2012, der Bestandteil der B-Plan-Akte sei, inhaltlich zusammengefasst. Zugleich ergebe sich dies aus dem Entwurf der Beteiligung der Öffentlichkeit am B-Plan-Verfahren aus Mai 2012 wie auch aus dem weiter vorangetriebenen Entwurf der Begründung des B-Plans, ebenfalls aus Mai 2012. Außerdem sei auch in den Schreiben an die Senatsverwaltungen vom 01.03.2012 (an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und vom 07.06.2012 (an die Senatsverwaltung für Finanzen) das Szenario aus den „Stadt III E Folgevermerken“ aufgegriffen. Die Vermerke seien damit in der B-Plan-Akte wiedergegeben und der Ablauf sei - auch für das Gericht - erkennbar gewesen.

 

Auch Herr BzStR Schulte bestätigt die bereits von den anderen Dezernenten beschriebene Arbeitsweise des Bezirksamtes, dass grundsätzlich nicht einzelne Aktenvermerke dort Gegenstand der Beratungen seien, sondern ein Thema als Ganzes, zu dem der jeweilige Sachstand berichtet werde. Der Themenkomplex „Oeynhausen“ habe regelmäßig auf der Tagesordnung gestanden und die verschiedenen Entschädigungsszenarien seien des öfteren Gegenstand ausführlicher Beratungen am Bezirksamtstisch gewesen. Im Hinblick auf die Frage, ob die Nennung der Entschädigungshöchstsumme von 25 Mio. EUR im Bezirksamt umstritten gewesen sei, trat Herr BzStR Schulte der Darstellung des Herrn Gröhler, er habe Bedenken gegen die Nennung dieser Summe geäußert, entgegen und bestätigte die Ausführungen des Herrn BzBm Naumann, dass nur der Zusatz „für die im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliegt“ umstritten gewesen sei.

 

 

 

V. Wesentliches Ergebnis der Ausschussbefragungen und -ermittlungen

 

Aus den durch die Fraktionen vorgenommenen Akteneinsichten und den Anhörungen der Dezernenten ergeben sich - nur im Bezug auf die dem Ausschuss zu Grunde liegende Fragestellung - folgende Feststellungen:

 

Das Rechtsamt hat den Prozess vor dem Verwaltungsgericht Berlin zum Bürgerbegehren und der damit verbundenen Kostenschätzung für das Bezirksamt geführt; vom Wahlamt wurde die Übermittlung des gesamten dortigen Verwaltungsvorgangs angefordert, die auch erfolgte; von der Abteilung Stadtentwicklung hat das Rechtsamt mit Schreiben vom 22.03.2013 eine Erläuterung, wie die im angegriffenen Bescheid vom 03.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2013 benannte Einschätzung des Kostenrisikos der Festsetzung des B-Plans IX/205a mit bis zu 25 Mio. EUR zustande kam, angefordert; die Zuarbeit der Abteilung Stadtentwicklung per 12.04.2013 enthielt als Erläuterung der Kostenschätzung nur den Ausgangsvermerk Stadt III E vom 29.09.2011, jedoch nicht die von ihrem Verfasser als „Fortsetzung des Arbeitsauftrages vom 29.09.2011“ bezeichneten „Stadt III E Folgevermerke“ vom 19.12.2011 und vom 06.02.2012, die ebenfalls die Höhe eines möglichen finanziellen Risikos bei Festsetzung des B-Plans (und damit den Gegenstand des Rechtsstreits um die Kostenschätzung) betrafen, und dieses mit 0,9 Mio. EUR bezifferten; das Rechtsamt konnte diese Vermerke also mangels Kenntnis von ihrer Existenz nicht in den Rechtsstreit einführen; Herr Bezirksstadtrat Schulte hatte Herrn Staatssekretär Gothe mit Schreiben vom 01.03.2012 über die Absicht unterrichtet, das B-Plan-Verfahren zur Grünflächenausweisung weiterzuführen, und wegen des mit einer Festsetzung verbundenen Prozessrisikos um ein Gespräch zur Abstimmung gebeten; diesem Schreiben waren die B-Plan-Akte und die Gutachten-Akte ebenso beigefügt wie der auf Basis des Vermerks vom 06.02.2012 überarbeitete Stadt III E Vermerk vom 29.09.2011 und die „Folgevermerke“ vom 19.12.2011 und 06.02.2012; auf dem überarbeiteten „Ursprungsvermerk“ war an den gestrichenen Teststellen jeweils vermerkt: „Überholt gemäß Vermerk Stadt III E vom 06.02.2012“ oder „überholt“; die „Stadt III E Folgevermerke“ haben zum Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. während des gesamten hier gegenständlichen Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr die aktuelle, in der für die Kostenschätzung zuständigen Abteilung des Bezirksamts herrschende Meinung zur Höhe eines möglichen Entschädigungsrisikos wiedergegeben. Dazu, ob die durch das Kollegialorgan des Bezirksamtes nach außen vertretene Auffassung, das Entschädigungsrisiko decke eine Bandbreite von bis zu 25 Mio. EUR ab, auf einem Mehrheits- oder einem einstimmigen Beschlusses beruhte, liegen sich widersprechende Einlassungen vor, so dass diese Frage vom Ausschuss nicht eindeutig geklärt werden konnte. Die „Stadt III E Folgevermerke“ wurden jedenfalls nicht, bzw. erst am 26.03.2014, durch einen eigens angelegten Vermerk inhaltlich revidiert; die „Stadt III E Folgevermerke“ waren dem Bezirksamt zum Zeitpunkt der Klagezustellung nicht bekannt; Kenntnis hiervon erlangte das Bezirksamt erst im Zusammenhang mit der Bearbeitung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn BzStR Schulte im Februar 2014; das Bezirksamtskollegium kannte zum Zeitpunkt der Klagezustellung die verschiedenen im Raum stehenden Auffassungen zur Höhe des finanziellen Risikos für den Bezirk, die eine Bandbreite von 870.000,00 EUR bis hin zu 25 Mio. EUR abdeckten; die „Stadt III E Folgevermerke“ wurden von Anfang an in einer als Nebenakte zur B-Plan-Akte geführten Gutachten-Akte abgelegt, ohne, dass ein Bezirksamtsmitglied darauf Einfluss genommen hätte; die „Stadt III E Folgevermerke“ sind dem Verwaltungsgericht zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangt; im Rechtsstreit 19 K 177.12, dessen Akten von der im vorliegenden Rechtsstreit über die Kostenschätzung erkennenden 2. Kammer des Verwaltungsgerichts auch beigezogen wurden, lag zwar die B-Plan-Akte, jedoch nicht die Gutachten-Akte vor.

