Drucksache - 0740/4  

 
 
Betreff: Sanierung des Internationalen Congress-Centrums (ICC)
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Dr.Vandrey/Kaas Elias/Wieland/Gusy 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
24.10.2013 
24. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Wie lange soll das ICC noch in Betrieb bleiben, wie ist die Auslastung und wirtschaftliche Situation des Congress Centrums und wieso soll es nicht weiter betrieben werden?
     
  2. Wie bewertet das Bezirksamt die Bedeutung des ICC als Kongress- und Wirtschaftsstandort für den Bezirk?
     
  3. Welche wirtschaftlichen und stadtentwicklungspolitischen Auswirkungen befürchtet das Bezirksamt bei einer längerfristigen oder dauerhaften Stilllegung des ICC?
     
  4. Wie bewertet das Bezirksamt die Absicht des Senats, private Investoren für eine Nutzung des ICC zu gewinnen?
     
  5. Wie hat sich bisher und wie will sich das Bezirksamt zukünftig für den Erhalt und die Sanierung des ICC einsetzen?

 

Zur Beantwortung Herrn BzStR Schulte:

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

für mich ist das ICC ja etwas ganz Besonderes, weil, 1980 hat meine Oma meinen Cousin und mich eingepackt und dann sind wir mit dem Bus zum ersten Mal nach Berlin gefahren und das erste Foto von mir in Berlin ist, wie ich dann Stolz mit meiner Oma vor dem ICC stehe.

 

Das Problem ist, dass diese Entscheidung und die Diskussion auf Landesebene geführt wird und als ich die erste Frage gelesen habe, dachte ich, frag mal die Senatsverwaltung für Wirtschaft und erstaunlicher Weise bekam ich auch eine Antwort.

 

Zu 1.:

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung teilte hierzu auf Anfrage mit:

"Im Oktober 2010 ist eine umfassende Bewertung aller mit Asbest und Künstlichen Mineralfasern belasteten Fundstellen im ICC vorgelegt worden. Auf der Grundlage dieser Bewertung ist nach Maßgabe der Asbest-Richtlinie mit der Sanierung innerhalb von drei Jahren zu beginnen oder die Nutzung des Gebäudes einzustellen.

 

Die Messe Berlin hat mit der Asbest-Sanierung dort begonnen, wo Fundstellen zu einer Gefährdung von Besucherinnen und Besuchern bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hätten führen können. Durch diese Maßnahmen konnte eine Schließung des ICC bisher vermieden werden.

Unabhängig von der Schadstoffbelastung kann der Betrieb des ICC als Versammlungsstätte für den Besucherverkehr aber nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Sicherheit für einen uneingeschränkten Veranstaltungsbetrieb gewährleistet ist.

 

Dies konnte aufgrund des Alters der technischen Anlagen bereits in den letzten Jahren nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand gewährleistet werden. Der TÜV Rheinland, der regelmäßig im Auftrag der Messe Berlin den Zustand der Anlagen überprüft, hat darauf hingewiesen, dass nur durch eine weitere Intensivierung der Prüfung aller relevanten technischen Anlagen und Überwachung der Veranstaltungen das ICC noch bis maximal Ende Juni 2014 als Veranstaltungsstätte nutzbar ist.

 

Die Aufrechterhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen funktionalen Betriebs einer Veranstaltungsstätte über den 30.06.2014 hinaus, würde allerdings dem Einstieg in eine umfassende Sanierung gleichkommen und mit unmittelbaren Investitionen in mindestens zweistelliger Millionenhöhe verbunden sein.

Von daher ist es folgerichtig und alternativlos, mit der Eröffnung des CityCube Berlin, voraussichtlich im Frühjahr 2014, das ICC vorübergehend stillzulegen, bis ein wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept vorliegt und ein Investor für die Durchführung der Sanierungs- und ggf. Umbaumaßnahmen gefunden ist.

 

Das ICC wird dafür in den Stillstandsbetrieb überführt. Das Gebäude soll dabei in einem Zustand gehalten werden, in dem von dem Gebäude keine Gefahren für die Öffentlichkeit und das erforderliche Betriebs- und Sicherheitspersonal ausgehen und in dem die Bausubstanz keinen Schaden nimmt. Derzeit wird durch die Messe die dafür erforderliche Planung erstellt."

