Mehr als einhundert Jahre ein Haus für Kinder

_von Frauke Frodl, Björn Schulz Stiftung_

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Der Umgang mit den Tieren schafft Lebensfreude und lenkt von Schmerzen ab

Im parkähnlichen Garten des Berliner Kinderhospizes Sonnenhof hört man Kinderlachen. Schwer kranke spielen gemeinsam mit gesunden Mädchen und Jungen aus der Nachbarschaft, genießen die Sonne und füttern die Esel im Streichelzoo. In einer ruhigen Nebenstraße des grünen Bezirks Berlin-Pankow steht zwischen schönen Einfamilienhäusern ein großes strahlend gelbes Gebäude, das ganz besondere Geschichten über Kinder erzählen kann.

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand in der damaligen Moltkestraße 8 bis 9, heute Wilhelm-Wolff-Straße 36, im Pankower Stadtteil Niederschönhausen das Fürsorge- und Säuglingsheim der Jüdischen Gemeinde Berlin. Schnell platzte das villenähnliche Gebäude aus allen Nähten; es wurde ein zweites Haus auf dem mehr als 3.000 Quadratmeter großen Areal gebaut. Viele Hundert Kinder wurden hier liebevoll und nach modernem Standard von fachkundigem Personal betreut. Schattenspendende Ahorn- und Kastanienbäume sowie viele Obstbäume standen und stehen in dem großen Garten um das ehemalige Planschbecken, an das sich die wenigen, hoch betagten Besucher aus dem heutigen Israel oft erinnern.

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Kinderhospiz Sonnenhof mit dem schönen Garten

Als Kleinkinder lebten sie in dem Heim, haben wie durch ein Wunder den Holocaust überlebt und suchen heute in Deutschland nach Kindheitserinnerungen. Eine Gedenktafel erinnert an über 150 lebensfrohe jüdische Kinder, darunter 70 Säuglinge und deren Krankenschwestern, die 1942 von der SS verschleppt und in Auschwitz ermordet wurden. Bis Kriegsende nutzten die Nazis das Haus als Lazarett. Nach 1945 wurde es der Jüdischen Gemeinde wieder übergeben. Bis in die 1950er-Jahre nutzte sie es als Kinderheim und auch schon als Altenheim. Später war es das einzige jüdische Altenheim in der DDR und schloss erst 1994.

Mehrere Jahre stand das Haus leer, bis es im neuen Jahrtausend eine neue Bedeutung erhalten sollte. „Irgendwie spürt man, dass dieses Haus einmal für Kinder gebaut wurde. Es hat eine besondere Seele und ist vor allem hell und freundlich, nicht nur dank der großzügigen Fenster“, sagt Jürgen Schulz, Vorstand der Björn Schulz Stiftung, der lange nach einem passenden Haus für das Projekt des Berliner Kinderhospizes Sonnenhof suchte. Beim Betreten des Gebäudes – beide Häuser sind durch ein glasreiches Foyer in den 1970er-Jahren verbunden worden – hatte er sofort das Gefühl, dass es endlich das richtige für dieses besondere, noch einzigartige Vorhaben sei. Schulz und seine Frau verloren ihren Sohn Björn, als der Junge kurz vor seinem achten Geburtstag an Leukämie verstarb. Seitdem, seit 1983, engagieren sich beide für Familien, die ein schwer- oder unheilbar krankes Kind haben. Verschiedene Projekte der Björn Schulz Stiftung ermöglichen diesen Familien Entlastung von ihrem schweren Alltag, liebevolle und professionelle Betreuung in dieser oft jahrelangen unbeschreiblichen Lebenssituation. Leitsatz der Stiftungsarbeit ist: Wenn ein Kind so schwer erkrankt, ist immer die gesamte Familie betroffen.

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Eine Gedenktafel wurde am Haus angebracht

Nach einem umfangreichen, ausschließlich aus Spenden finanzierten Umbau konnte der Sonnenhof im Dezember 2002 eröffnet werden. Bei der Unterzeichnung des Mietvertrages zwischen der Jüdischen Gemeinde Berlins und der Björn Schulz Stiftung erklärte der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Andreas Nachama: „Es freut mich sehr, dass hier wieder Kinder einziehen werden und damit der Geist des Hauses durch die Björn Schulz Stiftung weitergetragen wird.“ Zwölf unheilbar kranke Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene und ihre Familien werden hier aufgefangen – auch in der letzten Lebensphase des Kindes. Das Haus und seine Einrichtung sind ganz auf Lebensfreude
ausgelegt – farbenfrohe Zimmer, ein heller Gemeinschaftsraum mit offener Küche, ein Snoezelenzimmer – ein Raum, in dem die Sinne der Kinder angeregt werden, ein Bewegungsbad im Untergeschoss, viel Spielzeug, Instrumente und vieles mehr – auch für die gesunden Geschwisterkinder – bis hin zur Disco im Gartenhaus, zu der auch die Kinder aus der Nachbarschaft eingeladen werden.

Familien gleich welcher Nationalität oder Religionszugehörigkeit erfahren hier eine warmherzige Begleitung. Der Davidstern und die Gedenktafel an der Fassade halten den Ursprung des Hauses wach. Aber auch eine Rabbinerin und andere Religionsvertreter arbeiten mit den Mitarbeitern des Sonnenhofes zusammen, um den jüdischen und anderen Gästen Seelsorge heute zu geben. Nathan der Weise wäre glücklich.

Im vergangenen Jahr konnte die Björn Schulz Stiftung das Haus kaufen, denn ein weiterer Ausbau wurde dringend notwendig. Die zwölf Gästezimmer reichen nicht mehr aus; seit zwei Jahren ist der Sonnenhof immer voll belegt. „Deshalb werden wir Platz für weitere unheilbar kranke Mädchen und Jungen sowie ihre Angehörigen schaffen. Ein riesiges Vorhaben für uns, bei dem jeder Euro zählt“, sagt Jürgen Schulz, während er durch den Garten geht und sich am Lachen der kranken und gesunden Kinder erfreut.


Björn Schulz Stiftung
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13156 Berlin
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