Thema des Monats Mai 2006
Brauchen wir Anwohnerschutzzonen zur WM?
Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert
Zur Sicherung des ordnungsgemäßen Verkehrsablaufs und zum
Schutz der Anwohnerschaft hat die der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung unterstehende Verkehrslenkung Berlin als
zentrale Straßenverkehrsbehörde am 7.2.2006 eine
straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Einrichtung einer
Verkehrssonderzone an den Spieltagen der
Fußballweltmeisterschaft rund um das Olympiastadion
erlassen.
Neben der Anordnung von Haltverbotszonen in den
Zufahrtsstraßen zum Olympiastadion beinhaltet die Regelung,
dass an den Spieltagen der Fußball WM, nämlich am 13.06.,
15.06., 20.06., 23.06., 30.06. und 09.07. von jeweils 10.00 bis
24.00 Uhr in das Gebiet nicht mit Kraftfahrzeugen und
Krafträdern eingefahren werden darf, ausgenommen von diesem
Verbot sind Taxen und Berechtigte, das heißt vor allem
Anwohner.
Berechtigungskarten stellt seit dem 1. März das Bürgeramt in
der Heerstraße 12-14, 14052 Berlin, Tel 9029-17624 bzw. Fax
9029-17620 aus.
Informationen gibt es auch auf der bezirklichen Website im
Internet: www.charlottenburg-wilmersdorf.de
SPD-Fraktion
Auf diese von der FDP gestellte Frage
gibt es eigentlich nur eine Antwort: Ja! Mit den
Anwohnerschutzzonen wird eine größtmögliche Sicherheit
gewährleistet bei so wenig Einschränkung wie nötig. Bei
einer Bürgerversammlung, die die SPD-Fraktion Ende April veranstaltet hat, wurde
sogar der Wunsch nach einer Ausweitung der Anwohnerschutzzone
Richtung Osten laut. Angesichts von 66.000 Besuchern der Spiele
im Olympiastadion, zusätzlichen 16.500 Besuchern in der
Waldbühne, die die Spiele parallel auf dem Bildschirm
verfolgen, und den akkreditierten Presseleuten, die das
Geschehen auf dem Maifeld verfolgen, handelt es sich bei der
Fußball-WM eben nicht um ein normales Pokalendspiel. Der
Wunsch der FIFA, die Heerstraße
zeitweise zu sperren, konnte angesichts der Planungen
glücklicherweise abgewendet werden.
Auch der Sicherheitsaspekt darf nicht vergessen werden: Man
geht allein in Berlin von 1000 Hooligans aus. Davon gelten
knapp 300 sogar als gewaltgeneigt. Auch terroristische
Aktivitäten können nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Kontrollen sind hier das einzige mögliche Mittel.
Die SPD-Fraktion hat auf dem
Reichsstraßenfest am 13. und 14. Mai einen Informationsstand
und informiert dort über die Anwohnerschutzzonen.
Marc Schulte
CDU-Fraktion
Die Einrichtung der Anwohnerschutzzonen und ihre Ausdehnung ist
vom Senat entschieden worden. Hieran gibt es auch von der
CDU als größte Oppositionspartei
keine grundsätzliche Kritik, da die Schutzzonen für von der
Fußball-WM betroffene Anwohner eingerichtet wurden.
Bei der Umsetzung der bezirklichen Belange haben unsere
Stadträte Gröhler und Krüger mit dem Ordnungsamt und dem
Bürgeramt hervorragende Arbeit geleistet. Auf Seiten der
Polizei und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kommt es
aber immer wieder zu Fehlern und mangelhafter Abstimmung.
So wollte die Polizei erst für einen Teil der Betroffenen
Plaketten ausgeben, ohne die Zuständigkeit und eine
gesetzliche Grundlage zu haben. Kurze Zeit später nahm sie
diese Überlegungen zurück.
Dann wollte man anlässlich des Pokalendspiels probeweise
Anwohnerschutzzonen, nach endlosen Diskussionen innerhalb der
einzelnen Polizeidienststellen nahm man dann davon
Abstand.
Dann wollte man auf die Absperrung des Mommsenstadions bei den
Trainingsauftritten der deutschen Nationalmannschaft
verzichten. Jetzt wird eine Sperrzone um das Stadion gebildet.
Nur hat man leider vergessen, dass die Parkplätze am
Mommsenstadion dann nicht erreicht werden.
Es bleibt festzustellen, dass der Innensenator Körting seiner
Aufgabe, die einzelnen Landesbehörden zu koordinieren, in
keinster Hinsicht nachgekommen ist. Es ist wie immer beim
rot-roten Senat: wird es schwierig, taucht er ab. Es bleibt als
Fazit: Berlin kann mehr.
