Eine Zeitreise zurück an den Checkpoint Charlie

von Claus Standke

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Das Gerüst aus Stahl ist hier beim Richtfest zu sehen, vorn der Schöpfer des Mauerpanoramas Yadegar Asisi

Es gibt dutzende Bücher, diverse Filme und Dokumentationen, Fotos und Zeitzeugen, die man zur Berliner Mauer befragen kann. Aber wenn man sie nicht selbst erlebt hat, kann man sie sich nur schwer vorstellen. An einem historischen Ort Berlins, am Checkpoint Charlie, macht ein Projekt des Künstlers Yadegar Asisi und ein Infopavillon, eine „Black Box“, die Geschichte Berlins im Kalten Krieg nachfühlbar.

„Die Mauer – das Asisi Panorama zum geteilten Berlin“ ist ein im Maßstab 1:1 gehaltenes 360-Grad Mauerpanoramabild vom geteilten Berlin in Zeiten des Kalten Krieges. Es verleiht dem Betrachter einen Eindruck vom Leben an und mit der Mauer. Mit verschiedenen Lichteinstellungen und angepasster Akustik stellt Asisi die wechselnden Tageszeiten eines fiktiven Novembertages in den achtziger Jahren dar. Von einer vier Meter hohen Aussichtsplattform im 18 Meter hohen Rundbau blickt man von West nach Ost auf das zerrissene Berlin.

Vorbei an einer mit Graffiti bemalten Mauer und Szenen an einer Imbissbude im West-Teil reicht der Blick über die Wachtürme in regelmäßigen Abständen, Grenzsoldaten mit geladenen Gewehren bis hin zu unsanierten Häusern und Baulücken. Asisis Erfahrungen verdichten sich detailreich zu Alltagsgeschichten. Er sagt: „Ich habe mir Gedanken gemacht, wie man als Künstler mit dem Thema des Kalten Krieges umgehen kann. Die Mauer hat nicht nur Menschen getrennt, sondern auch Stadträume mit ihren Häusern zerschnitten.“

Gestaltet wurde das 60 Meter im Umfang große und 15 Meter hohe Panoramabild von Yadegar Asisi. Den Aufbau selbst hingegen hat der Berliner Architekt Anuschah Behzadi geleitet. Für den Bau der Rotunde wurden etwa 120 Tonnen Stahl verwendet, die im Anschluss mit wärmedämmenden Paneelen verkleidet wurden.

In seinem Rundbild zeigt Asisi, der selbst im Osten und Westen Berlins lebte, ein persönliches Stück aus seinem Leben und präsentiert aus seiner Sicht die Zeit über die 28-jährige Teilung Berlins mit Blick von Kreuzberg nach Mitte. „Ich habe in den achtziger Jahren in Kreuzberg an und mit der Mauer gelebt. Das Panorama bündelt meine Erfahrungen und erzählt dem Betrachter detailreich Geschichten, die so nicht zeitgleich geschehen wären. Die vielen Alltagsgeschichten im Panoramabild zeigen, dass die Bewohner sich an die Umstände anpassten.“

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Besucher des Mauerpanoramas (rechts im Bild) betrachten die Szenerie von damals

Yadegar Asisi, der 1955 in Wien geborene Sohn persischer Emigranten, betonte Anfang September bei seiner Ansprache zum Richtfest, dass es eines seiner kompliziertesten Projekte sei, die er je gemacht habe. Bereits 1986 gestaltete Asisi illusionistische Malerei an der Berliner Mauer mit dem Titel „Mauerdurchblick“.

Neben dem großen Panorama am Checkpoint Charlie glänzt ein in schwarzer Farbe gestrichener Informationspavillon des Berliner Senats. Seit Sommer 2012 dient diese „Black Box“ als Erweiterung des Informationsangebotes der Bildergalerie am Checkpoint Charlie zur Geschichte der Berliner Mauer und informiert über die historischen Zusammenhänge und die Rolle Berlins im Kalten Krieg. Sie ist ein Vorläufer des an dieser Stelle geplanten „Zentrums Kalter Krieg“.

Auf 220 m² informiert die „Black Box“ über die Geschichte des Kalten Krieges und des Ortes. Nicht nur diverse Infomaterialien, großformatige Fotos zu den Brennpunkten des Kalten Krieges in aller Welt und Filmausschnitte werden in einem kleinen Kino gezeigt, sondern auch eine Weltkarte mit den Konfliktzonen des Kalten Krieges sowie eine interaktive Berlinkarte, die authentische Erinnerungsorte aufleuchten lässt und auf diese verweist.

Die äußere Gestaltung des Pavillons bezieht sich auf die beiden Großmächte Russland und USA. Das Schwarz der Außenfassade steht für die „Black Box“ – den Flugschreiber, der das Geschehene für die Nachwelt festhalten soll. Das Rot der Säule steht für die Sowjetunion und die blauen Fenster für die USA.

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Die Black Box informiert über historische Zusammenhänge und die Rolle Berlins im Kalten Krieg

Checkpoint Charlie ist neben dem Brandenburger Tor weltweit der berühmteste Symbolort des Ost-West-Konflikts und der europäischen Teilung. Er war einer von drei innerdeutschen militärischen Kontrollpunkten, der durch die Amerikaner genutzt wurde. Hier konnten ausschließlich alliierte Militär- und Botschaftsangehörige, Ausländer und Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR sowie DDR-Funktionäre die Grenze passieren. Berühmtheit erlangte der Grenzübergang als sich am 27. Oktober 1961 sowjetische und amerikanische Panzer gefechtsbereit gegenüberstanden. Damals hatte das SED-Regime versucht, die Rechte der alliierten Westmächte in Berlin einzuschränken. Zudem war der Checkpoint Schauplatz spektakulärer Fluchten aus Ost-Berlin, die nicht selten tödlich ausgingen.

Heute ist der ehemalige Grenzübergang Ziel von vielen Menschen aus dem In- und Ausland. Jährlich sind es mehr als drei Millionen, die den Ort sehen wollen, an dem sich Ost und West so unerbittlich gegenüberstanden.


Der Autor studiert Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Medienmanagement in Berlin und absolvierte ein Praktikum in der Redaktion von _aktuell_ .