 

Und jetzt kommt, was für jeden Betreiber wichtig ist, der auch die Idee kommen würde: dann mach ich das jetzt, schreibt die Senatsverwaltung für Wirtschaft auch:

 

"Die Auslastung des ICC ist nach wie vor gut, auch wenn die öffentliche Berichterstattung über die Schadstoffbelastung und die vorhandenen Mängel der technischen Anlagen dazu geführt haben, dass sich die Vermarktung des Gebäudes deutlich verschlechtert hat und Kongressveranstalter verstärkt nach alternativen Veranstaltungsorten außerhalb Berlins Ausschau gehalten haben. Eine wirtschaftliche Betreibung des ICC war trotz der über viele Jahre ausgezeichneten Auslastung seit der Inbetriebnahme des ICC im Jahr 1979 nie möglich, weil die mit dem Kongress- und sonstigen Veranstaltungsgeschäft zu erzielenden Erlöse zur Deckung der laufenden Betriebskosten nicht annähernd ausreichen." O-Ton der Senatverwaltung für Wirtschaft. Eine unglaublich gute Vorlage für Bewerber sich zu bewerben, will sagen: Es läuft überhaupt nicht und wir haben eine super Auslastung gehabt, und trotzdem war es nicht wirtschaftlich. Es ist spannend, wie man da einen Investor finden will.

 

Und diese Ausführungen klingen doch sehr danach, dass die vorübergehende Schließung des ICC eine dauerhafte Schließung bedeuten wird. Und manchmal greift man dann, wenn man dann völlig verzweifelt ist, natürlich zur Koalitionsvereinbarung von 2011. Und dort stand noch als Auftrag, dass ist dann die Aufforderung für uns, SPD und CDU, daran auch mal wieder zu erinnern:

 

"Das Internationale Congress Centrum (ICC) wird saniert und anschließend in seiner heutigen Funktionalität als zentrales Kongresszentrum weiter genutzt." Also anders als bei Oeynhausen, wo wir Prüfung und so etwas machen, sondern hier steht wirklich drin: Es wird saniert. Und daran halten sich weder CDU noch SPD.

Während der Sanierung wird auf dem Gelände der heutigen Deutschlandhalle eine Ersatzkongresshalle errichtet, die nach der Wiedereröffnung des ICC im Rahmen der Messeveranstaltungen genutzt wird. Zu den Schlüsselinvestitionen zählen zudem die Bebauung der brachliegenden Grundstücke am Messedamm und die Neugestaltung des Zentralen Omnibusbahnhofs. Die angemessene städtebauliche und architektonische Gestaltung der Projekte mit Repräsentationsfunktion für die Messe und Entreewirkung für die westliche Innenstadt wird bei öffentlichen und privaten Vorhaben über die Durchführung von Gestaltungswettbewerben gesichert." Koalitionsvereinbarung. Und insofern müssen wir unsere Abgeordneten aller Parteien auch mal auffordern und daran zu erinnern und zu sagen: Das man das natürlich auch umsetzen will und umsetzen muss.

 

Zu 2. und 3.:

Eine Stilllegung darf natürlich nicht mit einer Verwahrlosung des ICC und dessen Umgebung, die an dieser exponierten Stelle, nicht nur für den Bezirk, sondern für ganz Berlin, einen Schandfleck darstellen würde. Deswegen muss der Senat mit dem Bezirk zusammen Alternativen entwickeln. Wird aber anders als vorgesehen nicht zeitnah ein privater Investor für eine Sanierung gefunden, muss weiter gedacht werden. Überlegungen für einen Rückbau des ICC können nur dann sinnvoll sein, wenn städtebauliche Konzeptionen für das gesamte Areal und seine Umgebung entwickelt werden. Zusammen mit der AVUS-Kurve und dem ehemaligen Güterbahnhof Grunewald gibt es ein Gelände mit interessanten Perspektiven, das sich für ein Projekt im Rahmen der Förderkulisse Stadtumbau West anbietet.

