Charterflug in die Vergangenheit

_von Hans Sahl,
geb. 20.05.1902 in Dresden,
gest. 26.04.1993 in Tübingen_

Als sie zurückkamen aus dem Exil,
drückte man ihnen eine Rose in die Hand.
Die Motoren schwiegen.
Versöhnung fand statt
auf dem Flugplatz in Tegel.
Die Nachgeborenen begrüßten
die Überlebenden.
Schuldlose entschuldigen sich für
die Schuld ihrer Väter.
Als die Rose verwelkt war,
flogen sie zurück in das Exil ihrer
zweiten, dritten oder vierten Heimat.
Man sprach wieder Englisch.
Getränke verwandelten sich wieder in drinks.
Als sie sich der Küste von
Long Island näherten,
sahen sie die Schwäne auf der Havel
an sich vorbeiziehen, und sie weinten.

Hans Sahl schreibt bis zu seiner Flucht vor den Nationalsozialisten in Berlin Literatur-, Theater- und Filmkritiken. In Paris wird er gefangen genommen, aber es gelingt ihm zu fliehen und schließlich in die Vereinigten Staaten auszureisen. In den 50er Jahren versucht er, wieder in Deutschland heimisch zu werden. Aber dies misslingt und er kehrt in die USA zurück. Erst 1989 wagt der Lyriker, Erzähler, Dramatiker,Chronist, Kritiker und Übersetzer einen neuen Versuch und bleibt in Tübingen.

Die von uns abgedruckten Zeilen drücken aus, was viele Teilnehmer des Emigrantenprogramms des Berliner Senats empfinden.