Thema des Monats Januar 2012

Eine Vision: Das Bürgeramt im Jahre 2200

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Bürgeramt im Rathaus Charlottenburg, 15.12.2011, Foto: KHMM

Bürgeramt im Rathaus Charlottenburg, 15.12.2011, Foto: KHMM

Derzeit gibt es drei Bürgerämter in Charlottenburg-Wilmersdorf: im Rathaus Charlottenburg an der Otto-Suhr-Allee 100, neben dem Rathaus Wilmersdorf am Hohenzollerndamm 177 und beim Theodor-Heuss-Platz an der Heerstraße 12-14. Alle Informationen zu den Dienstleistungen der Bürgerämter sind im Internet unter www.buergeramt.charlottenburg-wilmersdorf.de zu finden, und Termine können online gebucht werden.

CDU-Fraktion

Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger ist es nicht spannend, wie ein Bürgeramt in 200 Jahren aussieht, sondern wie diese Einrichtung heute funktioniert. Als die Bürgerämter vor über 10 Jahren neu eingerichtet worden sind, sollten sie wesentlicher Teil einer bürgerfreundlichen Verwaltung sein und den Servicecharakter stärken. Davon ist inzwischen kaum etwas zu spüren. In anderen Bezirken werden die ersten Bürgerämter aus Geldmangel bereits geschlossen, die Öffnungszeiten massiv eingeschränkt. Der Personalmangel führt zu unerträglichen Wartezeiten und zu Konflikten zwischen dem Publikum und den Beschäftigten der Bürgerämter.
Der bisherige Senat hat die Bezirke mit dem Problem massiv alleine gelassen. Die CDU-Fraktion wird sich intensiv dafür einsetzen, dass unter dem neuen Senat mit CDU-Beteiligung die Bürgerämter zu echten Serviceangeboten werden, nicht erst 2200, sondern bereits in den nächsten Jahren.
Susanne Klose

SPD-Fraktion

Es ist der 1. April 2200, mein Roboter ASIMO hat mir soeben den Kaffee serviert. Heute möchte ich meine Bürgerdaten im Bundeszentralrechner updaten. Ich halte meinen rechten Zeigefinger, in dem gleich nach meiner Geburt ein RFID-Chip implantiert wurde, auf meinen Plasmabildschirm, sofort erscheinen meine persönlichen Daten und ich werde auf meinen abgelaufenen Reisepass hingewiesen. Ich mache bei der Verlängerungsoption ein Häkchen, und umgehend wird mein Chip auf den neuesten Stand gebracht.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es vor zweihundert Jahren noch notwendig war, dass dies in einem Bürgeramt mit leibhaftigen Beschäftigten und Formularen erledigt werden musste.
Annegret Hansen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ein kleiner (Alp)traum:
Jetzt aber schnell. Ich verpasse meinen Termin im Bürgeramt. Dort sind sie immer überpünktlich. Ich rase mit dem Fahrrad zum Rathaus. Der Biker-Parkplatz ist voll, doch mein Rad ist ein Automatik-Klapp. Ich verstaue es im Rucksack und eile zu PC Meyer, meinem Bearbeiter. Ich werde biometrisch erfasst, PC Meyer spuckt meinen neuen Mond-Reisechip aus. Endlich keine langen Grenzkontrollen mehr im Sonnensystem. Auf meine Frage, was denn nun mit dem Chip passiert, den kann man doch so leicht verlieren, teilt mir PC M mit, dass ich ihn gleich eingesetzt bekomme, unter den Zeigefinger, so kann ich ihn auch nicht mehr verlieren. Ich schreie, es ertönt ein Gong. Ich strecke mich und sehe auf der Anzeigetafel meine Wartenummer. Es ist das Jahr 2012 und ich habe eine Stunde geschlafen: im Warteraum des Bürgeramtes.
Susan Drews und Linda Schwarz

Piraten

Herr K. erwacht zum Geräusch seines hauseigenen Soundsystems. Schlaftrunken fällt sein Blick auf die Datumsanzeige des Displays: 14.12.2200. Mit der dezenten Hilfe eines Pflegeroboters windet er sich aus dem Bett und in seine Mobilitätshilfe – Herr K. hatte Probleme mit dem Gehen.
Nur noch ein paar Tage Zeit um seine persönliche Identitätskarte zu erneuern. Aber zum Glück ist das inzwischen ja kein großes Problem mehr. Wie das wohl vor zweihundert Jahren gewesen sein mag?
Froh, dass er nicht durch den Bezirk zum Rathaus fahren muss, öffnet er seine Internetverbindung und deaktiviert die zufällige Generierung seiner Netzadresse, so dass er innerhalb von Sekunden von der Gegenstelle des Rathauses aus identifiziert werden kann. Er identifiziert sich mit seinem persönlichen Kennwort. Seine Chipkarte wird innerhalb von 2 Minuten neu bedruckt, seine biometrischen Gesichtszüge müssen angepasst werden.
Heute Abend wird Herr K. vermutlich wieder an einem beliebten Rollenspiel teilnehmen: Es heißt “Berlin vor 200 Jahren”.
Lemonia Saroudi und Holger Pabst

Die Linke

Die „Piraten“, die dieses Thema vorgegeben haben, glauben bestimmt: Visionen sind in der Politik immer gut. Ob das aber ausreicht, im Hier und Jetzt für die Betroffenen annehmbare Lösungen zu finden, ist zweifelhaft. Das Bürgeramt soll über Internet genau so erreichbar sein wie persönlich und die Bearbeitung der Anliegen muss ohne lange Wartezeit schnell und problemlos erfolgen. Dazu brauchen wir im Heute ausreichend, aber auch qualifiziertes Personal sowie technische Hilfsmittel, die auch auf dem neuesten Stand sind. Das wird DIE LINKE weiter einfordern und zwar für die heute Lebenden. Mehr Personal, gut ausgebildet und bessere Technik ist die Aufgabe, die das Bezirksamt in der nächsten Zeit für den Bezirk lösen muss. Wie das Bürgeramt in 180 Jahren aussehen sollte, ist nicht unser Problem. Es ist Selbstüberschätzung, so weit in die Zukunft gestalten zu wollen. Der Wille zum realen Gestalten ist jedenfalls so nicht erkennbar.
Wolfgang Tillinger