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Rundschreiben Nr. 07 / 2011

Rundschreiben Nr. 07-2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sommerzeit ist Ferienzeit. Und trotzdem möchten wir sie auch heute mit unserem Rund-schreiben über neueste Rechtsprechungen informieren. Auch werden wir immer wieder gefragt, wie der Zusatzurlaub für Behinderte zu Handhaben ist. Hier gibt es die klare Re-gelung nach dem § 125 SGB IX, der besagt, dass der Zusatzurlaub dem Grundurlaub gleichgestellt wird. Dass heißt, mit dem Zusatzurlaub ist in allen Situationen so zu verfah-ren, wie auch mit dem gesetzlichen Grundurlaub umgegangen wird.

Themen des heutigen Rundschreibens:

  • Zustimmungsverweigerung bei Pflichtverletzung
    Ein Arbeitgeber muss prüfen, ob ein frei werdender oder neu geschaffener Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Hierzu muss dieser frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen.
  • Betriebsrat und Schwerbehinderung – zum Umfang der Zusammenarbeit
    Damit die Interessen der Arbeitnehmer möglichst optimal vertreten werden, sollten die ein-zelnen Gremien zusammenarbeiten. Gerade auch die Zusammenarbeit zwischen Perso-nal-/Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung sollte gepflegt werden, um die Per-sonalpolitik des Betriebs beeinflussen zu können.
  • Arbeitgeber muss die Daten weitergeben
    Der Personalrat hat daraufhin geklagt, dass ihm die Daten der langfristig erkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß von § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX vom Arbeitgeber übermittelt werden müssen.
  • Vorläufiges Merkzeichen „ag“
    Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
  • Freie Fahrt für Schwerbehinderte
    Mit dem Bundesarbeitsministerium vereinbarte die DB, das im Sozialgesetzbuch verankerte Streckenverzeichnis (es definiert den Radius von 50 Kilometer um den Wohnort eines Schwerbehinderten) zum 1. September aufzuheben.
  • Dies und Das
    Beratung zum Persönlichen Budget
    Die Beratungsstelle „Die Kurve“ bietet jetzt Beratung zum Persönlichen Budget an
    • Jeder neunte Einwohner Deutschland ist behindert
      Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben gut 9,6 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland
    • Elternzeit: Kürzung des Erholungs- und des Schwerbehindertenurlaubs
      Kürzungen sind nur für jeden vollen Kalendermonat möglich
    • Neues Urteil des Bundessozialgerichts stützt Persönliches Budget
      Anträge dürfen nicht vorschnell abgelehnt werden.

Zustimmungsverweigerung bei Pflichtverletzung

§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG; § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX

1. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob ein frei werdender oder neu geschaffener Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Diesbezüglich muss der frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen.

2. Um die ihm obliegende Prüfpflicht zu erfüllen, muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit die Konkrete Stellenbeschreibung zukommen lassen und der Behörde ausreichend Zeit zur Prüfung einräumen, ob der konkret ausgeschriebene Arbeitsplatz mit einem Arbeit suchenden schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann.

3. Verletzt der Arbeitgeber die Prüfpflicht und stellt er auf den freien Arbeitsplatz einen nicht schwerbehinderten Menschen ein, kann der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung erfolgreich verweigern.
LAG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 10.09.2010 – 6 TaBV 10/10 (rechtskräftig)

Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob der Betriebsrat zu Recht der beabsichtigten Einstellung einer Arbeitnehmerin nicht zugestimmt hat. Die Arbeitgeberin schrieb am 9.9.2009 intern die in der Abteilung Human Resources neu geschaffene Stelle „Senior Manager Employee Relations & HR Service“ zur schnellst möglichen Besetzung aus. Die 1,5 Seiten umfassende komplexe Stellenausschreibung enthielt unter anderem umfangreiche Vorgaben hinsichtlich der Ausbildung und Berufserfahrung. Einreichungsfrist für Bewerbungen war der 22.9.2009. Gegen Ende der Bewerbungsfrist fragte der Personalleiter der Arbeitgeberin bei der Agentur für Arbeit per Telefon an, ob für die Stelle geeignete schwerbehinderte Bewerber vorhanden seien. Der Arbeitgeberin wurde mitgeteilt, dass die Agentur keinen Vermittlungsvorschlag machen könne. Der Agentur für Arbeit wurde die konkrete komplexe Stellenausschreibung nicht zur Kenntnis gebracht, sondern es erfolgte lediglich fernmündlich eine Zusammenfassung der Stellenausschreibung. Die Arbeitgeberin beantragte am 23.9.2009 die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der von ihr ausgewählten Kandidatin. Diese war bereits Mitarbeiterin des neuen Personalleiters bei dessen alter Firma gewesen. Der Betriebsrat verweigerte form- und fristgerecht die Zustimmung. Begründet hat er seine Entscheidung damit, dass keine Prüfung erfolgt sei, ob der Arbeitsplatz von einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann und somit ein Verstoß gegen die sich aus § 81 SGB IX ergebene Prüfpflicht vorliegt.

