Weniger Bauchladen, mehr Fokussierung hätte dem Konjunkturpaket gut getan - auf die Umsetzung kommt es jetzt an

Pressemitteilung vom 04.06.2020

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop zum Konjunkturpaket:

Der Bund hat das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik vorgelegt. Es ist richtig, jetzt mit massiven Investitionen den Schub zu geben, aus der Krise herauszuwachsen. Das voluminöse Paket muss jedoch den Praxistext bestehen. Jetzt kommt es darauf an, dass aus den zahlreichen Ankündigungen auch schnell Taten werden. Konjunkturprogramme zünden nur, wenn sie schnell Wirkung entfalten.

Weniger Bauchladen und mehr Fokussierung hätte dem Konjunkturpaket gut getan. Investitionen in den Klimaschutz müssen Vorrang haben, wie auch Investitionen in Digitalisierung. Krisenresilienz ist die beste Zukunftsinvestition.

Die Vernunft hat sich gegen den Lobbyismus durchgesetzt: Überraschend, aber richtig ist der Verzicht auf die klimaschädliche und wirtschaftlich fragwürdige Abwrackprämie. Natürlich sind 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Nahverkehr ein gutes Signal, aber angesichts des Gesamtpakets deutlich zu wenig, um der Verkehrswende einen echten Schub zu geben.

Die Corona-Krise muss als Turbo für die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft genutzt werden. Das Thema Digitalisierung sieht bislang nur auf dem Papier gut aus. Es darf aber nicht wie die zahlreichen anderen Versprechen des Bundes in Sachen Digitalisierung wie der Breitbandausbau als Papiertiger enden.

Das Zuschussprogramm für kleine und mittlere Unternehmen kommt zu spät. Von den bisher avisierten 50 Mrd. Euro in der Soforthilfe sind bislang nur 12,5 Mrd. Euro abgeflossen, die 25 Mrd. Euro sind damit keine zusätzlichen Mittel. Bei den angekündigten Hilfen für besonders betroffene Branchen und Unternehmen kommt es jetzt darauf an, dass die Antragstellung schnell und einfach erfolgen kann. Berlin steht wie gewohnt bereit, das Programm schnell umzusetzen und mit eigenen Mitteln zu ergänzen, wenn die Umsetzung unbürokratisch funktioniert. Wir haben die Berliner Mittel für den Mittelstand jetzt schon deutlich erhöht.

Bei den Überbrückungshilfen leuchten aber auch die meisten Fragezeichen auf. Komplizierte Berechnungen von Umsatzausfällen, eine Beschränkung der Zahlungen bis August und die Notwendigkeit, einen Steuerberater auch für kleinste Unternehmen heranzuziehen, können zu langwierigen Verfahren führen. Ich warne davor, jetzt zu hohe bürokratische Hürden aufzubauen. Mehr Verwaltungsaufwand und vertiefte Einzelfallprüfungen werden die Auszahlung deutlich verlangsamen.

Auf der Nachfrageseite stellt sich die Frage, ob die Senkung der Mehrwertsteuer wirklich bei den Menschen ankommt und welche Lenkungswirkung diese entfaltet. Besonders betroffene Branchen wie Gastronomen, Hotels, Clubs und Veranstalter leiden unter Umsatzeinbußen, die absehbar nicht über eine temporäre Mehrwertsteuersenkung ausgeglichen werden können. Wir prüfen daher in Berlin eine Stärkung der lokalen Nachfrage, um diese Berliner Schlüsselbranchen da zu stützen, wo der Bund zu kurz greift.

Das Konjunkturprogramm hat aber insbesondere auch schmerzliche Lücken. Die Bundesregierung hat sich entschieden, die Soloselbstständigen in die Grundsicherung zu überführen. Ich halte das für den falschen Weg. Berlin lebt von der Kreativität der Soloselbstständigen und Freiberufler. Sie machen die wirtschaftliche und kulturelle Vielfalt Berlins aus und haben berechtigte Sorgen um ihre Existenz. Betriebskostenzuschüsse helfen ihnen nicht. Auch StudentInnen wurden von der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Ihnen droht aus finanziellen Gründen Studienabbruch oder Verschuldung. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass die junge Generation der Verlierer der Coronakrise wird.