Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Enthüllung einer Gedenktafel für die Opfer des Mykonos-Attentats am Dienstag, dem 20.4.2004, 17.00 Uhr, Prager Str. 2a

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

zur Enthüllung einer [[/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/gedenktafeln/artikel.125566.php|Gedenktafel für die Opfer des Mykonos-Attentats]]

am Dienstag, dem 20.4.2004, 17.00 Uhr, Prager Str. 2a

Sehr geehrte Damen und Herrn!

Noch nie hat die Enthüllung einer Gedenktafel in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf so viel Aufmerksamkeit erregt wie diese. Dabei wollen und können wir als Bezirksamt keine große Politik machen. Wir wollen lediglich hier, am Ort des Geschehens erinnern an ein Verbrechen, den terroristischen Anschlag vom 17. September 1992. Im Auftrag der damaligen iranischen Regierung erschossen Geheimdienstleute vier Mitglieder der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran. Sie hatten sich hier im damaligen Restaurant Mykonos getroffen. Drei waren Gäste dieser Stadt, einer lebte in Berlin.

Dies wurde von einem deutschen Gericht festgestellt, und die Täter, die man festnehmen konnte, wurden bestraft.

Die Bezirksverordnetenversammlung unseres Bezirks hat beschlossen, an das Attentat mit einer Gedenktafel zu erinnern. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit, denn das damalige Verbrechen hat nicht nur uns schockiert. Es hat nicht nur in Berlin und in ganz Deutschland Empörung ausgelöst, sondern in der ganzen zivilisierten Welt, und der anschließende Prozess wurde weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die damalige Tat ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Und es ist für uns selbstverständlich, an ein solches historisches Ereignis am Ort des Geschehens mit einer Gedenktafel zu erinnern, wie wir es mit mehr als 300 Gedenktafeln an anderen Orten in unserem Bezirk auch tun.

Diese Gedenktafel hat bereits vor ihrer Anbringung viele Diskussionen ausgelöst. Ein Gesandter der Botschaft der Islamischen Republik Iran hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass diese Gedenktafel die deutsch-iranischen Beziehungen stören könnte. Ich habe das nicht eingesehen und ihm erklärt, dass es noch nie gut war, über die Vergangenheit zu schweigen.

Wenn belastende Erinnerungen zwischen den Völkern verschwiegen werden, dann werden sie eines Tages um so stärker ihre zerstörerische Kraft entwickeln. Gerade wir Deutschen haben gelernt, dass die Erinnerung notwendig ist, wenn wir die Fehler der Vergangenheit vermeiden wollen und eine bessere Zukunft gestalten wollen. Deshalb erinnern wir an vielen Stellen auch in unserem Bezirk an die Verbrechen in unserer eigenen Geschichte.

Es gab Diskussionen über den Text der Gedenktafel, und in manchen Presseberichten wurde der Eindruck erweckt, als sei der Text am Ende abgeschwächt worden, als ob die Täter jetzt weniger klar benannt würden als ursprünglich beabsichtigt.

Wenn Sie den Text der Gedenktafel lesen, werden Sie feststellen, dass dies nicht stimmt. Im Gegenteil: Zunächst war das Wort Geheimdienst zur Bezeichnung der Täter vorgesehen, was auch die Interpretation erlaubt hätte, Geheimdienstleute hätten die Morde eigenmächtig, ohne Billigung ihrer Regierung begangen. Jetzt werden auf der Tafel eindeutig und unmissverständlich die damaligen Machthaber des Iran benannt, also die Machthaber zur Zeit des Attentats 1992.

Diese Gedenktafel hat also durch die intensive öffentliche Diskussion nicht verloren, sondern gewonnen. Sie ist bekannter geworden als jede andere Gedenktafel in unserem Bezirk, und die Aussage der Tafel ist klar und deutlich, wie es unsere Bezirksverordnetenversammlung beabsichtigt hat. Die Verantwortlichen des Verbrechens werden benannt, und genannt werden die Namen der Opfer, denn wir sind es ihnen schuldig, dass sie nicht vergessen werden: Dr. Sadegh Sharafkandi, Fattah Abdoli, Homayoun Ardalan und Nouri Dehkordi.