 

Die Bewertung, ob die Nicht-Vorlage der „Stadt III E Folgevermerke“ ein dem Bezirksamt vorwerfbares Versäumnis in der Prozessführung ist, bleibt dem unter VI. dargestellten Abschlussvotum des Ausschusses vorbehalten. Weitere Anhaltspunkte für Versäumnisse haben sich nicht ergeben.

 

 

 

 

VI. Votum des Ausschusses

 

Dem Bezirksamt ist kein Versäumnis bei seiner Prozessführung vor dem Verwaltungsgericht Berlin zum Geschäftszeichen 2 K 50.13 vorzuwerfen. Im Einzelnen:

 

Weder die Akteneinsicht, noch die Anhörung von Frau BzStR'in König, noch die Anhörung von Herrn Gröhler haben Anhaltspunkte dafür geliefert, dass der Abteilung Bürgerdienste bzw. dem Wahlamt hier irgendein Vorwurf zu machen ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der bei der Abteilung Bürgerdienste vorhandene Vorgang dem Rechtsamt unvollständig übermittelt worden sein könnte, sonstige Versäumnisse sind nicht ersichtlich.

 

Gleiches ist für das Rechtsamt zu konstatieren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass gegen den Leiter des Rechtsamts wegen einer behaupteten Unterdrückung von Urkunden und eines behaupteten Prozessbetruges, begangen durch die Nicht-Vorlage der „Stadt III E Folgevermerke“ an das Verwaltungsgericht, gestellt wurde. Diese Strafanzeige ist nach den vom Ausschuss getroffenen Feststellungen vollkommen haltlos und entbehrt jeglicher Grundlage. Das Rechtsamt kannte die „Stadt III E Folgevermerke“ nicht und konnte sie demzufolge nicht vorlegen, selbst wenn es gewollt hätte. Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen den Leiter des Rechtsamts gem. § 170 Abs. 2 S. 1 StPO mangels Bestehens von Anhaltspunkten für eine strafrechtlich relevante Handlung eingestellt. Der Ausschuss heißt dies ausdrücklich gut.

