Lisa Sieg berichtet aus Graz

Ein Weiter- und Neulernen in einem unbekannten Terrain, welche meine beruflichen Fähigkeiten schulen, sowie zu meiner persönlichen Entwicklung beitragen, das schwebte mir vor, als ich mich 2020 für das LoGo! Europe Programm bewarb. Ich bin seit 2014 im Bezirk Lichtenberg, zunächst als Azubi, später als fertig ausgebildete Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste in der Bodo-Uhse-Bibliothek am Tierpark tätig.
Eine Corona-Pandemie, das bange Warten um den Haushaltsbeschluss und einer Zusage meiner favorisierten Stadt später, ging es am 09.09.2022 in aller Herrgottsfrühe mit dem ÖBB Railjet Richtung Graz.

Fahrt nach Graz

Fahrt nach Graz

Erste Woche vom 09.09. bis 16.09.

Während der knapp 11-stündigen Zugfahrt dürfte ich einen Sonnenaufgang bewundern, tief hängende Nebelfelder bestaunen, das imposante Elbsandsteingebirge und die durch das Sonnenlicht glitzernde Oberfläche der Elbe anschmachten. Beeindruckend wurde die Landschaft nach Wien, als sich den Zuginsassen die malerische, mit sattem Grün bedeckten Gebirgshügel offenbarten.

Zanklhof

Zanklhof

Noch nicht vollends gesättigt von Eindrücken ging es nach der Ankunft am Wochenende gleich auf Entdeckungstour durch die Stadt und Ablaufen des Weges zum späteren hauptsächlichen Einsatzort – dem Zanklhof . Viele Wege können innerhalb der Stadtmitte gut zu Fuß abgelaufen werden. Der Schlossberg und -park, die Murinsel und die schöne Altstadt mit den teilweisen schon sehr schmalen Fußwegen waren Teil meiner Erkundung.

Mein Weg zur Arbeit

Mein Weg zur Arbeit

Dann stand auch schon der erste Arbeitstag an und nach einer Vorstellung der Mitarbeiter durch die Bibliotheksleitung und einer anschließenden Führung durch die Bibliothek mit einer Kollegin machte ich mich zunächst mit dem alltäglichen Bibliotheksalltag vertraut. Besonders auffällig ist die benutzernahe Arbeitsweise. Es gibt kaum Selbstverbbuchungsautomaten. Eine Jahresgebühr kostet hier 15 €. Wenn der Postservice genutzt werden möchte, sind 25 € fällig. Die Bibliothek verfügt über eine eigene Poststelle, in der die Bestellungen für einen Transport in eine gewünschte Postfiliale abgefertigt werden. Das System finde ich sehr benutzerfreundlich und besonders die Posttaschen sind ein echter Hingucker.

Murinsel

Murinsel

Mein zweiter Tag startete mit einem Besuch im Volkskundemuseum. Der darin befindliche Hallensaal soll für eine demnächst stattfindende Lesung mit Manuel Rubey genutzt werden, da keiner der Grazer Bibliotheken über solch einen großen Raum verfügt, wo an die 150 Gäste erwartet werden. Generell werden viele von der Bibliothek organisierten Veranstaltungen an anderen Orten innerhalb der Stadt angeboten. Eine Krimilesung mit zusätzlicher Dirndl Modenschau soll zum Beispiel auf der Murinsel stattfinden. Vielleicht wäre das ein Konzept, welches auch die Lichtenberger Bibliotheken in Zukunft praktizieren wollen, wenn es sich um ein größeres Event handelt. Der Eintritt für die Veranstaltungen ist dabei komplett kostenlos, nur eine Mitgliedschaft in der Bibliothek ist Voraussetzung. In Vorbereitung auf die Lesung des wohl bekanntesten österreichischen Schauspielers und Kabarettisten Manuel Rubey, für den gefühlt alle in der Bibliothek geschwärmt haben, wurde ich mit reichlichen Filmvorschlägen eingedeckt.
Anschließend stand das erste Treffen mit dem LABUKA Team an, welches für die Organisation und Durchführung zuständig ist. Bei der Wahl setzen sie u.a. auf einen integrativen und fremdsprachigen Schwerpunkt. Die Veranstaltungen organisieren sie vierteljährlich, sind online von Einzelpersonen oder Gruppen über ihr Bibliothekskonto buchbar und werden meistens von Externen abgehalten. Mit meinem Besuch in Graz wollte ich mir auch ihr Buchungssystem genauer ansehen, denn dies würde ich gerne in unserem Bezirk für die Veranstaltungsarbeit einführen.

