Thema des Monats März 2014

Was erwarten wir von einem Bibliotheksgesetz?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

In der BVV-Sitzung am 20. Februar hat die CDU-Fraktion einen Antrag eingebracht, sich bei der zuständigen Senatsverwaltung für die Schaffung eines Bibliotheksgesetzes einzusetzen. Bereits am 16. Januar hatte sich die BVV gegen eine Zentralisierung der Bibliothekslandschaft in Charlottenburg-Wilmersdorf entschieden. Gegenwärtig gibt es im Bezirk sieben Bibliotheken: Heinrich-Schulz-Bibliothek (Bezirkszentralbibliothek mit Musikbibliothek), Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek (Mittelpunktbibliothek), Eberhard-Alexander-Burgh-Bibliothek (Kinderbibliothek), Adolf-Reichwein-Bibliothek (Stadtteilbibliothek), Stadtteilbibliothek Halemweg Johanna-Moosdorf-Bibliothek und Ingeborg-Bachmann-Bibliothek

CDU-Fraktion

Zunächst einmal Bestandsschutz und eine verlässliche finanzielle und personelle Ausstattung. Nur so können Bibliotheken ihre Aufgaben als Bildungseinrichtungen wahrnehmen. Ohne eine gesetzliche Grundlage besteht die Gefahr, dass es in einigen Jahren überhaupt keine bezirklichen Bibliotheken mehr gibt, weil sie als freiwilliges Angebot dem Sparzwang gänzlich zum Opfer gefallen sein könnten.
Der derzeitig bestehende Druck der Kosten-Leistungsrechnung (KLR) zwingt die Bibliotheken, sich vorrangig um ihre (möglichst hohen) Ausleihzahlen zu kümmern. Damit ist aber noch keine Aussage zur Qualität verbunden.
Ein Bibliotheksgesetz bedeutet nicht Gleichmacherei. Es regelt verbindliche Standards wie beispielsweise Zusammenarbeit mit Schulen und Kitas, Versorgungsgrad mit Medien pro Einwohner, Erreichbarkeit (Öffnungszeiten), Aufenthaltsqualität (ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen, Leseecken für Kinder, Leseräume für Erwachsene).
Vergessen wäre dann auch die erschreckende Tatsache, dass Charlottenburg-Wilmersdorf von allen 12 Bezirken mit 65 Cent pro Einwohner am wenigsten Geld für die Beschaffung von Medien ausgibt!
Marion Halten-Bartels

SPD-Fraktion

Alle Jahre wieder erschallt der Ruf nach einem Bibliotheksgesetz – bisher verhallte er im Berliner Senat. Dabei empfahl die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ dies doch schon 2007.
Was kann ein Bibliotheksgesetz leisten? Es kann die öffentlichen Bibliotheken an sich aufwerten, kann endlich festschreiben, dass sie nicht nur Kultur- sondern auch Bildungseinrichtungen sind. Das wichtigste aber ist, die Bibliotheken zu Pflichtaufgaben von Land und Bezirk zu erklären! Und genau dieser Aspekt fehlt im aktuellen CDU-Antrag!
Des Weiteren kann ein Bibliotheksgesetz die Aufgaben der Stadt(teil)bibliotheken definieren sowie Qualitätsstandards, Personalausstattung und Finanzierungsbedarf festlegen.
Ein Bibliotheksgesetz kann aber nur den Rahmen vorgeben. Es wird kaum vorschreiben, wie viele Bibliotheksstandorte ein Bezirk unterhalten muss. Und die Ausgestaltung im Einzelnen vor Ort müssen die Bezirke sowieso selber machen.
Christiane Timper

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Dänen tun es, die Finnen, die Briten auch: Sie definieren die Pflichtaufgaben ihrer Bibliotheken qua Gesetz und evaluieren fortwährend deren Richtlinien. Warum gibt es in Deutschland kein Gesetz, das Planungssicherheit gibt und Ausstattungsstandards schützt – zumal öffentliche Bibliotheken das verfassungsgemäße Grundrecht auf Freiheit von Information und Meinungsbildung gewährleisten? Weil das Bibliothekswesen Sache der Bundesländer ist. Und Berlin versäumte 2009, das Gesetz zu verabschieden. Die grüne Abgeordnetenhausfraktion hatte es beantragt, um damit der Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zu folgen. Der damals beratende Ausschuss lehnte den grünen Antrag aber ab – übrigens mit SPD- und CDU-Stimmen. Die grüne BVV-Fraktion erwartet heute von einem Bibliotheksgesetz in erster Linie, dass es endlich unterstützt wird und Berlin sich verpflichtet, die Bibliotheken als Bildungseinrichtungen fest in der Gesellschaft zu verankern.
Zitha Poethe

Piraten-Fraktion

Die Piraten sind 2011 mit der Forderung des Deutschen Bibliotheksverbands in den Wahlkampf gezogen, Bibliotheken zu einer Pflichtaufgabe des Staates zu machen. Die AGH-Fraktion der Piraten erarbeitet gerade einen eigenen Vorschlag für ein Bibliotheksgesetz.
Auch bei angespannter Haushaltslage müssen leicht zugängliche Bezirksbibliotheken erhalten bleiben. Eine große Landeszentralbibliothek darf nicht zu Schließungen von dezentralen Standorten führen. Ein Bibliotheksgesetz kann Synergieeffekte zwischen Landes- und Bezirksebene ermöglichen, z.B. bei der Bestandspflege und dem Medienaustausch.
Stadtteilbibliotheken erfüllen auch die Aufgabe, Begegnungsort im Kiez zu sein, Lesungen und Buchvorstellungen können hier stattfinden. Sie sind die richtige “Anlaufstelle”, wenn es um Medienkompetenztraining geht.
Kurz gesagt: Bildung und Bibliotheken gehören zusammen wie „bed and breakfast“. Dies kann durch ein Bibliotheksgesetz gefördert werden.
Holger Pabst

Die Linke

Bibliotheken sind unverzichtbare Partner für Bildung, Wissenschaft und lebenslanges Lernen. Sie sind wichtige Orte der Begegnung und Kommunikation. Dennoch sind in Berlin viele von ihnen durch Sparmaßnahmen und Personalabbau in ihrer Existenz bedroht.
Ein Bibliotheksgesetz, wie es in anderen Ländern existiert, würde öffentliche Bibliotheken als kommunale Pflichtaufgabe festschreiben. Ihr Bestand in öffentlicher Hand wäre gesichert und Berlin verpflichtet, ein leistungsstarkes und barrierefreies Bibliothekssystem, im Land wie in den Bezirken, zu gewährleisten – und für dessen Betrieb und Weiterentwicklung nach aktuellen und internationalen Standards zu sorgen.
Wenn wir auch in Zukunft eine ausreichende Anzahl von Bibliotheken im Bezirk haben wollen, werden wir um ein entsprechendes Gesetz nicht umhin kommen. Das Abgeordnetenhaus ist hier gefordert und DIE LINKE. wird sich dort einsetzen, damit Bücher und andere Medien auch künftigen Generationen leicht zugänglich bleiben.
Marlene Cieschinger