 

Auch der Abteilung Stadtentwicklung ist im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht zur Kostenschätzung im Rahmen des Zulassungsbescheides für das Bürgerbegehren kein Vorwurf zu machen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die eingangs statuierte Informations- und Vorlagepflicht gem. § 99 Abs. 1 VwGO auch die nicht dem Rechtsamt zur Verfügung gestellten und demzufolge nicht in diesen Rechtsstreit eingeführten „Stadt III E  Folgevermerke“ vom 19.12.2011 und vom 06.02.2012 beträfe. Aus zweierlei Gründen ist dies nicht anzunehmen:

 

Zunächst erfasst die Vorlagepflicht nur die Akten, die den Streitgegenstand unmittelbar betreffen5. Vorliegend war also vordergründig die Akte zum das Bürgerbegehren betreffenden Verwaltungsvorgang vorzulegen, deren Bestandteil keiner der „Stadt III E Vermerke“ je war. Dementsprechend hat das Rechtsamt bei der Abteilung Stadtentwicklung bzw. beim Stadtplanungsamt nur eine Erläuterung angefordert, wie man von dortiger Seite darauf gekommen sei, den Wert eines Entschädigungsrisikos mit bis zu 25 Mio. EUR zu beziffern. Dem Antwortschreiben an das Rechtsamt wurde zur weiteren Erläuterung der Vermerk Stadt III E vom 29.09.2011 beigefügt, der die Erwägungen zu allen Entschädigungsszenarien abbildet. Den immer wieder erhobenen Vorwürfen, der Vermerk Stadt III E sei nicht vollständig vorgelegt worden, weil die Fortschreibungen vom 19.12.2011 und vom 06.02.2012 fehlten, ist entgegenzuhalten, dass sich aus der Anfrage des Rechtsamtes überhaupt keine Vorlagepflicht irgendwelcher Vermerke herleiten lässt. Es ging nur um eine Erläuterung der Kostenschätzung. Mithin wäre es auch nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Abteilung Stadtentwicklung dem Rechtsamt überhaupt keinen Vermerk vorgelegt, sondern es bei einer kurzen Erläuterung bewenden lassen hätte. Allerdings wäre es durchaus wünschenswert gewesen, um allen beteiligten Stellen eine inhaltlich vollständige Übersicht der Chronologie der Entscheidungsfindung zu ermöglichen, dem Verwaltungsgericht  auch die „Stadt III E Folgevermerke“ zu übermitteln.

 

Zum anderen ist die Nicht-Vorlage der „Stadt III E Folgevermerke“ nicht als Versäumnis zu bezeichnen, weil der Sinn und Zweck der Vorlagepflicht trotzdem erfüllt ist. Diese soll, wie eingangs herausgearbeitet wurde, das erkennende Gericht in die Lage versetzen, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme der Verwaltung auf der Grundlage aller Fakten zu beurteilen. Der Inhalt der „Stadt III E Folgevermerke“ findet sich zusammengefasst im Vermerk vom 24.02.2012, im Schreiben an die Senatsverwaltung vom 01.03.2012, in den Entwürfen der B-Plan-Begründung und der Beteiligung der Öffentlichkeit aus Mai 2012 und in dem Schreiben an die Senatsverwaltung für Finanzen wieder. Die Szenarien aus den „Stadt III E Folgevermerken“ bzw. der Hinweis darauf, dass das Entschädigungsrisiko auch 0,9 Mio. EUR betragen könnte, ist zusätzlich zu den verschiedenen Stellen in der vom Gericht beigezogenen B-Plan-Akte noch einmal ausdrücklich in der Klageerwiderung des Leiters des Rechtsamtes, allerdings verbunden mit dem Hinweis darauf, dass das Bezirksamt mittlerweile von einem anderen Sachstand ausgehe, erfolgt. Der Vorlagepflicht, die unzweifelhaft auch Erwägungen der Behörde, Entwürfe und Gutachten erfasst6 ist hier Genüge getan worden, denn das Verwaltungsgericht kannte die Szenarien mit dem geringeren Entschädigungswert, die die „Stadt III E Folgevermerke“ skizzieren. Dass das Verwaltungsgericht genau verstanden hat, dass sich auch ein geringeres Risiko verwirklichen könnte und es auch das Szenario mit dem geringeren Entschädigungsrisiko von „nur“ 0,9 Mio. EUR gesehen hat, zeigt sich an den folgenden Ausführungen:

 

