Eine Ausstellung für Zusammenhalt und Respekt

Everybody can be a change-agent

_von Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V._

Der Blick durch das Fenster offenbart ein modernes Trümmerfeld: Das Federbett ist aufgerissen und zerfetzt, das Bett mit der Axt zerschlagen. Die Fußball-Poster von der Wand gerissen, der Schreibtisch zertrümmert. Spielsachen, Schulhefte, Kuscheltiere – alles achtlos auf dem Boden verstreut und zertrampelt. Hier hat jemand sinnlos und tobend gewütet, hier ist jemand zerstörerisch in das Privateste eingedrungen, was ein junger Mensch haben kann: in sein Zimmer. Schüler stehen vor dem Fenster und schauen in das „Zerstörte Zimmer“, eine Installation, die sie berührt und nachdenklich macht. Denn korrespondierend zu dem künstlerisch in Szene gesetzten zeitgenössischen Jugendzimmer, das ihr eigenes sein könnte, stehen die Zeitzeugenberichte zweier Menschen, die solcherart sinnlose Zerstörungswut in ihren Wohnungen als Kinder ertragen und mit ansehen mussten. Die Erzählungen von Mucki Koch – Tochter einer kommunistischen Familie, und Robert Goldman – Sohn einer jüdischen Arztfamilie, über das Eindringen der SA in ihre Häuser sind erschütternd. Und der Schock darüber, wie Willkür, Rechtlosigkeit und Terror wirken können, sitzt bei den Jugendlichen, die die Ausstellung besuchen, tief. Die moderne Inszenierung gibt ihnen die Möglichkeit, den Erzählungen aus der Vergangenheit auch emotional zu folgen.

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Atmosphäre zum Wohlfühlen im Themenraum Mein Zimmer

Brücken in die Vergangenheit

Das ist der besondere Zugang bei 7xjung – Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt. Die Ausstellung in den S-Bahnbögen in Berlin Tiergarten will Jugendliche ermutigen, sich mit dem Nationalsozialismus, Antisemitismus und jeglicher Form von Ausgrenzung zu beschäftigen – in der Vergangenheit und auch im Heute. Deshalb beginnt die Geschichte in dieser einmaligen Ausstellung immer in der Gegenwart, sie führt die Jugendlichen auf vielen kleinen Spuren in die Vergangenheit, knüpft Verbindungen und baut Brücken, über die sie zwischen den Zeiten wandeln können. Manchmal durch Verunsicherung, manchmal durch Überraschung und manchmal auch durch einfache Fragen, die zeitlos erscheinen:

Wer hat den Schlüssel zu meinem Zimmer? Wer hält zu mir? Und wer verlässt das Team? Wer bestimmt, wer ich bin? Wer darf auf welcher Parkbank sitzen? Welche Folgen hat Zerstörung? Was bedeutet mir Anerkennung? Habe ich ein Recht auf Musik?

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Die Kinder lauschen den ernsten Geschichten aus der Vergangenheit

In großen Räumen haben die Ausstellungsmacher sieben Themen inszeniert, die alle auf irgendeine Weise für Jugendliche wichtig sind: Meine Familie, mein Zuhause, mein Laden, meine Papiere, mein Sport, meine Stadt und meine Musik sind zeitlose Oberflächenthemen, unter denen sich vielschichtige biographische Erzählungen aus der Vergangenheit sammeln. So finden sich beispielsweise im Sportraum – der ausgestattet ist wie eine echte Turnhalle mit Holzboden, Turngeräten und Pokalen – unter anderem sieben kurze Hörgeschichten über unterschiedliche Erlebnisse von Ausgrenzung in Sportvereinen während der Nazizeit. Vom geliebten Schwimmverein plötzlich ausgeschlossen zu sein, nur weil man vermeintlich „anders“ ist, einer anderen Religionsgemeinschaft angehört – eine Erzählung, die sich in der Turnhalle von 7xjung ganz anders anfühlt, wenn die Jugendlichen sich gerade noch ausgetobt haben und selbst erleben konnten, wie viel Spaß der Sport in der Gemeinschaft macht.

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Die Instrumentalisierung von Sport in der NS-Zeit ist für manche Schüler leichter zu verstehen, wenn der Geschichtsunterricht auch mal in der Turnhalle stattfindet

Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt

Die Berliner Schülerinnen und Schüler sind heute eine bunt zusammen gemischte Generation mit vielfachen Hintergründen und Identitäten. Die Schulklassen kommen zu vierstündigen Workshops und haben viel Zeit und Raum, sich mit den Themen zu beschäftigen. In kleinen Gruppen von Pädagogen betreut geht die Auseinandersetzung oftmals sehr tief – bis hin zu eigenen Berichten der Jugendlichen von Ausgrenzung und Diskriminierung. In einer Atmosphäre des Vertrauens können sich die Jugendlichen öffnen und erzählen. So wird ihnen durch die sinnliche Erfahrung von historischer Ungerechtigkeit ein Verantwortungsgefühl nicht nur für die eigene Geschichte vermittelt, sondern ebenso Sensibilität und Empathiefähigkeit innerhalb ihres eigenen Lebensumfelds. Das ist bei 7xjung besonders wichtig.

Beispielsweise im Raum „Meine Stadt“, in dem vier graffitibeschmierte Parkbänke stehen. Gegen das staatlich angeordnete Verbot für Juden, sich auf Parkbänke zu setzen, konnte man während der Nazizeit nicht viel ausrichten. Die Jugendlichen erproben in Rollenspielen wie es ist, ausgegrenzt zu werden, nicht auf der Bank sitzen zu dürfen, auf der alle anderen sitzen. Für manche eine harte, unangenehme Lektion.

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Einer darf nicht auf die Bank – Ausgrenzungserfahrungen werden im Rollenspiel nachvollziehbar

Und dann spricht man auch über die Gegenwart: Wenn man heute durch den Tiergarten geht und sieht „Scheiß Türken“ auf eine Bank geschmiert, dann könnte man das eigentlich auch mal wegwischen, oder? Die Workshops sollen Mut machen zu couragiertem Handeln. Die Botschaft, die 7xjung vermitteln möchte, ist nämlich eigentlich ganz einfach:

Everybody can be a change-agent

Seit Öffnung der Ausstellung 2010 haben über 1.600 Schülerinnen und Schüler das innovative Projekt besucht – und die Resonanz ist überwältigend positiv. Auch internationale Fachbesucher aus den USA, Israel, Argentinien oder Mexiko interessieren sich für das Projekt und besuchen die Ausstellung. Die Workshopangebote für Berliner Schulklassen sind gut gebucht – und das Team von 7xjung hat noch viele weitere Ideen zu Demokratie- und Menschenrechtserziehung, die sich in den Räumen umsetzen lassen!


Gesicht Zeigen!
Für ein weltoffenes Deutschland e.V.
Koppenstr. 93
10243 Berlin
E-Mail: ausstellung@gesichtzeigen.de
www.7xjung.de
www.gesichtzeigen.de