Sie starben im Kampf für Demokratie. Wir Deutschen wissen nur zu gut, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb wollen wir mit dieser Gedenktafel auch daran erinnern, dass der Kampf für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte eine ständige Aufgabe für uns alle ist. Auch in unserem Land ist die Demokratie ohne das aktive Engagement der Demokraten nicht lebensfähig. Die Demokratie lebt in vielen Bereichen und auf vielen Ebenen unserer Gesellschaft. Wir wissen, dass die Unabhängigkeit der Gerichte und die Freiheit der Presse Grundvoraussetzungen der Demokratie sind.

Gerade die Auseinandersetzungen um diese Gedenktafel haben gezeigt, dass die Grundsätze einer Demokratie von autoritär regierten Staaten nicht verstanden werden: Demokratie heißt nämlich auch, dass die verschiedenen Instanzen der Politik unabhängig und eigenverantwortlich handeln. Ich bin dem Regierenden Bürgermeister dankbar, dass er in seiner Antwort auf die Kritik seines Teheraner Kollegen deutlich gemacht hat, dass er sich nicht in die Entscheidungen unserer Bezirksverordneten und unseres Bezirksamtes einmischt.

Die Gedenktafel hätte nicht hergestellt werden können ohne die Unterstützung vieler Menschen und Organisationen, die sich dafür eingesetzt haben und die dafür gespendet haben. Dazu gehört die “Stiftung für eine, solidarische Welt”, die “Vereinigung kurdischer Ärzte in Deutschland”, die “Gemeinde der Kurden aus Syrien in Berlin-Brandenburg e.V.”, der “Verein iranischer Flüchtlinge” und die “Demokratische Partei Kurdistan-Iran”. Ihnen und allen anderen danke ich herzlich.

Ich habe viele Besuche, Briefe und E-Mails erhalten. Alle haben die Gedenktafel unterstützt und sich beim Bezirksamt und bei der Bezirksverordnetenversammlung für die Initiative bedankt. Einen persönlichen Gruß der Bundestagsabgeordneten Claudia Roth möchte ich Ihnen vorlesen. Sie ist Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, und sie hat mir folgendes Grußwort übermittelt:

“Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
die Lücke, die der Mord an unseren Freunden Dr. Sadegh Sharafkandi, Fattah Abdoli, Homayoun Ardalan und Nouri Dehkordi in unseren Reihen hinterlassen hat, schmerzt uns alle auch 12 Jahre nach dem schwarzen blutigen Abend an diesem Ort im damaligen Restaurant Mykonos.
Aufgrund meiner Funktion als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung auf der Jahrestagung der UN-Menschenrechtskommission in Genf kann ich bei der heutigen Enthüllung der Gedenktafel für die Opfer dieses Attentates leider nicht dabei sein. Ich bedauere das sehr. Denn diese Männer waren herausragende und mutige Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Iran und der ganzen Welt, aber auch meine persönlichen Freunde.
Es ist unsere politische und moralische Pflicht, der Opfer dieses terroristischen Attentats zu gedenken und ihren Hinterbliebenen unsere Solidarität zu bekunden. Diese Tafel wird uns erinnern und mahnen, dass wir und die Weltöffentlichkeit diese wunderbaren Menschen aber auch die Untaten einer menschenverachtenden Politik nie vergessen dürfen.
Danken möchte ich insbesondere dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und seiner Bürgermeisterin, die dies mit großem Engagement und Verantwortungsgefühl ermöglicht haben.
Herzliche Grüße
Claudia Roth”

Ich danke allen, die heute gekommen sind, um mit uns gemeinsam diese Tafel zu enthüllen. Ich danke Rechtsanwalt Hans-Joachim Ehrig, der sich bereit erklärt hat, als einer der besten Kenner des Falles und seiner Folgen zu uns zu sprechen. Ich danke Herrn Dr. Miro Aliyar, dem europäischen Vorsitzenden der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran, der über die ermordeten Mitglieder seiner Partei sprechen wird.

Und ich danke vor allem drei Frauen, die heute bei uns sind: Sara Dehkordi wird über ihren ermordeten Vater sprechen. Schohre Dehkordi und Keshal Abdoli werden die Gedenktafel für ihre ermordeten Männer enthüllen. Ich danke ihnen, dass sie trotz des Schmerzes der Erinnerung hierher gekommen sind.

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