Buchungssystem

Buchungssystem

Ich erfuhr, dass ein Informatiker den Code selbst schrieb, aber wie es so häufig üblich ist, schon bald eine neue Stelle angetreten hat. Das LABUKA Team ist selbst nicht so zufrieden mit dem Internetauftritt, weil es als externe Person doch recht schwierig ist, bei dieser Darstellung durchzublicken. Generell ist das Team noch in der Findungsphase. Sie arbeiten in dieser Konstellation erst seit einem Jahr zusammen und wollen noch einiges optimieren.

Letzter Punkt auf der Tagesordnung war ein Besuch beim Kulturamtsleiter Michael Grossmann, der mich auf einige kulturelle Besonderheiten aufmerksam machte. Begeistert war ich vor allem von dem Projekt der Grazer Stadtschreiber*innen. Die Idee stammt aus dem Mittelalter und wurde wieder aufgegriffen und neu definiert. Die von der Stadt Graz eingeladenen Schriftsteller*innen verbringen 1 Jahr in Graz als Gast und können ihrem literarischen Schaffen nachgeben, ohne an finanziellen Druck zu leiden und können sich von der Atmosphäre und der Kulturszene inspirieren lassen. Der Kulturamtsleiter schenkte mir zum Abschied ein Lyrikband einer Stadtschreiberin, die 2020/2021 in Graz literarisch produktiv war.

Zweigbibliothek Eggenberg

Zweigbibliothek Eggenberg

In den restlichen Tagen der Woche nahm ich an einer Teambesprechung mit allen Mitarbeitern aus den Zweigbibliotheken teil, in der vor allem die Entwicklung zu einer Green Library und das Thema Nachhaltigkeit und Energiesparen im Fokus stand. Die Umgestaltung der Bibliothek soll beispielsweise mit neuen Möbeln von Caritas geschehen, die auf Upcycling setzen. Des Weiteren soll eine grüne Wand zeitnah installiert werden, welche sich selbst bewässert und zukünftig für frisches Raumklima und eine steigende Konzentrationsfähigkeit sorgen soll.

Ich lernte eine andere Zweigbibliothek im Bezirk Eggenberg kennen, die zwar recht klein ist, aber gemütlich. Der Schwerpunkt beim Bestand ist vor allem auf DIY-Projekte und Ess- und Kochmedien gesetzt. Dies kommt bei den Besuchern sehr gut an. Da die Bibliothek weiter außerhalb angesiedelt ist, bin ich das erste Mal mit der Bahn gefahren. Es war zunächst ungewohnt, keine Maske zu tragen, denn hier in Graz gibt es derzeit keinerlei Beschränkungen. Aber die Gewöhnung stellte sich doch schon recht schnell ein. Das Schloss Eggenberg mit seinem Garten und Park lud mich nach Feierabend zu einem gemütlichen Ausklang ein. Dabei lief ich gänzlich unvorbereitet mehrere Pfauen über den Weg, die sich sehr fotogen in Szene zu setzen wussten.

Blick auf Graz

Blick auf Graz

Lichtenberg und Graz teilen sich annähernd die gleiche Einwohneranzahl mit knapp 300.000 Einwohnern, mit dem Unterschied, dass die zweitgrößte Stadt in Österreich fast dreimal so groß ist wie unser Bezirk. In der Stadt stehen an vielen verschiedenen Stellen Trinkbrunnen zur Verfügung, die mir bei meinen Unternehmungen und wenn mir das Wasser ausging, stets willkommen waren. Ich weiß nur durch eine Recherche, dass auch Lichtenberg über solche Trinkbrunnen verfügt. Mir sind sie allerdings nie so richtig ins Auge gestoßen.

Ich bin sehr dankbar und angetan von der Herzlichkeit und Zuvorkommenheit meiner Kolleg*innen hier in Graz. Wenn mir bislang an etwas mangelte, sei es ein fehlender Toaster oder ein mobiles Laufgerät zum Filmschauen, haben sie es möglich gemacht und mir etwas für meinen vierwöchigen Aufenthalt besorgt. Da die Schule erst diese Woche nach 9 Wochen Ferien wieder in Graz begonnen hat, waren Veranstaltungen noch etwas rar gesät. Aber in den nächsten Wochen steht viel auf dem Programm, an dem ich mitwirken darf. Ich bin auf die kommenden Ereignisse und die neuen Erfahrungen gespannt und werde zeitnah davon berichten.

