Thema des Monats Juni 2015

Mit Sehbehinderung durchs Rathaus Charlottenburg

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Rathaus Charlottenburg - Innenansicht 2. OG Haupttreppe

Rathaus Charlottenburg - Innenansicht 2. OG Haupttreppe

In Hinblick auf eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung sind die Themen Orientierung und Mobilität für blinde und sehbehinderte Menschen von entscheidender Bedeutung. Dies gilt nicht zuletzt in großen Immobilien mit weit verzweigten und verwinkelten Gängen wie dem Rathaus Charlottenburg. Voraussetzung für die selbständige Nutzbarkeit durch Menschen mit Behinderung ist eine barrierefreie und verkehrssichere Erschließung, sowohl baulich als auch mit Orientierungs- und Leitsystemen. Für blinde Menschen sind hier taktile Elemente entscheidend, wie erhabene Handlauf-/Türschildbeschriftungen, leitende Rillen/Kanten oder Aufmerksamkeitsfelder. Menschen mit eingeschränktem, aber vorhandenem Sehvermögen, orientieren sich dagegen meist über visuell kontrastreich gestaltete Elemente, wie gut lesbare Beschriftungen und eindeutig wahrnehmbare Stufenmarkierungen. Auch akustische Elemente und neuere Technologien wie QR-Codes können zur Verbesserung der Orientierung für blinde und sehbehinderte Menschen eingesetzt werden.

CDU-Fraktion

Die barrierefreie Gestaltung der Zugänge und Wege im Rathaus Charlottenburg für Menschen mit Sehbehinderung ist uns ein wichtiges Anliegen. Zu der letzten BVV haben wir daher einen Antrag eingereicht, in dem wir die Bezirksverwaltung auffordern, die Handläufe an den Treppen im Rathaus Charlottenburg zu überprüfen und bei Bedarf bis zum Ende der Treppen zu verlängern. Nur so können wir gewährleisten, dass Menschen mit Sehbehinderung sich sicher durch unser Rathaus bewegen können. Dass bereits alle Türen barrierefrei zugänglich sind, ist ein richtiger Schritt in diese Richtung. Wir werden uns auch in Zukunft weiter für die Fortführung dieser Entwicklung einsetzen, damit das Rathaus Charlottenburg und andere öffentliche Gebäude unseres Bezirks uneingeschränkt nutzbar sind.
Helmut Süß

SPD-Fraktion

Es ist schon nicht einfach als sehender Mensch seinen Weg durch das Rathaus zu finden, umso schwieriger erscheint es mir für Menschen mit einer Sehbehinderung. Vor einigen Jahren wurden Teile des Rathauses barrierefrei ausgestattet.
Dieses erfolgte jedoch nur im Rahmen der finanziellen Spielräume des Bezirkes. Nach dem Umzug wurden viele Hinweistafeln und Wegweiser nicht in der Form umgestaltet, dass sie für sehbehinderte Menschen zu erkennen sind. Immer wieder fallen Bereiche auf, in denen dringend eine Verbesserung erfolgen muss. Der bezirkliche Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich u.a. die Barrierefreiheit in bezirkseigenen Gebäuden zum Ziel gesetzt. Es müssen jetzt die Bedingungen aufgelistet werden, damit es zu einer zügigen Umsetzung kommt. An vielen Anträgen, die in der BVV zur Beratung anstehen, erkennt man schon jetzt, dass wir uns sehr intensiv mit der Thematik befassen.
Annegret Hansen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Das ist gar nicht so einfach. Denn entweder fehlen bzw. sind die entsprechenden Elemente wie taktile Leitsysteme nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Nach dem Einzug von Ämtern aus dem Rathaus Wilmersdorf in das Rathaus Charlottenburg sind die Büros nicht mehr alle am ursprünglichen Ort. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will, dass die entsprechenden Angebote für Sehbehinderte ausgeweitet werden, wenn das Wegeleitsystem im Rathaus Charlottenburg aktualisiert wird. Hierzu soll der bezirkliche Behindertenbeauftrage hinzugezogen werden. Die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen ist von Deutschland ratifiziert worden und gilt für das ganze Land. Dafür müssen in den öffentlichen Haushalten die Mittel bereitgestellt werden, was bei so alten Häusern wie unserem Charlottenburger Rathaus dann gleich etwas aufwändiger wird. Doch gute Hinweisschilder und Leitsysteme helfen allen bei der Orientierung.
Alexander Kaas Elias

Piraten-Fraktion

Mal ehrlich, wer von uns hat sich noch nie im Rathaus verlaufen? Dabei können sehr viele die zahlreichen Hinweisschildchen erkennen und lesen. Ob es die im Mai 1905, als das Rathaus eröffnet wurde, bereits gab, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass vor Baubeginn niemand auf die Idee kam, den Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverband um Hilfe zu bitten. Dabei bestand der Verein schon seit 25 Jahren in der Stadt. Auch andere Experten und Expertinnen wurden nicht zu Rate gezogen und folglich war Jahrzehnte lang vielen Menschen der Zugang zum Rathaus verwehrt. Während Menschen im Rollstuhl inzwischen überall hinkommen, haben es Sehbehinderte und Blinde immer noch schwer, den Weg durchs Rathaus zu finden. Ein paar nett gemeinte Versuche mit Brailleschrift gibt es zwar hier und dort. Leider führen sie zum Teil, weil nicht mehr aktuell, sogar in die Irre. Das muss nicht sein: schwer lesbare Aufschriften, nicht erkennbare Schilder, (Fortsetzung folgt ….)
Holger Pabst

Die Linke

(…. Fortsetzung) dunkle Gänge, fehlende Kennzeichnung von Stufen usw. Manches davon ist sogar gefährlich. Begleitung ist keine Alternative. Sehbehinderte und Blinde haben das Recht, selbstbestimmt und unabhängig durchs Leben und auch durchs Rathaus zu gehen. Das fordert auch der bezirkliche Aktionsplan. Es braucht eine Feststellung des Ist-Zustands. Zur anschließenden Beseitigung der Mängel gibt es 2015 zahlreiche Möglichkeiten: Bodenindikatoren, kontrastreiche Stufenmarkierungen, bessere Beleuchtung, tastbare Lagepläne, „sprechende“ Info-Stelen und mehr. Und der Denkmalschutz? Unser Rathaus ist kein Museum – und selbst ein solches bietet inzwischen Führungen für Sehbehinderte an. Was das wieder kostet! Ja, aber das sollte es einem Bezirk mit zeitgemäßem Anspruch wert sein. Unser Rathaus ist für ALLE Bürger und Bürgerinnen da und wer, wenn nicht er sollte mit gutem Beispiel vorangehen? Und wenn nicht alles auf einmal umsetzbar ist, fangen wir wenigstens endlich an!
Marlene Cieschinger