Entscheidungsgründe
Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Recht verweigert, weil nach der vorgegebenen Sachlage mit der Einstellung gegen ein Gesetz verstoßen wurde. Arbeitgeber müssen, so das LAG, prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder Arbeits suchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetz werden können. Nicht extra geregelt wurde, welche Maßnahme ein Arbeitgeber ergreifen muss, um eine entsprechende Prüfung vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BAG muss eine entsprechende Prüfung wegen der Verschiedenartigkeit der Behinderung und der unterschiedlichen Anforderungen der zu besetzende Arbeitsplatz konkret erfolgen. Nach Auffassung des LAG muss in jedem Einzelfall die Agentur für Arbeit ausreichend Zeit haben zu prüfen, ob ein konkret ausgeschriebener Arbeitsplatz auch mit einem Arbeit suchenden schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Ein Arbeitgeber, der diese Vorgabe der Agentur nicht ermöglicht, genügt nicht seiner vom Gesetzgeber vorgegebenen Prüfpflicht. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz ist nach Bewertung des LAG von keiner Prüfpflicht der Agentur ermöglichenden Vorgehensweise der Arbeitgeberin auszugehen. So wurde lediglich per Telefon eine Zusammenfassung der Stellenausschreibung getätigt, nicht jedoch der Agentur die komplette Stellenbeschreibung übermittelt. Unabhängig davon, ob der Agentur durch die per Telefon vorgetragene Zusammenfassung der Stellenbeschreibung eine ad-hoc-Prüfung überhaupt möglich war, widerspricht eine telefonische Abklärung der ordnungsgemäßen Prüfungspflicht schon deshalb, weil für die auch durch die Agentur bundesweit vorzunehmende Prüfung immer ein gewisser Prüfungszeitraum notwendig ist. Mit der telefonischen Abklärung habe die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall ihrer Prüfpflicht nicht Genüge getan.

Betriebsrat und Schwerbehinderung – zum Umfang der Zusammenarbeit

Arbeitgeber muss die Daten weitergeben

Vorläufiges Merkzeichen „ag“

Auch wenn noch nicht abschließend festgestellt werden kann, ob der behinderte Mensch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG” erfüllt, ist ihm im Rahmen der Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig der Nachteilsausgleich zuzusprechen, wenn die Möglichkeit einer zeitweilig andauernden Verletzung der grundgesetzlichen Gewährleistung der Menschenwürde nicht verneint werden kann.

Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts, mit der sie bei verständiger Würdigung ihres Antrages begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hilfsweise bis zum 31. März 2011, zu verpflichten, für sie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “aG” und “T” vorläufig festzustellen, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und hat in dem aus Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO -). Ist das Begehren – wie vorliegend – auf den Erlass einer vorläufigen Regelung gerichtet, die den Ausgang des Hauptsacheverfahrens vorwegnimmt, müssen besondere Gründe vorliegen, die den Erlass einer solchen Anordnung gebieten. Dies ist vorliegend der Fall.

An die Ausgestaltung des Eilverfahrens sind besondere Anforderungen zu stellen, die sich aus dem in Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gebot effektiven Rechtsschutzes ergeben, wenn ohne die Gewährung des begehrten Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In solchen Fällen sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine abschließende und nicht nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss, wenn dazu Anlass besteht. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, in deren Rahmen ebenfalls die grundrechtlichen Belange des jeweiligen Antragstellers umfassend einzustellen sind. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 -, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, Beschluss vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 -, jeweils zitiert nach juris).