Andreas Statzkowski
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
An den 6 Spieltagen im Olympiastadion dürfen nur berechtigte
Personen, in der Hauptsache Anwohner, in die so genannte
Schutzzone rund um das Olympiastadion einfahren. Ein Motto der
Fußball WM heißt “Green Goals”. Das bedeutet,
dass die WM auch unter umweltpolitischen Zielen zu sehen ist.
Eines der Ziele sieht die Anfahrt mit dem öffentlichen
Nahverkehr vor. Das Olympiastadion ist gut mit S- und U-Bahn
erschlossen. Leider wurde versäumt, einen Regionalbahnhof zu
errichten. Die Pläne waren vorhanden. Die Anwohnerschutzzone
ist unserer Meinung nach viel zu eng bemessen. Anwohner der
angrenzenden Gebiete befürchten zu Recht, dass ihre Straßen,
wie zum Beispiel die Westendallee, mit Fahrzeugen der
Fußballfans vollgestopft sein werden. Der Fußweg bis zum
Stadion schreckt keinen von der Anfahrt mit dem Auto ab. Die
Sorgen der Gewerbetreibenden scheinen uns unberechtigt. Von den
sechs Spielen finden nur drei in der Geschäftszeit statt,
davon zwei am Freitagnachmittag. In der ganzen Region gibt es
nur ein einziges Geschäft mit einem überregionalen
Käufereinzugsgebiet. Wir glauben, dass die Umsatzeinbußen
sich in genauso engen Grenzen wie die Anwohnerschutzzone halten
dürften. Die Forderung müsste also nicht „aufweichen“,
wie von einigen gewünscht, sondern „ausweiten“
heißen.
Andreas Koska
FDP-Fraktion
Eigentlich ist die “WM” ein Fußballturnier –
nicht mehr und nicht weniger. Viele Politiker jedoch scheinen
eine Haupt- und Staatsaktion daraus machen zu wollen.
AWACS-Überwachungen, VIP-Bereiche, Soldaten und Grenzüberwachungen
lassen Assoziationen an einen nervösen und sich hoheitlich
gebärdenden Staat aufkommen und weniger an ein Volksfest. Da
kann so mancher Bezirkspolitiker nicht abseits bleiben. Der
Innenminister will die Bundeswehr, und Kiezpolitiker sind wild
auf “Anwohnerschutzzonen”: An Spieltagen werden die
Straßen rund ums Olympiastadion in der Verantwortung des
Bezirks weiträumig für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Wozu das
gut sein soll, weiß keiner so genau. Aber eines ist sicher:
Die Gewerbetreibenden in den weit gezogenen
“Schutzzonen” werden das Nachsehen haben, ebenso
wie ihre Kunden.
Das ist wieder ein Beispiel für die “Bürgernähe”
einer Politik, wie sie diesem und jenem Bezirksfürsten
einfällt.
Jürgen Dittberner
Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)
Fußball-WM hier, Fußball-WM dort – eigentlich ist es
grotesk, dass der Bezirk Anwohnerinnen und Anwohner vor einer
Sportveranstaltung schützen (!) muss.
Dass “Anwohnerschutz” sein muss, hat die Loveparade
über Jahre gezeigt: Das Areal zwischen Ernst-Reuter-Platz und
Wilmersdorfer Straße befand sich an diesen Samstagen in einer
Art Ausnahmezustand – die Anwohnerinnen und Anwohner
waren dem relativ schutzlos ausgeliefert.
Wie die Menschen “geschützt” werden, hängt aber
von der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der begleitenden
Information ab: Es handelt sich um ein paar wenige Spieltage,
an denen der Verkehr rund ums Olympiastadion eingeschränkt
wird – das sollte auch für das ansässige Gewerbe zu
verkraften sein.
Allerdings wird mit der Floskel “Anwohnerschutz”
das eigentliche Anliegen wohl eher schöngeredet: Sicherheit.
Eigentlich geht es nicht in erster Linie um die Menschen, die
in Neu-Westend wohnen, sondern um den reibungslosen Ablauf
einer kommerziellen Veranstaltung.
Nachvollziehbar? – Schon, aber: Warum wird eine ganze
Stadt in Mitleidenschaft gezogen, nur weil 22 Männer mit einem
Ball spielen? Kein anderer Spielplatz im Bezirk wird so
akribisch “geschützt”… zum Glück!
Benjamin Apeloig, Dr. Günther Bärwolff