Berlin (kobinet) Mehr Komfort und damit auch Barrierefreiheit insbesondere für sehbehinderte Fahrgäste wollen die Berliner Verkehrsbetriebe bieten und nahmen heute einen Test mit akustischer Fahrgastinformation an Haltestellen auf. Das Verkehrsunternehmen will „sprechende Haltestellen“ statt Außenansagen an Bussen und Straßenbahnen, monierte der Berliner Verband der Betroffenen in einer Pressemitteilung:
Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV) fordert von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), ihre Bus- und Tramflotte mit Außenansagen auszustatten, die die Linie und das Fahrziel bekannt geben, um auch blinden und sehbehinderten Menschen die selbstständige Nutzung dieser Verkehrsmittel zu ermöglichen. Die Ansagen müssen so sein, dass Anwohner nicht gestört und blinde und sehbehinderte Menschen dennoch informiert werden.
Stattdessen werden jetzt von der BVG im Auftrag des Berliner Senats „sprechende Haltestellen“ getestet, die die Informationen der sogenannten Daisyanzeigen an den Haltestellen in akustischer Form ausgeben. Damit wird der zweite Schritt getan, bevor die Umsetzung des ersten überhaupt in Erwägung gezogen wurde. Aus Sicht des ABSV können die „sprechenden Haltestellen“ die dringend geforderten Außenansagen an den Fahrzeugen nicht ersetzen, denn die akustischen Ausgaben der mit Daisyanzeigen versehenden Haltestellen kann es nur an einem Bruchteil der Bus- und Tramhaltestellen geben. Bei dem allergrößten Teil der Haltestellen wird sich für die Betroffenen nichts ändern. Sie müssen also weiterhin im wahrsten Sinne des Wortes „blind“ in das Fahrzeug steigen, in der Hoffnung, dass es das richtige ist.
Dem wäre leicht Abhilfe zu leisten, wenn Busse und Straßenbahnen, so wie bei U- und S-Bahn üblich, bei der Anfahrt Linie und Fahrziel ansagen würden. Davon würden nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen profitieren. Informationen nach dem 2-Sinne-Prinzip (Sehen und Hören) können von allen Menschen besser verarbeitet werden. Was in anderen Städten, wie Kassel, Gera, Erfurt, München, Schwerin und Hannover, bereits erprobte Praxis ist, stößt bei den Verantwortlichen in Berlin jedoch bisher auf Ignoranz.
„Ich bin 24 Stunden am Tag blind, und nicht nur an den wenigen Orten, an denen mir die BVG eine Hilfe angedeihen lässt!“ sagt Manfred Scharbach, der Geschäftsführer des ABSV. „BVG und Senat hätten gut daran getan, den ABSV an der Projektauswahl zu beteiligen. Dann wäre vielleicht das richtige Ziel ins Auge gefasst worden“, so Scharbach. „Wir durften erst mitwirken, nachdem die falsche Entscheidung längst getroffen war.“
Sollte die Testphase erfolgreich sein, befürchtet der ABSV, dass mit der dann folgenden Installation der akustischen Ansagesysteme an den Haltestellen für absehbare Zeit die Kapazitäten der BVG erschöpft sind und die viel wichtigeren Außenansagen an den Fahrzeugen, die auch der Berliner Senat bereits seit 1992 fordert, erneut auf Halde gelegt werden.