Zweigbibliothek Süd

Zweigbibliothek Süd

Zweite Woche vom 19.09. bis 23.09.

Der Beginn der zweiten Woche stand ganz im Zeichen von einer Erkundungstour und dem Besuch der restlichen Zweigstellen. Vor allem die Standorte Nord, Ost und Süd waren mir besonders wichtig anzusehen, da dort die meisten Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche stattfinden. Dies ist anhand einer selbst geführten Statistik in der letzten Woche deutlich hervorgegangen. Generell werden die meisten Bereiche der insgesamt 17 Bezirke in Graz durch die verschiedenen Standorte der Bibliotheken gut abgedeckt. Für die Infrastruktur kann ich nur lobende Worte finden. Alle Bibliotheken sind sehr gut mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar und vor allem sind sie sehr gut in das Stadtbild integriert. Überall sind sie gut ausgeschildert und sofort erkennbar. Bei meinem Rundgang war das schon sehr auffällig und ich würde mir eine Nachbesserung diesbezüglich in Lichtenberg wünschen.
Die Stadtbibliothek verfügt auch über einen Bücherbus, den ich mir zum Ende der Woche ebenfalls anschauen durfte. Dieser fährt vor allem die Randbezirke der Stadt und die Volksschulen an. Derzeit betreut er 26 Haltestellen in 10 Bezirken, davon sind 17 Haltestellen Schulstandplätze.
Die Zweigstelle Graz Süd hat bei mir einen besonderen Eindruck hinterlassen. Die Kinderbibliothek wurde erst seit Kurzem modernisiert und begeistert durch offene, helle Räume und moderne und leicht transportierbare Möblierung. Der Veranstaltungsbereich wurde mit einem einladenden Stufenpodest ausgestattet und sollte damit auch für größere Gruppen Platz bieten. Ich darf mich in der nächsten Woche selbst davon ein Bild machen, wenn ich bei einem Workshop von zwei Autorinnen mit dabei bin. Die Bibliothek verfügt meiner Meinung nach über alles, was wir uns für die Bodo-Uhse-Bibliothek ebenfalls für die Umgestaltung vorgestellt haben. Aber auch die größte Zweigbibliothek Nord hatte einige Raumkonzeptideen, die ich gerne mit nach Lichtenberg in meine Bibliothek mitnehmen möchte. Vor allem die extra eingerichtete „Jugendcorner“, die den Jugendlichen einen schönen, separaten Bereich bietet, der mit einfachen Mitteln umgesetzt wurde, weiß zu überzeugen.

Krimilesung

Krimilesung

Graz wird zur Sprachen- und Mobilitätsstadt

Die Woche stand auch ganz im Thema Sprachen- und Mobilitätsfest. Beides Aktionstage, die auch in Berlin groß aufgezogen werden. In Graz werden über 160 Sprachen gesprochen. Das Sprachenfest wird seit nunmehr 10 Jahren bereits vom Sprachennetzwerk und Partnern betrieben und es gab ein buntes und vielfältiges Programm unter dem Motto: „Sprachen und Migration“. Auch die Stadtbibliothek war mit einem Stand vor Ort. Im Rahmen der Eröffnung wurden zudem auch Umsetzungen aus dem Jubiläumsjahr präsentiert. So gab es unter anderem Einblicke in die Ergebnisse eines Digital Storytelling-Workshops, in der die Teilnehmer*innen ihre sehr persönlichen Geschichten präsentierten. Es war sehr spannend zu erfahren, welche Sprachen in Graz zu hören sind und was ihnen die Sprache Deutsch bedeutet und gebracht hat. Beim Mobilitätsfest ging es vor allem laut und fahrradlastig zu. Ganze Straßen wurden gesperrt und vor dem Zanklhof gab es mit Band und vielen Attraktionen eine Menge zu entdecken. Im sogenannten „Zukunftsviertel Gries“ wollte die Stadt vor allem für umweltfreundliche Verkehrsmittel sensibilisieren. Mein Fahrrad hätte sich sicherlich ebenfalls über die kostenlose, mobile Waschanlage gefreut, welche an einem Stand angeboten wurde. Aber es fristet derzeit ein von Staub besudeltes Leben im Keller daheim.
Ein weiteres Highlight dieser Woche war die Krimilesung auf der Murinsel mit zusätzlicher Modenschau. Das war eine außergewöhnliche Kooperation, was sowohl die Location als auch die Partner betrifft. Die Autorin hat mit der Modeschule in Graz kooperiert und gemeinsam hat sie sich mit den Studierenden die Lesung geteilt, denn in ihrem Regionalkrimi dreht sich alles um das Herzstück der österreichischen Tracht. Ich habe durch die Lesung auch viel über sprachliche Eigenarten der Österreicher erfahren und dass sie eine Vorliebe für den Konjunktiv hegen. Generell war ich von dem Variantenreichtum der ausgestellten Dirndl beeindruckt, die die Modeschüler*innen vorgestellt haben. Ich konnte am letzten Wochenende bereits etwas in diese Richtung reinschnuppern, als das Aufsteiern gefeiert wurde. Das ist das größte Volksfest in Österreich, in dem so viele Menschen mit Trachten in der Stadt unterwegs waren und sich bei viel Gesang mit reichlich Sturm zu amüsieren wussten. Auf die überfüllten Straßen und die doch eher kommerzielle Ausrichtung hätte ich verzichten können, aber die Maroni waren sehr lecker.