Dies zugrunde gelegt, ist hier eine Folgenabwägung vorzunehmen, weil sich die entscheidungserhebliche Frage, ob die Antragstellerin die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen “aG” und “T” erfüllt, im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren in angemessener Zeit nicht abschließend klären lässt. Dabei geht der Senat davon aus, dass vorliegend die sich aus Artikel 19 Abs. 4 GG ergebenden besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens zu beachten sind, weil die Antragstellerin mit der Zuerkennung der Merkzeichen “aG” und “T” Rechtspositionen erstrebt, die letztlich dazu dienen, ihr ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, das sicherzustellen der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet ist. Der Antragstellerin drohen bei einer Versagung von Eilrechtsschutz schwere und unzumutbare Nachteile, wenn nicht auf Grund einer abschließenden Prüfung die Möglichkeit einer zeitweilig andauernden Verletzung der grundgesetzlichen Gewährleistung der Menschenwürde verneint werden kann. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, vielmehr muss der Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden, wofür richtiger Standort jedoch nicht das vorläufige Rechtsschutzverfahren, sondern das Verfahren der derzeit noch beim Sozialgericht anhängigen Hauptsache – S 178 SB 1753/10 – ist. Hierzu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
Anspruchsgrundlage für die Erteilung des Nachteilsausgleichs “T”, welcher zur Nutzung des besonderen Fahrdienstes im Land Berlin berechtigt, ist § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes vom 31. Juli 2001 in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes vom 22. Juni 2005 (GVBl. S. 342). Nach Satz 1 dieser Vorschrift ergibt sich die Berechtigung, den besonderen Fahrdienst zu nutzen, aus dem Feststellungsverfahren und der Bescheiderteilung mit dem Merkzeichen “T” durch das Versorgungsamt. Dafür ist nach Satz 2 der Vorschrift Voraussetzung, dass das Merkzeichen “aG”, ein mobilitätsbedingter Grad der Behinderung von mindestens 80 vom Hundert und Fähigkeitsstörungen beim Treppensteigen gegenüber dem Versorgungsamt nachgewiesen werden.

Für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung mit Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 der zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 9a SB 5/05 R – m. w. N., zitiert nach juris). Hiernach sowie nach den möglicherweise ebenfalls heranzuziehenden im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen in Teil D Ziffer 3 der Anlage zu § 2 des seit dem 1. Januar 2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 in ihrer jeweils geltenden Fassung ist außergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu gehören Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.

Ob die Antragstellerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “aG” und “T” erfüllt, kann noch nicht abschließend festgestellt werden. Entscheidungserheblich ist insoweit insbesondere die Frage, ob die Antragstellerin, die zweifelsfrei nicht zu den in den oben genannten Bestimmungen ausdrücklich genannten Personengruppen gehört, diesem Personenkreis gleichzustellen ist. Zutreffend hat das Sozialgericht diesbezüglich ausgeführt, dass eine solche Gleichstellung voraussetzt, dass die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und der Betroffene sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die genannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dabei müssen seine Leiden in ihren funktionellen Auswirkungen mit den Leiden der erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten vergleichbar sein; der Leidenszustand muss also wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste einschränken. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten wie der Antragstellerin die Prüfung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “aG” und “T” Schwierigkeiten bereitet und eine Gesamtschau aller relevanten Umstände erforderlich ist (vgl. BSG, a. a. O.).

Dies zu Grunde gelegt, bedarf es zunächst noch weiterer Aufklärung, ob das Gehvermögen der Antragstellerin in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist. Anhaltspunkte für eine erhebliche Beeinträchtigung beim Gehen ergeben sich vorliegend aus dem Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dr. F vom 14. Mai 2009 und seiner ärztlichen Bescheinigung vom 26. Mai 2009, den Attesten des Arztes für Orthopädie Dr. W vom 11. August 2009 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 9. Juni 2009 sowie dem Befundbericht des Medizinischen Versorgungszentrums im M vom 4. September 2009. Danach leidet die Antragstellerin neben einer hirnorganischen und psychischen Störung u. a. an einer Gonarthrose beidseits, einem chronischen Lumbalsyndrom, einer arteriellen Hypertonie, einer diastolischen Dysfunktion und einer Polyneuropathie bei Diabetes mellitus. Beschrieben werden u. a. Schmerzen in den Beinen, den Füssen und den Kniegelenken, eine proximal betonte Schwäche der Beine sowie ein langsamer, kleinschrittig watschelnder Gang. Hinreichend konkrete Befunde, insbesondere körperliche Untersuchungsbefunde, die das Ausmaß der Bewegungs- und/oder Belastungseinschränkungen unter Angabe objektiver Werte beschreiben, liegen bisher nicht vor, um das Vorliegen einer außergewöhnlichen Behinderung abschließend prüfen zu können. Von daher ist es im Hauptsacheverfahren jedenfalls noch erforderlich, aussagekräftige Befunde zur Frage der außergewöhnlichen Gehbehinderung von den Ärzten einzuholen, die die Antragstellerin wegen ihrer orthopädischen, neurologischen und internistischen Leiden behandeln (insbesondere zu Wirbelsäule, Knie, Füße, Beinschwäche, diabetischer Polyneuropathie).

