Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Auf welchen gesetzlichen Grundlagen werden Menschen mit Behinderungen in den Öffentlichen Dienst Berlins eingestellt? Inwiefern gibt es eine Quotenregelung und wie sieht der Anteil von Mitarbeitern mit Behinderungen in den einzelnen Dienststellen zurzeit aus?
Zu 1.: Die Einstellung der Beschäftigten in den Berliner Landesdienst erfolgt nach den allgemeinen beamtenund arbeitsrechtlichen Vorschriften. In Stellenausschreibungen wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden. Nach § 18 Absatz 1 des Laufbahngesetzes darf für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis von schwerbehinderten Menschen nur das Mindestmaß körperlicher Eignung verlangt werden. Darüber hinaus schreibt das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) für private und öffentliche Arbeitgeber/ innen mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen eine Mindestbeschäftigungsquote von 5 Prozent schwerbehinderter Menschen vor. Die Berliner Verwaltung beschäftigt deutlich mehr Schwerbehinderte Menschen als gesetzlich vorgeschrieben und nimmt so eine Vorbildfunktion wahr. Detaillierte Aufstellungen über die Beschäftigungsquote sowie die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten in
der Berliner Verwaltung sind den Anlagen zu entnehmen.
2. Welche Folgen haben die Dienststellen zu befürchten, wenn nur wenige Menschen mit Behinderungen eingestellt werden und was unternimmt der Berliner Senat, um den Anteil von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen?
Zu 2.: Beschäftigt ein/e Arbeitgeber/in nicht die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen, muss für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen nach § 77 SGB IX eine Ausgleichsabgabe entrichtet werden. Da die Beschäftigungsquote in der Berliner Verwaltung erfüllt wird, gilt dies nicht für Berliner Dienststellen. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat mit den Verwaltungsvorschriften über die gleichberechtigteTeilhabe der behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen in der Berliner Verwaltung (VV Integration beh. Menschen) (DBl. I Nr. 3 vom 31. Oktober 2006) Regelungen zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in der Berliner Verwaltung erlassen.
3. Inwiefern hat der Senat vor, bereits im Öffentlichen Dienst befristet beschäftigte Menschen mit Behinderungen in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen, um einer erneuten Chancen- und Perspektivlosigkeit und einer mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Gefahr der Verarmung und sozialen Isolation dieser Menschen vorzubeugen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie viele und bei welchen Dienststellen?
Zu 3.: Für die Übernahme von befristet Beschäftigten in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse gelten die allgemeinen Regelungen. Insoweit verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.
4. Welche tatsächlichen Möglichkeiten hat der Senat für erwachsene Menschen mit Behinderung, die aus gesundheitlichen Gründen ihr (Hochschul-)Studium nicht beenden konnten und jetzt jedoch wieder berufsbegleitend studienfähig sind, geschaffen, einen berufsbegleitenden Studienabschluss zu erlangen? Welche anderen Weiterbildungsangebote gibt es und bei wem?
Zu 4.: Mit der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) und Hochschulzulassungsgesetzes (BerlHZG) in diesem Jahr hat Berlin die Verpflichtung der Hochschulen zum Nachteilsausgleich bei Studierenden mit Behinderungen bei der Zulassung (§ 7 a, § 10 BerlHZG), im Studium und bei den Prüfungen (§ 31 BerlHG) konkretisiert und erweitert. Ziel ist es, dass keine Studierende und kein Studierender wegen einer Behinderung oder chronischen Krankheit das Studium in Berlin ohne Abschluss beenden muss. Mit dieser Novellierung ist auch die generelle Verpflichtung der Hochschulen verstärkt worden, ein berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen: Nach § 22 Abs. 5 BerlHG sollen nunmehr die Hochschulen Teilzeitstudiengänge einrichten, die ein Studium neben dem Beruf ermöglichen. Speziell für Studierende mit Behinderung gilt nunmehr ausdrücklich, dass nach § 22 Abs. 4 Satz 4 BerlHG ein Teilzeitstudium zulässig ist, wenn eine Behinderung ein Teilzeitstudium erforderlich macht.
Je nach Qualifikationsstand, Qualifikationsziel und Fachrichtung gibt es eine Vielzahl außerhochschulischer Weiterbildungsangebote z. B. von Volkshochschulen, aber auch von privaten Trägern. Einen guten Überblick bieten z. B. die Berliner Volkshochschulen und die Bundesagentur für Arbeit.
5. Inwieweit ist dem Senat bekannt, dass etliche Berliner Zeitarbeitsunternehmen in ihren Bewerbungsbögen vor einer Einstellung nach der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers/der Bewerberin Fragen, obwohl für die zu besetzenden Stellen höchstens nach einer gesundheitlichen Einschränkung für die konkrete Stelle gefragt werden dürfte? Teilt der Senat die Auffassung, dass dies eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung darstellt? Welche Möglichkeiten sieht der Senat dagegen vorzugehen und was gedenkt der Senat dafür zu tun, dass die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft in Zukunft unterbleibt?
Zu 5.: Die inhaltliche Ausgestaltung von Bewerbungsbögen oder die Art und Weise, wie Unternehmen anlässlich von Bewerbungs- und Einstellungsverfahren die Befragung von Bewerberinnen und Bewerbern gestalten, ist dem Senat gegenüber nicht meldepflichtig. Der Senat hat auch keine rechtliche Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung von Bewerbungsbögen oder die in Bewerbungsgesprächen von privaten Unternehmen gestellten Fragen. Soweit der Senat in Einzelfällen Kenntnis davon hat, dass Bewerbungsbögen nach der Schwerbehinderteneigenschaft fragen, ist für den Senat daher nicht ersichtlich, ob dies eine Verhaltensweise darstellt, die „etliche“ Berliner Zeitarbeitsunternehmen betrifft. Nach der Systematik des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stellt allein die Frage nach einer Schwerbehinderung noch keine unzulässige Benachteiligung (Diskriminierung) i.S. des § 7 AGG dar. Die Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft kann allerdings bei anschließender
Nichteinstellung des schwerbehinderten Menschen im Streitfall ein Indiz darstellen, das eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lässt. Dies hat gemäß § 22 AGG zur Folge, dass die andere Partei – der/die Arbeitgeber/in – die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dies kann z.B. dadurch erfolgen, dass der/die Arbeitgeber/in darlegt, dass andere Gründe für die Auswahlentscheidung maßgeblich waren. Die Frage, inwieweit die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft nach dem Inkrafttreten des AGG zulässig ist, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Im Übrigen sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drucks. 17/4230) ein Verbot der Frage nach einer Schwerbehinderung vor.
Berlin, den 13. Juli 2011
Dr. Ehrhart Körting
Senator für Inneres und Sport
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. August 2011)