Thema des Monats September 2009

Haushalt 2010/2011: Auf dem Weg in die bezirkliche Pleite?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Für alle zwölf Berliner Bezirke werden die bevorstehenden Haushaltsberatungen hart, denn die Finanzsituation des Landes Berlin hat sich nicht verbessert, und die Bezirke sind von den Zuweisungen des Senats abhängig. Diese werden im Berliner Landeshaushalt festgelegt, der vom Abgeordnetenhaus beschlossen wird. Weitere Einschränkungen der öffentlichen Angebote sind zu erwarten.

SPD-Fraktion

Die Finanzsituation Berlins ist trotz der Konsolidierungspolitik des rot-roten Senats und angesichts der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise immer noch sehr angespannt. Auch für die Bezirke blieb dies nicht ohne Auswirkungen: Gerade im Bereich der Personal- und Sachausgaben mussten die Bezirke erhebliche Einsparungen vornehmen.
Im September stehen nunmehr die Haushaltsberatungen für den nächsten Doppelhaushalt 2010/2011 an. Nach den Vorgaben des Senats muss der Bezirk weitere Einsparungen vornehmen, es gibt kaum mehr eigene Gestaltungsspielräume. Aber: Der Bezirk befindet sich nicht auf dem Weg der Pleite!
Die SPD wird sich bei den kommenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass gerade die Angebote im Kinder- und Jugendbereich so weit wie möglich erhalten bleiben. Auch angesichts der knappen Finanzsituation sind hier politische Prioritäten zu setzen. Dazu bedarf es allerdings einer kreativen Haushaltspolitik, die in der Vergangenheit nur SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Bezirk bewiesen haben.
Constanze Röder

CDU-Fraktion

Die Bezirksfinanzen drohen total aus dem Ruder zu laufen, im Haushaltsentwurf für 2010 klafft eine Lücke von über 1,5 Mio. Euro und für 2011 von über 3,5 Mio. Euro! Dazu kommen noch erhebliche Personaleinsparungen. Diese Zahlen sind schon geschönt, denn die für Finanzen zuständige Bezirksbürgermeisterin Thiemen (SPD) setzt bereits die Einnahme höher als realistisch an. So sind die tatsächlichen Lücken im Haushalt, ca. 3 Mio. Euro in 2010 und 9 Mio. Euro in 2011, von ihr durch Streichung fast aller Investitionsmaßnahmen gestopft worden. Es sollen der Neubau der Sporthalle Eisenzahnstraße, fast alle Spielplatzsanierungen und die Erneuerung von Straßen, z.B. der Konstanzer Str. entfallen. Die ohnehin zu geringe Bauunterhaltung ist um weitere 20% gekürzt worden: Schulen, Straßen, Spielplätze und Grünanlagen werden nicht ausreichend gepflegt werden, der Verfall wird sich beschleunigen. Die rot-rote Senatspolitik, die Bezirke kaputt zu sparen, trifft nun auch Charlottenburg-Wilmersdorf mit voller Wucht!
Susanne Klose

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Pleite ist der Bezirk noch nicht! Die Zeiten, in denen das Jahr mit einem Plus beendet wurde, sind aber vorbei. Das liegt nicht daran, dass der Bezirk auf zu großem Fuße lebt. Die Kürzungen des Senats haben das Ausstattungs- und Leistungsniveau vor Ort soweit abgesenkt, dass mittlerweile ein funktionierendes Gesundheitsamt und ein solides Angebot an kulturellen Einrichtungen luxuriös anmuten. Jede Haushaltsaufstellung bringt die Abwehr von Einsparungen, die zur Funktionsunfähigkeit ganzer Verwaltungsbereiche führen würde, mit sich. Entgegen anderslautender Presseberichte deckt die Summe die es “zusätzlich” gab, nicht mal die Ausgaben für den status-quo ab. Wir setzen uns für den Erhalt der sozialen Einrichtungen und mehr Mittel für Baumnachpflanzungen ein. Vom Senat fordern wir die Mittelzuweisung an die Bezirke fair zu gestalten. Die Verwaltung vor Ort braucht echte finanzielle Entscheidungsmöglichkeiten!
René Wendt

FDP-Fraktion

Dass Berlin sparen muss, ist bekannt und auch, dass der Senat dies zu Lasten der Bezirke tut. Sie sollen schlicht eingespart werden. Aber das unser Bezirk mitmacht ist neu. Er trägt die Sparvorgaben nicht nur mit, sondern gibt mit den politischen Umsetzungen des Sparens die besten Begründungen, warum der Senat immer mehr Aufgaben selber macht. Die Mehrheit aus SPD und Grünen will bei der Instandhaltung von Straßen, der Renovierung von Schulen und den notwendigen Neubauten von Sporthallen sparen, also bei der Infrastruktur. Von Kürzungen verschont bleiben Jugendcafes, betreute Spielplätze für Mädchen, Heimatmuseum, Zeltlager, Preisgelder und die Selbstversorgung der Verwaltung mit Zeitungen und Broschüren. Verantwortungsvolles Sparen ist geboten und kein Festhalten an ideologischen Projekten. An der Renovierung von Schulen und der geplante Fahrbahnerneuerung kann nur einmal gespart werden, aber das Einsparen von bezirklichen Ziegen und frauenbewegten Mädchenclubs bringt echte Kostenersparnisse. Was ist nötig und was verzichtbar: Lieber Kürzungen bei sozialdemokratischer Jugendarbeit als baufällige Schulen und Straßen.
Florian P. Block

Fraktion Die Linke

Eine grundsätzliche Frage
Den Kampf um die Finanzausstattung haben die Bezirke nach Punkten knapp gewonnen – für das Haushaltsjahr 2010 jedenfalls. Schon 2011 wird schwieriger, bleibt aber noch lösbar – etwa durch die Übertragung von bezirklichen Einrichtungen in freie Trägerschaft. Das eigentliche Problem wird erst mit dem Haushalt 2012/2013 über die Bezirke hereinbrechen, wie den aktuellen Verlautbarungen des Finanzsenators zu entnehmen war. Die erwähnte Einbindung freier Träger wird zur stumpfen Waffe, wenn genau bei deren Finanzierung die neue Sparrunde angesetzt werden soll. Eine Lösung ist nur auf der Basis einer Grundsatzentscheidung möglich:
entweder Berlin will starke Bezirke als Träger und Organisator zivilgesellschaftlichen Engagements – so wie die LINKE – oder Berlin will sich zentralistisch organisieren. Im ersten Fall muss auch die Finanzausstattung der Bezirke endlich auskömmlich gestaltet werden.
Hans-Ulrich Riedel