Soweit die Antragstellerin eine ausgeprägte Sturz- und Fallneigung mit hoher Eigen- und Fremdgefährung im öffentlichen Straßenland geltend macht, wird allerdings darauf hingewiesen, dass sich hieraus keine außergewöhnliche Behinderung beim Gehen ergeben dürfte. Denn aus diesen Umständen könnte nur gefolgert werden, dass die Antragstellerin beim Gehen ständig einer Begleitperson bedarf, wie der Arzt Dr. W in seinem Attest vom 11. August 2009 ausführt, nicht aber, dass die unausweichliche Wegstrecke zu verkürzen ist; dies ist aber alleiniger Zweck des Merkzeichens “aG” (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 9 RVs 3/94 – und Urteil vom 22. April 1998 – B 9 SB 7/97 R -, jeweils zitiert nach juris). Anhaltspunkte dafür, dass zur Vermeidung einer Selbst- und Fremdgefährung die Anwesenheit einer Begleitperson nicht ausreichen könnte, sondern nur eine Beförderung im Rollstuhl sachgemäß wäre, bestehen nach den vorliegenden ärztlichen Befunden nicht.

Die aus dem Tenor ersichtliche zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung ist dem Umstand geschuldet, dass einstweiliger Rechtsschutz ausschließlich der Behebung gegenwärtiger Notlagen, nicht aber der Regelung weit in der Zukunft liegender Sachverhalte dient. Dies zugrunde gelegt, und ausgehend von der gegenwärtigen Eilbedürftigkeit der Sache ist es in Ausübung des nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 1 ZPO eröffneten freien richterlichen Ermessens sachgerecht, die einstweilige Anordnung auf etwa vier Monate zu begrenzen. Dieser Zeitraum erscheint erforderlich, aber derzeit auch ausreichend, um im Verfahren der Hauptsache die vom Senat für geboten gehaltene weitere Sachaufklärung durchzuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.

Freie Fahrt für Schwerbehinderte (grün-roter Ausweis)

Laut der dapd-Meldung haben Schwerbehinderte vom 1. September an freie Fahrt in allen Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn.
Dazu benötigen sie den grün-roten Schwerbehindertenausweis sowie ein Beiblatt des Versorgungsamtes mit einer gültigen Wertmarke, ließ die Bahn am Dienstag in Berlin verlauten.

Bislang durften schwerbehinderte Menschen nur in einem Umkreis von 50 km um ihren Wohnort kostenfrei Regionalzüge außerhalb von Verkehrsverbünden nutzen. Nunmehr können die betroffenen Menschen im ganzen Bundesgebiet mit der Regionalbahn (RB), dem Regionalexpress (RE), dem Interregio Express (IRE) und den S-Bahnen reisen. An den Regelungen für Begleitpersonen, für die Mitnahme eines Hundes sowie für kostenlose Platzreservierungen ändert sich nichts.

Mit dem Bundesarbeitsministerium vereinbarte die DB, das im Sozialgesetzbuch verankerte Streckenverzeichnis (es definiert den Radius von 50 Kilometer um den Wohnort eines Schwerbehinderten) zum 1. September aufzuheben. Nun können Schwerbehinderte bundesweit in der 2. Klasse kostenlos fahren
Auszug von den Internetseiten des LaGeSo: (das oben genannte grün/rot wird hier als grün/orange bezeichnet, gemeint ist der gleiche Ausweis)
Einen zweifarbigen Schwerbehindertenausweis (grün-orange) erhalten schwerbehinderte Menschen, wenn sie auf Grund ihrer Funktionsbeeinträchtigung einen Anspruch für vergünstigte oder unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr zuerkannt bekommen haben.
Um dieses Recht (bei Vorliegen der Voraussetzungen) auf vergünstigte oder unentgeltliche Beförderung in Anspruch nehmen zu können, erhalten Sie auf Antrag ein Beiblatt, das mit einer (aufgedruckten) Wertmarke versehen ist. Das Beiblatt ist Bestandteil des Schwerbehindertenausweises und nur zusammen mit diesem gültig (siehe auch Kapitel Personenbeförderung).