Tische und Trennwände

Bibliothek Süd

Dritte Woche vom 24.09 bis 30.09.

In startete in die dritte Woche meiner Hospitation, hier in Graz, mit dem Besuch eines Workshops in der Bibliothek Süd und konnte den Veranstaltungsbereich so zum ersten Mal in Aktion erleben. Das Hin- und Herschieben der Bücherkisten ist insgesamt noch etwas sperrig zu händeln, weil sie noch zu neu sind und deshalb war das Räumen vor und nach dem Workshop recht anstrengend. Sprich kein wirklicher Unterschied zur normalen Bibliotheksarbeit bei mir in der Bodo-Uhse-Bibliothek zu erkennen. Generell ist es auch etwas schwierig, die Kisten so unterzubringen, dass sie bei offenem Betrieb nicht im Weg stehen und die Nutzer*innen gleichzeitig dennoch darauf zugreifen können. Wir haben uns dann für eine Mittellösung entschieden und eine Vorauswahl getroffen und den Bereich dann mit vorinstallierten Vorhängen abgetrennt. Bei einem anderen Workshop unter der Woche wurde auch einmal nicht mit den Vorhängen oder den Trennwänden gearbeitet, sondern es wurde sogar darauf angelegt, es offen für alle zugänglich zu halten. Ich finde diese doppelte Möglichkeit der Nutzung sehr praktisch. So kann auf die Vorlieben und auf den Ansatz der Workshops der jeweiligen Referent*innen eingegangen werden. Aufgrund der Hospitation und des Mitwirkens bei den Veranstaltungen und Betreuung der Referent*innen sprossen auch gleich ein paar neue Ideenansätze in meinem kreativen Oberstübchen. Ich freue mich schon darauf, sie vorzustellen und eventuell sogar umsetzen zu dürfen.

Nach den Workshops gab es auch viel Zeit, sich mit anderen Themen auseinanderzusetzen, die vor allem bei der Bibliothek Süd auffällig waren. Es wurden zum Beispiel extra neue Räumlichkeiten angemietet, um ein Depot zu integrieren. Vergleichbar mit unseren Magazinen, in denen u.a. die Medien aus dem Bücherbus gelagert werden, die bestellt oder von der Betreuerin nach gewisser Zeit ausgetauscht werden können. Außerdem werden dort auch die Klassensätze und die Themenpakete gelagert. Insgesamt verfügt die Stadtbibliothek Graz über 347 solcher Themenpakete und Klassensätze, die alle 6 Wochen lang entlehnbar sind (wie die Österreicher hier sagen). Bei den Themenpaketen handelt es sich um eine transportable, in einer kompakten Box verstaute, Minibibliothek für den Unterricht oder Kindergarten, mit jeweils ca. 40 – 60 Medien zu einem bestimmten Thema. Die Stadtbibliothek will mit diesem Service die Pädagog*innen bei der Arbeit unterstützen und haben die Medien zu den verschiedenen Themen fachlich und fundiert zusammengetragen. Es gibt sogar ein Medienverzeichnis, sodass die Pädag*innen sich schon vorab ein umfassendes Bild machen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für unsere Einrichtung auch interessant wäre. So könnten wir uns das zeitintensive Suchen für die angeforderten Medienkisten sparen und verweisen einfach auf die bereits bestehenden Themenpaketen, die dann auch im OPAC entsprechen einsehbar wären. Manchmal sind bei uns in der Bibliothek kaum vorhandene Exemplare verfügbar, weil sie bereits anderweitig ausgeliehen sind. Deshalb empfiehlt sich diesbezüglich mindestens die Anschaffung von Doppelexemplaren. Vielleicht eine überlegenswerte Möglichkeit zum Zeit- und Personaleinsparen, welche dann für andere Bereiche besser genutzt werden könnte. Einen weiteren Ansatz, den ich mir für unsere Zusammenarbeit und Austausch im Kinderteam wünschen würde, wäre das Jour fixe Modell. Ein fest vereinbarter Termin und regelmäßig wiederkehrend in bestimmten Abständen. Ich fand diese Handhabung im LABUKA Team und generell für die Besprechungen der Kolleg*innen in der Stadtbibliothek mit den Leitungen sehr ansprechend.