Auch die vom Beklagten überschlägig ermittelte Höhe der möglichen Entschädigungsansprüche ist für das Gericht nachvollziehbar. Bereits vor der Anzeige des beabsichtigten Bürgerbegehrens hat das für die Wertermittlung zuständige Fachreferat des Beklagten am 29. September 2011 - im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens IX-205a - verschiedene Kostenszenarien auf der Grundlage der drei Rechtsgutachten durchgerechnet (Seite 40 der Bauakte des Beklagten 6142 IX - 205a Kolonie Oeynhausen - Nord, Bd. III). Bei dem für den Haushalt des Beklagten ungünstigsten Szenario ermittelte das Fachreferat Übernahmekosten in Höhe von 26 Millionen Euro. Es ging dabei von Bauerwartungsland aus, für das je nach Entwicklungsstufe ein Bodenwert von 10 Euro/m² (niedrigere Entwicklungsstufe/begünstigtes Agrarland) bis zu einem Bodenwert von 280 Euro/m² (höhere Entwicklungsstufe/Rohbaulandwert) angesetzt werden könnte. Bei Zugrundelegung des höchsten Wertes von 280 Euro/m² kam das Fachreferat des Beklagten zu einem Grundstückswert von 26 Millionen Euro. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist bei der Ermittlung des Bodenwerts pro Quadratmeter von den einschlägigen Wertermittlungsgrundsätzen (Bodenrichtwertkarte, Gutachterausschuss, Wertermittlungsliteratur) ausgegangen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Wertermittlung willkürlich oder zu Lasten des beabsichtigten Bürgerbegehrens erfolgte, gibt es nicht. Die Wertermittlung erfolgte vielmehr bereits vor der Anzeige des Bürgerbegehrens im Rahmen der Risikoeinschätzung für das Bebauungsplanverfahren IX-205a.

 

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Fachreferat den tatsächliche Qualitätsstichtag („1984, 1986, 2000 … oder?“) ebenso wie den zeitlich zugehörige Bauerwartungsgrad nicht hinreichend sicher fixieren konnte, durfte der Beklagte für die Kosteneinschätzung von der nach seiner Ermittlung maximalen Entschädigungszahlung ausgehen. Durch die von ihm gewählte Formulierung in der Kosteneinschätzung, dass Entschädigungszahlungen „bis zu einer Höhe von … fällig werden können“, wird auch deutlich, dass es sich um einen Höchstbetrag handelt. Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass das Bezirksamt in einem solchen Fall eine Spanne von Null bis zur maximalen Höhe der Entschädigungszahlungen als Kosteneinschätzung angeben muss. Es ist auch nicht verpflichtet, den untersten Wert und damit das geringste Risiko zu Grunde zu legen. Denn dies würde dem Zweck der Kosteneinschätzung, den Bürgern die finanziellen Auswirkungen des Vorhabens deutlich zu machen, nicht gerecht werden.“

 

Dem Verwaltungsgericht sind mithin keine relevanten Fakten vorenthalten worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat auch die weitere, gegen Herrn BzStR Schulte, ebenfalls mit den Vorwürfen der Urkundenunterdrückung und des Prozessbetruges gestellte Strafanzeige gem. § 170 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt.

 

Die Aktenführung oder andere den Themenkomplex „Kleingartenkolonie Oeynhausen“ betreffende Fragen hatte der Ausschuss, wie eingangs festgehalten, nicht zu beurteilen. Der Ausschuss hat nur zu bewerten, ob dem Bezirksamt ein Versäumnis bei der Prozessführung vor dem Verwaltungsgericht unterlaufen ist, das möglicherweise sogar Einfluss auf den Prozessausgang hatte. Diese Frage verneint der Ausschuss. Auch ein unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegendes Versäumnis ist nicht ersichtlich. Es liegt in keinerlei Hinsicht ein vorwerfbares Verhalten oder Versäumnis hinsichtlich der Prozessführung oder der Aktenvorlage an das Verwaltungsgericht vor.

 

 

 

 

 

VII. Schlussbemerkung

 

Das unter VI. ausgeführte Votum des Ausschusses wird von den Fraktionen der CDU, der SPD und der Grünen getragen. Die Fraktion der Piraten vertritt eine vom Mehrheitsvotum abweichende Auffassung, die in einem gesonderten Votum niedergelegt ist und ebenfalls dem BVV-Büro bzw. der Frau Bezirksverordnetenvorsteherin zur Kenntnis gegeben wurde.

 

Die Arbeit des Ausschusses wurde maßgeblich durch das BVV-Büro unterstützt; der Ausschuss dankt der Frau Vorsteherin und den Mitarbeiterinnen des BVV-Büros hierfür sehr herzlich. Zugleich hält der Ausschuss missbilligend fest, dass das Bezirksamt nicht, wie dies bei anderen Ausschüssen üblich ist, willens oder in der Lage war, den Ausschuss bei der Protokollierung seiner Sitzungen zu unterstützen, was die Ausschussarbeit nicht unerheblich erschwert hat. Die umfangreiche schriftliche Aufarbeitung hat dankenswerter Weise der Vorsitzende übernommen.

 

 


 

 
 

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