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Erinnerung an NS-Pogrome 1938: «Nie wieder ist jetzt»

  • Brandenburger Tor - «Nie wieder ist jetzt»
  • Gedenkweg

    Teilnehmer gehen beim Gedenkweg der Kirchen anlässlich des 85. Jahrestages der Novemberpogrome 1938.

Etwa 2000 Menschen haben bei einem Rundgang durch den Westen Berlins am Donnerstag an die Pogromnacht der Nationalsozialisten vor 85 Jahren erinnert.

Die Zahl nannte die Polizei. Der sogenannte Gedenkweg führte vom Winterfeldtplatz über Tauentzienstraße und Kurfürstendamm zum Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße.

«Nie wieder ist jetzt» auf dem Brandenburger Tor

Dort mahnte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner bei einer Gedenkfeier der Gemeinde, derartige Gewalt gegen Juden dürfe sich nie wiederholen. «Nie wieder ist jetzt», sagte der CDU-Politiker. Diese Botschaft ließ er abends auch auf das Brandenburger Tor projizieren. Die Pogrome vom 9. und 10. November 1938 seien «ein düstereres, ganz dunkles Kapitel unserer Geschichte, das wir niemals vergessen dürfen», sagte der CDU-Politiker.

Regierender fordert zu Zivilcourage auf

Wegner schlug den Bogen zu aktuellen antijüdischen Vorfällen in Berlin seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. «Das, was teilweise in unseren Schulen, aber auch auf unseren Straßen passiert, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben», sagte der Regierende Bürgermeister. Alle müssten hinschauen und auch den Mund aufmachen. «Vielleicht haben wir in den letzten Jahren zwar hingeschaut, aber wir sind leise geblieben», sagte Wegner. «Ich glaube, wir dürfen nicht mehr leise bleiben.» Er wolle in einem Berlin leben, wo Menschen ohne Angst eine Kippa tragen könnten, wo es keine Brandanschläge auf Synagogen gebe. Es gehe um ein friedliches Miteinander: «Das müssen wir gemeinsam machen.»

Gideon Joffe: Stimmung wird immer dunkler

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, erinnerte daran, wie vielfältig Berlin sei. «Berlin ist so bunt und so divers geworden, dass man glauben könnte, man kann sich hier nur wohlfühlen», sagte Joffe. «Es wird einerseits immer bunter in dieser Stadt, andererseits wird die Stimmung in der jüdischen Gemeinde immer dunkler.» Es beginne zu brodeln. Man müsse anfangen, dagegen vorzugehen. Joffe dankte Wegner für seine Unterstützung, aber auch den christlichen Kirchen, die den Gedenkweg am Nachmittag durch die City West organisiert hatten. Entlang der Strecke gab es vor dem Zweiten Weltkrieg mehr als 100 jüdische Geschäfte, von denen zahlreiche in der Pogromnacht Ziel antisemitischer Zerstörungswut und Plünderungen wurden.

Gedenkweg von Kirchen organisiert

Der Berliner Erzbischof der katholischen Kirche, Heiner Koch, sagte, der Gedenkweg sei ein Zeichen der Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Berlin heute. Der evangelische Bischof Christian Stäblein betonte: «In einer Stadt, in der jüdische Menschen und jüdische Einrichtungen bedroht und angegriffen werden, sagen wir laut und deutlich: Nie wieder ist jetzt.» Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, es reiche nicht zu betonen, die Schoah dürfe sich nicht wiederholen. Entscheidend sei, sich vor Jüdinnen und Juden zu stellen, wenn diese angegriffen würden.

Joachimsthaler Platz zu Grünfeld-Ecke umbenannt

Einen Halt legten die Teilnehmer auch an der Grünfeld-Ecke ein, dem früheren Joachimsthaler Platz an der Kreuzung zum Kurfürstendamm. Er war erst am Mittwoch umbenannt worden und trägt nun den Namen der jüdischen Familie, die dort in den 1930er Jahren ein bekanntes Kaufhaus führte. 1938 hatten Schlägertrupps der Nationalsozialisten in der Nacht vom 9. zum 10. November landesweit eine Gewaltwelle gegen Juden begonnen. In der Folge wurden nach Angaben des Deutschen Historischen Museums mehr als 1300 Menschen getötet, 1400 Synagogen zerstört und beschädigt, 7000 Geschäfte überfallen und 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt.

Autor:in: dpa
Veröffentlichung: 10. November 2023
Letzte Aktualisierung: 10. November 2023

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