Dies und Das

  • Beratung zum Persönlichen Budget
    In der Kontakt – und Beratungsstelle “Die Kurve” wird Beratung zum Persönlichen Budget angeboten
    Die Beratungen können grundsätzlich alle in Anspruch nehmen. Wenn es jedoch eine tiefere Einarbeitung oder Begleitung benötig wird, muss sich die Beratungsstelle auf psychisch beeinträchtigte Menschen im Bereich Eingliederungshilfe konzentrieren. Sie sind aber sehr gut vernetzt und können die Klienten kompetent weiterleiten.

Die Beratung findet jeweils mittwochs, 14-tägig, in ungeraden Wochen, zwischen 17 und 18:30 Uhr statt.
Eine Voranmeldung ist nötig. Beratungssprache: Deutsch
Adresse: Kontakt – und Beratungsstelle “Die Kurve”, Forddamm 1, 12107 Berlin
Ansprechpartner: Monika Schicketanz

  • Jeder neunte Einwohner Deutschlands ist behindert
    Jeder neunte Einwohner Deutschlands ist behindert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden lebten 2009 in Deutschland 9,6 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung, das waren 11,7 Prozent der Bevölkerung.

Und ihre Zahl steigt an: Allein seit 2005 wuchs die Zahl behinderter Menschen um elf Prozent, wie das Bundesamt am Donnerstag berichtete. Das liege vor allem daran, dass die Menschen immer älter würden – mit dem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung

  • Elternzeit: Kürzung des Erholungs- und des Schwerbehindertenurlaubs
    So ist die bisherige Rechtslage: Ihr Arbeitgeber ist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG berechtigt den Urlaub für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen. Nun kommt ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts hinzu (Urteil vom 17.05.2011, Az.: 9 AZR 197/10).

Der Fall: Einem schwerbehinderten Arbeitnehmer standen tarifvertraglich 30 Tage Erholungsurlaub und 5 Arbeitstage Sch werbehindertenurlaub zu. Er ging nun für drei Monate vom 16.08.2008 bis zum 15.10.2008 in Elternzeit. Die Arbeitgeberin hat für die Elternzeit 2,9 Arbeitstage Erholungsurlaub und 1,3 Arbeitstage Zusatzurlaub abgezogen.

Die Begründung: Für die Elternzeit sei kein Urlaubsanspruch entstanden!
Die Entscheidung des Gerichts: Da war das BAG jedoch ganz anderer Meinung. Der Anspruch auf Erholungsurlaub entsteht mit Beginn des Jahres auch für die Monate der künftigen Elternzeit. Er darf dann nur um jeweils 1/12 für jeden vollen Kalendermonat gekürzt werden, hier also für einen Monat. Und das gilt jetzt auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: Kürzungen sind auch weiterhin nur für jeden vollen Kalendermonat möglich – und zwar für den Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 SGB IX.

  • Neues Urteil des Bundessozialgerichts stützt Persönliches Budget
    Kategorie: Leistungserbringer, Budgetnehmer, Recht
    Den Antrag auf ein Trägerübergreifendes Persönliches Budget dürfen einzelne Leistungsträger nicht vorschnell ablehnen. Der Gesetzgeber erwarte vielmehr eine kooperative Zusammenarbeit der Träger im Interesse der Menschen.

Das entschied das Bundessozialgericht in einem neuen Urteil in einem Streitfall, in dem der Träger der Sozialhilfe sich für nicht zuständig gehalten und den Antrag an die Rentenversicherung weitergeleitet hatte. Die schloss eigene Leistungen ebenfalls aus und lehnte den Antrag ab, ohne die Möglichkeiten eines Persönlichen Budgets umfassend zu prüfen. Nach dem Kasseler Urteil muss der Rententräger dies nun umgehend nachholen (Az.: B 5 R 54/10 R).
Ein Artikel der »Ärzte-Zeitung« berichtet über das Urteil. Eine Presseinformation zu dem Urteil sowie der Wortlaut der Entscheidung sollen demnächst auf der Website des Bundessozialgerichts veröffentlicht werden.