Manuel Rubey am Rednerpult

Lesung von und mit Manuel Rubey

Das besondere Highlight dieser Woche war die Lesung von und mit Manuel Rubey aus seinem neusten Buch, die ich bereits in einem vorherigen Eintrag angeteasert habe. Ich wusste im Vorfeld nicht, was mich erwarten würde, aber ich war positiv überrascht und wurde auch dank seiner wunderbaren musikalischen Untermalung sehr gut unterhalten. Ich hatte vor Beginn der Lesung beim Einlass unterstützt und lernte obendrein noch ein wenig über die Mentalität der Grazer Bewohner.
In dieser Woche dürfte ich außerdem bei einem Treffen mit einem zukünftigen Kooperationspartner beiwohnen und mich am Austausch beteiligen. Die Theaterlandschaft in Graz ist sehr vielfältig und für jede Zielgruppe gibt es verschiedene Häuser, die den Geschmack und den Anspruch abzudecken versuchen. Das LABUKA Team wird nächstes Jahr mit Next Liberty zusammenarbeiten, dem Kinder- und Jugendtheater in Graz. Neben Workshops zum NEINhorn, welches in der Bibliothek als Veranstaltungsort kostenlos angeboten werden soll, wurde auch über ein Programm für den Nachmittag sinniert. Das LABUKA Team plant für die Zukunft eine ACADEMY für verschiedene Bereiche. Sie wollen u.a. gerne die MINT-Bildung näher in den Fokus rücken, aber auch einen Einblick in die Theaterarbeit, Hintergründe und generell zu den diversen Berufen sind vorstellbar, die dann beispielsweise in verschiedenen Workshops von Referent*innen, die für Next Liberty arbeiten, vorgestellt werden. Ich finde die Idee überaus spannend und werde es definitiv nach meiner Rückkehr weiterverfolgen. Der Kontakt muss mit dem Hospitationszeitrahmen nicht zwangsläufig enden.

Baum

Grazer Urwald

Neben dem bunten Programm, welches mich während meiner Arbeitszeit zu beschäftigen wussten, habe ich mich am Nachmittag oder am Wochenende auch kulturell weitergebildet oder die Natur genossen. So war ein Besuch im Kunsthaus Graz längst überfällig, welches ich dann zum Energie-Graz-Tag in Angriff genommen habe, da es am gesamten Wochenende kostenlos besucht werden konnte. Sparfüchsin durch und durch. Auch der Besuch beim* Female Future Festival* war eine aufschlussreiche Erfahrung. Dank der Bibliotheksleitung, die das Festival nach Graz geholt und mit organisiert hat, gab es für das LABUKA Team freien Eintritt. Ich nahm an ein paar 30-minütige Sessions zum Thema praxisnahes Investieren in die Zukunft, Generation Z und Networking teil. Alles Themen, die von Frauen für Frauen gehalten wurden und eher an zukünftige oder bereits gestandene Unternehmerinnen zugeschnitten waren. Das tat dem Lerneffekt aber keinen Abbruch. Wer in Graz nach einem grünen Rückzugsort sucht, in der das Waldbaden praktiziert werden kann, der ist mit dem Grazer „Urwald“ gut bedient. Den Beinamen verdient das Gebiet der ehemaligen Baumschule zwar nur bedingt, aber dieser Naturlernort der Naturschutzjugend in Graz überzeugt durch sein naturpädagogisches Konzept mit dem Motto:* „Ich schütze nur, was ich liebe, ich liebe nur, was ich kenne!“* Schulklassen können zu Führungen kommen, an Projekten teilnehmen und über diesen emotionalen Zugang soll das Interesse für Naturschutz geweckt werden. Der Ansatz ist nachvollziehbar, denn die Freude an der Natur ist die stärkste Motivation zum Erhalt eben dieser. Die riesige Gestalt des Mammutbaumes, der Blick in das zerrissene Blätterdach, der unvergleichliche, frische, hölzerne Duft der Weihrauch Zeder in Kombination mit dem Geruch des Regens auf trockener Erde, auch bekannt unter Petrichor, hat mir innere Ruhe eingeimpft und zum tiefen Durchatmen verholfen. Schade, dass ich diesen Geruch nicht in eine Flasche mit nach Hause nehmen kann, um ihn bei Bedarf zu öffnen.