Da nach Mitteilung der Messe GmbH der City Cube angeblich bereits bis über das Jahr 2020 hinaus ausgebucht ist, wird der Messestandort City West zwar durch die Stilllegung des ICC an Attraktivität verlieren, aber weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

 

Zu 4.:

Das ist eben das, wie plant denn eigentlich die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, ich glaube die Senatorin heißt Yzer und gehört der CDU an.

"Das laufende zweistufige Verfahren besteht im ersten Teil aus einer Marktabfrage, in der erkundet wird, was der nationale und Internationale Markt in einem sanierten ICC für Nutzungen nachfragen würde. In der zweiten Stufe soll auf Grundlage der Ergebnisse der Marktabfrage ein zukünftiges Nutzungskonzept für das ICC erarbeitet werden. Zwischen erster und zweiter Stufe ist letztlich politisch zu entscheiden, welche Nutzung als für den Standort verträglich und adäquat angesehen wird. Auf Basis der dann entschiedenen künftigen Nutzung - der Eigentümer Berlin muss klare Vorgaben machen - kann europaweit (wenn nicht sogar weltweit) nach einem privaten Investor gesucht werden. Hier würde ein transparentes, chancengleiches und diskriminierungsfreies Verfahren durchzuführen sein. Beschlusslage in Senat und Abgeordnetenhaus ist, dass das Land für die ICC-Sanierung 200 Mio. ? aus dem Haushalt zur Verfügung stellt; weitere Mittel für eine künftige Nutzung sind von einem Investor aufzubringen." Das klingt so nach einem Wunschpaket, wo man auch nach den vorigen Mitteiligen der Senatsverwaltung für Wirtschaft sagen kann, wie will man da einen privaten Investor finden. Und das muss man auch mal ehrlich sagen. Dann muss man sagen, das wird unmöglich und wir finden keinen und wir müssen dann auch eine Alternative finden. Dieses gedankenlos zu sagen, na dann schließen wir es einfach mal zu und vielleicht sieht es keiner. Vielleicht übersieht einer diesen Bau, vielleicht merkt es keiner, dass da ein Gebäude steht, das monate- oder jahrelang steht.

 

Eine Bewertung dieser ganzen Pläne kann erst erfolgen, wenn dem Bezirk detaillierte Informationen vorliegen. Aus den genannten Äußerungen des Senats können noch keine Rückschlüsse über künftige Sanierungs- und Betriebsmodelle gezogen werden. Das Bezirksamt ist der Ansicht, dass nicht jede gegebenenfalls profitable Nutzung städtebaulich verträglich ist. Ein Riesen-Spielcasino a la Las Vegas oder ein Möbelhaus wären zwei negative Beispiele. Doch angesichts der hohen Sanierungskosten wird es meiner Ansicht nach sehr schwer sein, hier vernünftige private Lösungen zu finden.

 

Zu 5.:

Da die BVV am 22. September 2005, am 16. Juni 2005, am 26. Januar 2006, am 23. März 2006 und am 15. Oktober 2009 beschlossen hat, dass das ICC erhalten werden soll, und das Bezirksamt wird auch - neben der Forderung der Wiedereinführung des Fernverkehrs am Bahnhof Zoo - stets auch auf den Erhalt des ICC pochen, ist die Position des Bezirks auf Landesebene den wichtigen Akteuren sehr wohl bewusst. Auch in Gesprächen mit der Messe haben und werden wir unsere Position natürlich weiterhin verdeutlichen. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Druckmittel, um die Sanierung des ICC zu erzwingen, äußerst gering sind. Hauptaufgabe des Bezirks wird es sein, dass die Frage der weiteren Entwicklung nicht nach dem Motto läuft: Kein Geld da, kein privater Investor da - also warten wir ab und motten erst einmal alles ein. Hier gilt es, wie vorhin schon ausgeführt, großräumiger zu denken und Perspektiven zu entwickeln, wie es derzeit im Charretteverfahren Grunewald passiert. Und insofern müssen wir dann glaube ich auch schnell überlegen und nicht irgendwann beleidigt in die Ecke gehen, sondern dann auch überlegen, wie wir städtebaulich dann auch solche Lösungen finden, die uns auch gefallen und das da uns nicht der Zug wegfährt und dann tatsächlich etwas passiert, was wir nicht wollen, dass das ICC einfach nur zugeschlossen wird.

 


 

 
 

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