Vierte Woche vom 03.10. bis 07.10.

Mit dem Tag der Deutschen Einheit begann meine letzte Woche hier in Graz. Schon seltsam arbeiten zu gehen, während daheim eigentlich ein Feiertag anstehen würde. Doch beklagt wird nicht, denn es stand einiges an Arbeit auf dem Programm. Ich dürfte die Lesechallenge auswerten und habe eine Vorarbeit für den anstehenden Newsletter und die Abschlussfeier geleistet. Die Lesechallenge fand über das Jahr, seit 2021, verteilt statt und nun konnte in Absprache mit der Politik ein Termin für das Fest und die Verlosung gefunden werden. Während dieses Zeitraums konnten die Teilnehmenden verschiedene Challenges absolvieren. Unter anderem sollte ein Buch gelesen werden, das die Eltern oder Großeltern als Kinder gelesen haben oder ein Buch, welches das Leben einer berühmten Person beschreibt. Für jede erfolgreich geleistete Challenge gab es einen passenden Sticker und so füllten sich peu à peu die Logbücher über das Jahr. Die Nachfrage war enorm. Danach führte ich noch ein anregendes Gespräch mit einer ehemaligen Mitarbeiterin, die sich selbstständig gemacht hat und jetzt als Referentin tätig ist. Sie möchte zukünftig eine reine Manga und Comic Bibliothek in Graz eröffnen und als Vorbild dient ihr eine Bibliothek in Berlin. Manchmal gibt es schon sehr interessante Zufälle. Ich habe von solch einer Bibliothek bislang noch nicht gehört, aber nach einer kurzen Recherche fand ich sie und nehme mir vor, ihr nach meiner Rückkehr definitiv einen Besuch abzustatten. Ich werde auch verfolgen, wie sich das hier in Graz weiterentwickeln wird. Solche Ansätze finde ich sehr spannend und dank Social-Media-Aktivitäten ist es heutzutage kein Problem mehr, up to date zu sein.

Spaziergang an der Mur

Spaziergang an der Mur

In der letzten Woche habe ich es endlich geschafft, mir auch die letzte Zweigstelle anzusehen. Dies habe ich mit einem Spaziergang an der Mur verbunden. Über 10 Brücken führen über den Fluss Mur und ich bin zwar nicht über alle gelaufen, aber ein Blick vom Brückengeländer auf den Fluss und die Umgebung brachte mich beinahe jedes Mal dazu, dass ich ein Foto schießen wollte. Dabei gab es verschiedene Wege, die je nach Vorlieben gewählt werden konnten. Mal war es betoniert, mal Kiesweg oder musste sich mit Radfahrer geteilt werden. Wiederum gab es auch zu schmale Wege, die ich teilweise nur mit einmal Baum umarmen und sich drum herum schlängeln, bewerkstelligen konnte. Am Wochenende bin ich bereits flussaufwärts gelaufen, diesmal flussabwärts. Dabei zeigte sich das Wetter von seiner sonnigsten Seite und die Bäume präsentierten sich bereits im herbstlichen Gewand. Die Zweigstelle Stadtbibliothek Gösting ist bereits seit 1948 in einem Haus untergebracht. Sie ist damit die seit längstem im selben Haus untergebrachte Stadtbibliothek in Graz. Sie ist recht gemütlich und durch die Rollen unter den Bücherregalen, um Veranstaltungen durchführen zu können, auch funktionell eingerichtet. Leider kann sie mit dem Charme des Zanklhofs oder der Modernität der Zweigstelle Süd nicht mithalten. Aber die in dem Bezirk lebenden Menschen sind, nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter, dennoch sehr angetan, dass auch sie mit Medien und Lesestoff versorgt werden. Gerade, weil sie weiter außerhalb, in einem Randbezirk leben. Es ist eben doch etwas anderes, in gefüllten Regalen zu stöbern, als nur den Katalog zu bedienen und die Sachen dann in eine nahestehende Postfiliale liefern zu lassen.

Arbeitsplätze in der Landesbibliothek

Arbeitsplätze in der Landesbibliothek

In Graz gibt es nicht nur die Stadtbibliotheken, sondern auch eine Uni- und Landesbibliothek. Der Fokus der Landesbibliothek liegt auf der Sammlung, Bewahrung und Erschließung des steirischen Schrifttums. Mir ist die Landesbibliothek beim Rundgang durch die Stadt nie so richtig aufgefallen, was vermutlich daran liegt, dass sie unterirdisch ist. Obwohl mir die auf den Kopf gestellten, großen Lichtkegel mit einem teilweise 14 Meter Durchmesser schon ins Auge hätte fallen können. In diesem führt eine Rolltreppe hinunter u.a. zum Zugang in den Freihandbereich der Landesbibliothek. Auf dem Platz gibt es mehrerer solcher Lichtkegel aus Glas, die die Oberfläche des Platzes des Joanneumsviertel an mehreren Stellen durchbrechen. Diese Lichtkegel sollen das Tageslicht auch bis in das zweite Tiefgeschoss bringen, wo sich der Tiefspeicher der Bibliothek befindet. Durch diese Architektur müssen die Kolleg*innen nicht mehr ausschließlich bei künstlichem Licht arbeiten. Beeindruckend ist auch, dass sie in den Glaswänden die Fassaden der historischen Gebäude spiegelt. Ich kann mir vorstellen, dass die Arbeitsplätze um die Kegel herum zu den beliebtesten zählen. Mit dem Neubau des Freihandbereichs wurde auch eine Kinder- und Jugendbibliothek eingerichtet. Dort finden ebenfalls Lesungen, Theateraufführungen und Workshops statt. Zwar nicht in der Menge, wie es die Stadtbibliothek betreibt, aber auch nicht zu verachten. Es ist schön, dass den Grazern Bewohnern so viel geboten wird. Und das alles immer kostenlos. Fernab meiner vorherigen Annahme, es müsse für die Veranstaltungen einen Bibliotheksausweis vorhanden sein, muss ich das jetzt richtigstellen. Das Buchungssystem hat mich etwas verwirrt, aber ein Gespräch mit einer Kollegin brachte Klarheit. Jeder in ganz Österreich kann an den Workshops ohne Kosten und ohne vorherige Ausstellung eines Bibliotheksausweises teilnehmen. Beeindruckend.

Meinen letzten Tag verbrachte ich bei dem Betriebsausflug der Stadtbibliothek in Linz. Es gab eine Führung durch den Wissensturm. Dieser beherbergt die Volkshochschule und die Stadtbibliothek und diese Zusammenführung der beiden Institutionen verdankt das Gebäude auch seinen Namen. Ich konnte mir neben den Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Filialen das Konzept der Linzer Stadtbibliothek ansehen und welche Angebote sie den Besuchern zur Verfügung stellen. Wie die Grazer Bibliothek und auch die Stadtbibliothek in Lichtenberg bieten sie eine Bibliothek der Dinge an. In Graz heißt sie „Dingeborg“, in Linz wird sie unter „Dingelei(h)“ geführt. Ein Stand-up Paddle war im Sommer wohl der Renner unter den Gegenständen schlechthin. Wir dürften auch einige Coding Aktivitäten ausprobieren, aber für mich war nicht wirklich etwas Neues dabei. Da bin ich in Lichtenberg und Berlin schon recht verwöhnt, was solche Workshops anbelangt. Nach einem gemeinsamen Essen teilten wir uns auf und ich ging mit ins Ars Electronica Center. Wir nahmen an einer Highlight-Führung teil. Schwerpunkte des technologischen Kunstmuseums sind künstliche Intelligenz und der Klimaschutz. So spielte uns eine KI nach Chopin ein Klavierstück vor. Schon etwas gruselig, wenn sich die Tasten wie durch Geisterhand von allein bewegen. Eine andere KI wertet Satellitenbilder mehrerer Jahre aus und anhand diesen stellt es eine Prognose auf, was zukünftig für diese Fläche getan werden sollte. Menschen werden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Ein anderes Projekt im Museum stellt sich die Frage, ob es möglich ist, Gerste ohne Natur selbst zu ernten und welche Kosten damit verbunden sind. Es ist möglich, aber die anvisierten 1 kg haben sie nicht erwirtschaftet. Und die Kosten waren auch immens. Was uns die Natur teilweise schon ohne Kosten zur Verfügung stellt, wird einem so nochmal deutlich vor Augen geführt. Leider war die Highlight-Führung zu schnell vorbei und wir hätten dort sicherlich noch mehr Zeit verbringen können, um die vielen Ausstellungsstücke zu testen und zu begutachten. Der Abschluss bildete das Deep Space 8K, welches uns alle besonders angetan hat. Auf einer 16 mal 9 Metern großen Fläche werden Filme mit einer 8K Bildauflösung u.a. auch in 3D gezeigt. Verblüffend war das Panoramabild des Mount Everest, welches aus 10.000 Einzelbildern besteht und innerhalb von 14 Tagen Stück für Stück aufgenommen wurde. Wie nahe da hineingezoomt werden konnte, war faszinierend. Dann neigte sich mein Aufenthalt in Graz mit dem Betriebsausflug auch dem Ende entgegen. Auf dem Rückweg wurde ich im Bus mit Applaus und kleinen Geschenken zur Erinnerung an die Mitarbeiter und die Stadt Graz verabschiedet.

Letzter Tag in Graz bei Nacht

Letzter Tag in Graz bei Nacht

Etwas wehmütig, aber mit viel dazugewonnen Wissen und Ideen bin ich schließlich wieder in Berlin gelandet und musste zunächst meine Gedanken sortieren. Mir sind besonders die Worte der Bibliotheksleitung von Graz bei der Rückfahrt vom Betriebsausflug in Erinnerung geblieben. Sie wünschte sich, dass solche Ausflüge zur Gewohnheit werden und öfter „Spionage“ in anderen Bibliotheken zu betreiben und mit anderen Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Nach meinem vierwöchigen Aufenthalt in Graz kann ich das besonders gut nachvollziehen. Es war eine aufregende Erfahrung, ein Wechselspiel aus Geben und Nehmen, welches mir vielen neuen Erkenntnisse bescherte. Nicht nur aus beruflicher Sicht habe ich viele Einsichten mitnehmen können, wovon sich auch einige in den Blogeinträgen widerspiegeln, sondern auch auf persönlicher Ebene werde ich die ein oder andere Weiterentwicklung zukünftig feststellen dürfen. Im Bezirk Lichtenberg stehen mir verschiedene Möglichkeiten offen, mich weiterzubilden. Aber eine Verlagerung des Weiter- und Neulernen ins Ausland war wiederum eine gänzlich neue Herausforderung, die mit ihren eigenen Schwierigkeiten aufwartete. Dazu zählte, auch wenn man es sich nicht vorstellen mag, die Sprachbarriere. Deutsch ist eben nicht gleich Deutsch. Dank dem LoGo Europe Programm konnte ich die Chance wahrnehmen, aus meiner eigenen Komfortzone auszubrechen, mich dem Unbekannten stellen und mutig sein. Natürlich ist das Unbekannte immer etwas furchteinflößend, da nie genau gesagt werden kann, was einen erwarten wird und ob die Kolleg*innen vor Ort einen mögen werden und man Anschluss findet. Immerhin können vier Wochen eine lange Zeit sein. Ich bin mit vielen solchen Gedanken nach Graz angereist, aber alle waren unbegründet und ich wünschte mir, dass solche Austausche zur Gewohnheit werden. Ich kann jedem nur empfehlen, an dem LoGo Europe Projekt teilzunehmen, der einmal selbst seinen Horizont erweitern, neue Bekanntschaften schließen und sich trauen möchte, etwas Ungewöhnliches zu wagen. Es lohnt sich definitiv. Ich möchte mich an dieser Stelle noch wärmstens bei meinen Kolleg*innen in Graz bedanken, die mich unvoreingenommen und wohlwollend in Empfang genommen und verabschiedet haben. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kolleg*innen im Bezirk Lichtenberg, die diesen Austausch ermöglicht und mich bei der Vorbereitung und während der Zeit unterstützt haben.

Danke fürs Lesen. Tschüss, baba.